Diesen Baum habe man bis zu Goethes Zeiten lediglich aus fossilen Abdrücken gekannt, die etwa 280 Millionen Jahre in die Erdgeschichte zurückreichten, bis er schließlich in China wiederentdeckt wurde. Dort wurde er wegen seiner geteilten Blattform und weil es männliche und weibliche Bäume gibt, zum Symbol der Yin-und- Yang-Philosophie. Für Herrn A. sei er außerdem Sinnbild für Urgewalt und Gesundheit. Schließlich habe der Baum viele Weltuntergangs- Szenarien seit der Entstehung der Reptilien, also noch vor den Dinosauriern, überstanden und darüber hinaus sogar die Atombombenexplosion in Hiroshima, wo er später aus einem alten Wurzelstock neben einem Kloster wieder austrieb. Doch zurück zu Herrn A., der seiner Hoffnung Ausdruck gab, mir eine Freude mit dem Bäumchen zu machen, zumal es Symbolcharakter für Gesundheit und Langlebigkeit besitze, hoffentlich auch für seinen neuen Besitzer. Ich recherchierte und fand heraus, dass solche Bäume durchaus 1.000 Jahre alt werden können, was mir wohl erspart bleiben wird. Aber natürlich erfreuten mich die mit dem Geschenk verbundenen Wünsche, sodass ich mich herzlich bedankte. Das hätte ich auch im Namen meiner Frau tun sollen, bei der das Bäumchen besonderes Interesse weckte. Ich führte das zunächst darauf zurück, dass sie gern gärtnert. In der Tat suchte sie gemeinsam mit mir einen passenden Standort aus, mittags schattig, weder zu trocken noch zu nass. Leider meinte sie auch, Herr A. müsse mich gut kennen, da die Blätter gesundheitsfördernde Stoffe enthielten: Flavonglykoside, die als Konzentrat in aus Ginkgo-Blättern gewonnenen Medikamenten enthalten sind und – man lese und staune – „zur symptomatischen Behandlung von hirnorganisch bedingten geistigen Leistungseinbußen“ eingesetzt werden. Nun gebe ich ja zu, dass ich mit zunehmendem Alter gewisse Dinge schon einmal vergesse, halte eine Ginkgo-Medikation aber noch für übertrieben. Meist handelt es sich nämlich um Fälle, die nicht von großer Tragweite sind. So kommt es vor, dass ich versäume, den Mülleimer hinauszustellen (nachlassende Merkfähigkeit?), wieder einmal meine Brille nicht finde (Konzentrationsstörung?) oder nicht mehr weiß, warum zum Teufel ich in den Keller gegangen bin (teilweiser Verlust des Kurzzeitgedächtnisses?). Niedergeschlagen bin ich aber keinesfalls, und ich habe auch nie Ohrensausen, es sei denn, meine Frau versucht mir mitzuteilen, ich müsse mal wieder den Flur streichen. Und selbstredend verwahre ich mich dagegen, mir Schwindel zu unterstellen. Der FF-Leser wird wissen, dass ich doch (fast) immer die Wahrheit sage. Uwe Werner