Seit etwa 1930 gilt die Europäische Auster in der deutschen Nordsee als ausgestorben, nur seltene Einzelfunde sind belegt“, sagt Beate Jessel, Präsidentin des BfN. „Austern können jedoch im ökologischen Gesamtgefüge der Nordsee eine wichtige Rolle spielen, da sie nicht nur große Wassermengen filtrieren, sondern auch Riffe bilden können. Solche biogenen, das heißt von Lebewesen aufgebauten Riffe sind in der Nordsee sehr selten. Austernbänke und Austernriffe weisen außerdem eine besonders hohe biologische Vielfalt auf, stehen daher im Fokus des Meeresnaturschutzes“, erläutert Jessel das Engagement des BfN. Das im April 2016 gestartete E+E-Vorhaben basiert auf einer 2014 erstellten Machbarkeitsstudie des BfN zur potenziellen Wiederansiedlung der Europäischen Auster in der Deutschen Bucht. Wissenschaftler des AWI entwickeln in Kooperation mit der Abteilung Meeresnaturschutz des BfN Methoden und Verfahren zum nachhaltigen Wiederaufbau eines Austernbestands in der deutschen Nordsee und setzen sie modellhaft in die Praxis um (siehe DATZ 8/2016). In einem ersten Schritt besuchte die für das Projekt verantwortliche Wissenschaftlerin des AWI, Bernadette Pogoda, kürzlich internationale Forschungseinrichtungen und Zuchtbetriebe in Großbritannien, Irland und den USA. Ziel ist es, aus den Erfahrungen von Austernzuchten und anderen Restaurationsvorhaben zu lernen und geeignete Methoden und Technologien auf die Situation in der deutschen Nordsee zu übertragen. „Wir planen darüber hinaus den gemeinsamen Aufbau eines internationalen Netzwerks zur Austernrestauration“, betont Beate Jessel. „Denn wir möchten diese Initiativen zur Austern- Wiederansiedlung auch über die deutsche Nordsee hin- aus zusammenbringen, Erfahrungen austauschen und gegenseitig von den Ergebnissen der Forschungsprojekte profitieren.“ Parallel dazu wird ermittelt, aus welchen Zuchtbetrieben sich geeignete Austern beziehen lassen. Es werden strenge Richtlinien eingehalten, um eine Einfuhr gebietsfremder Arten auszuschließen. Geplant ist zunächst das Ausbringen von Austernsaat verschiedener Größenklassen und langfristig auch von adulten Austern. Dieser Test- Besatz erfolgt vorerst in speziellen Käfigstrukturen, um ein Verdriften oder Versanden der Tiere zu vermeiden. „Für eine nachhaltige Wiederherstellung von Austernbänken sind jedoch umfangreiche Besatz- und Monitoring-Konzepte notwendig“, erläutert Karen Wiltshire, stellvertretende Direktorin des Alfred-Wegener- Instituts. „Diese werden in unserem Vorhaben erarbeitet und getestet. Neben der Populationsdynamik wird unser Team … dabei vor allem die Fitness, den Gesundheitszustand und das Wachstum der jungen Austern im Laufe des Projektes untersuchen.“ Fragestellungen zum Ansiedlungssubstrat werden ebenfalls bearbeitet. Austern siedeln sich bevorzugt auf Schalen der eigenen Art an, nutzen jedoch ebenso anderes Hartmaterial wie Schalen weiterer Muschelarten, aber auch künstliche oder natürliche Strukturen wie große Steine. Die Suche nach geeigneten Flächen in der Deutschen Bucht hat bereits begonnen. Eine grundsätzliche Voraussetzung für die Eignung eines Meeresgebiets ist der Ausschluss jeglicher das Substrat verändernder Aktivitäten, wie etwa bodenberührende Fanggeräte der Fischerei oder der Abbau von Sand und Kies. Ziel des E+E-Vorhabens ist es, unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben die Grundvoraussetzungen für ein langfristig angelegtes Restaurationsprogramm zu schaffen, damit in Zukunft Europäische Austern wieder in der Deutschen Bucht heimisch werden können. BfN