Die aktuelle Liste ist die umfassendste nationale Gefährdungsanalyse für Meeresorganismen. Sie entstand in sechsjähriger Arbeit und beruht auf den Analyseergebnissen zu gut 1.700 Arten. Bisher wurden drei Bände der neuen Roten Listen vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlicht. Darin wurden etwa 9.000 Arten Land- und Süßwasserorganismen analysiert, von denen 45 Prozent auf der Roten Liste stehen. „Im Vergleich zum Binnenland scheint die Situation in den Meeren mit 30 Prozent Rote- Liste-Arten deutlich besser zu sein, doch dieser Eindruck täuscht“, sagte Beate Jessel. „Denn bei etwa einem Drittel der Arten gibt es noch nicht genügend Informationen, um ihre Gefährdung hinreichend einschätzen zu können. Darunter befinden sich erfahrungsgemäß immer auch unentdeckte Rote- Liste-Arten. Nur knapp 31 Prozent aller erfassten marinen Arten können nach derzeitiger Kenntnis als ungefährdet gelten“, so Jessel. Im Binnenland hingegen seien es gut 38 Prozent. Drei Gefährdungsfaktoren haben sich nach Meinung des BfN und der Autoren der Roten Listen als besonders bedeutsam gezeigt: 1. Die Fischerei, vorwiegend die Grundschleppnetzfischerei, beeinträchtigt nicht nur die Fischfauna, sondern den gesamten Lebensraum von Nord- und Ostsee inklusive der Nahrungsnetze. 2. Die Nährstoffeinträge mit anschließenden Mikroalgenblüten verringern den Lichteinfall in größere Tiefen und erhöhen die Schwebstofffracht im Wasser, was sehr vielen Großalgen zu schaffen macht, aber auch den wirbellosen Tierarten, die ihre Nahrung aus dem Wasser filtrieren. 3. Die Abbau- und Baggerarbeiten zerstören den Lebensraum festsitzender Arten schlagartig. Für alle untersuchten Artengruppen liegen nun erstmals auch Gesamtartenlisten vor, sodass die Roten Listen gleichzeitig als Inventar der bekannten Spezies fungieren. Weil sich Nordund Ostsee ökologisch stark voneinander unterscheiden, werden die beiden Räume getrennt betrachtet. Bei den Wirbellosen und Großalgen gibt es regionale Verbreitungsangaben, die in Nordund Ostsee vorkommenden Fische werden zusätzlich für beide Meeresteile separat bewertet. Bei ihnen zeigt sich im deutschen Nordseegebiet, wo 27 Prozent der Arten auf der Roten Liste stehen, insgesamt eine stärkere Gefährdung als im Teilbewertungsgebiet der Ostsee mit 17 Prozent Rote-Liste-Arten. Die Datenbasis für die neue Rote Liste hat sich stark verbessert. Wissenszuwachs gab es am deutlichsten für die wirbellosen Tiere. Während etwa Zehnfußkrebse, Stachelhäuter oder Schnecken und Muscheln bereits in früheren Auflagen der Roten Listen bearbeitet wurden, konnten einige Artengruppen nun erstmals auf ihre Gefährdung hin untersucht werden. So wurde etwa der Gefährdungszustand der Cumazeen (Ranzenkrebse), der Flohkrebse, Seepocken, der Asselspinnen sowie der Moostierchen und Schädellosen analysiert. Bei den Meeresfischen nahm die Zahl der untersuchten Arten hingegen von 216 auf 94 ab. Aus früheren Listen wurden nur solche Arten erneut betrachtet, die als typischer Bestandteil unserer Fischfauna angesehen werden können. Das sind Spezies, die in deutschen Gewässern regelmäßig nachzuweisen sind oder früher vorkamen. Die Roten Listen beschreiben die Gefährdungssituation der Tier-, Pflanzenund Pilzarten und stellen mit ihren Gesamtartenlisten eine Inventur der Artenvielfalt dar. Sie werden alle zehn Jahre unter Federführung des Bundesamtes für Naturschutz für das gesamte Bundesgebiet herausgegeben. Als Ansprechpartner für die einzelnen Listen stehen bereit: • Ralf Thiel (Universität Hamburg, Biozentrum Grindel und Zoologisches Museum; ralf.thiel@uni-hamburg. de; Meeresfische); • Michael L. Zettler (Leibniz- Institut für Ostseeforschung Warnemünde, Rostock; michael. zettler@io-warnemuende. de; Wirbellose). Bezugshinweis: Das Werk ist im Landwirtschaftsverlag unter dem Titel erschienen: Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 2: Meeresorganismen. BfN-Schriftenreihe Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 70 (2). BfN