Schwere Schäden an den Korallen in der Tiefsee belegte eine Studie, die nach der Explosion der Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko durchgeführt wurde. Am 20. April 2010 war es zu der bisher wohl größten Umweltkatastrophe in Amerika gekommen – eine Konsequenz aus mehreren Schlampereien und Versehen durch BP, Halliburton und Transocean, so ein Abschlussbericht der US-Kommission. Forscher inspizierten drei bis vier Monate, nachdem das Bohrloch endlich verschlossen worden war, elf Standorte von Tiefseekorallen mit einem Tauchroboter. An diesen Stellen in 290 bis 2.600 Metern Tiefe, alle über 20 Kilometer vom Unglücksort entfernt, wurden keine Schäden beobachtet. Im November 2010 untersuchten Helen White vom Haverford College (Pennsylvania) und ihre 14 Kollegen eine Region in 1.370 Metern Tiefe und in elf Kilometern Entfernung von der ehemaligen Ölplattform mithilfe eines Tauchroboters sowie im Dezember erneut mit dem Tauchboot Alvin – und dort zeigten die Korallenkolonien starke Anzeichen von Stress, die so in den letzten zehn Jahren nirgendwo im Golf von Mexiko dokumentiert worden waren: Sie wiesen Gewebeverlust sowie Skleriten- Vergößerung auf und litten unter einer exzessiven Schleimproduktion. Außerdem waren die Korallen von einer braunen, flockigen Masse bedeckt – mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit Öl von der „Deepwater- Horizon“-Bohrung. Obendrein waren die kommensal mit den Nesseltieren lebenden Schlangensterne ausgebleicht. Bei 46 Prozent der an dieser Stelle lebenden 43 Korallenarten waren über die Hälfte der Kolonien geschädigt, bei fast einem Viertel der empfindlichen Ökosysteme waren über 90 Prozent der Korallen betroffen. „Das Vorhandensein kürzlich geschädigter und gestorbener Korallen unter dem Pfad einer dokumentierten Ölfahne, die aus der Macondo-Quelle hervorsprudelte, liefert schlagende Beweise dafür, dass das Öl einen Einfluss auf TiefseeÖkosysteme hat“, bilanzieren die Forscher. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die unvorhersehbare Natur des Unglücks in Bezug auf seine Größe, Freisetzung in der Tiefe und Auswirkungen auf Ökosysteme in der Tiefsee.“
Oliver Mengedoht
Literatur White, H. K., W. Cho, T. M. Shank, E. E. Cordes, A. M. Quattrini, R. K. Nelson, R. Camilli, A. W. J. Demopoulos, C. R. German, J. M. Brooks, H. H. Roberts, W. Shedd, C. M. Reddy & C. R. Fisher (2012): Impact of the deepwater horizon oil spill on a deep-water coral community in the Gulf of Mexico. – PNAS Early Edition. DOI: 10.1073/pnas.1118029109.