margin-right: 20px; margin-bottom: 10pxHerausgegeben von Peter van der Sleen und James S. Albert. 190 Farbfotos und 700 Zeichnungen, 464 Seiten, Softcover. Princeton University Press. ISBN-10 0691170746; ISBN-13 978-0691170749. Etwa € 45,50 (Print), € 34,12 (Kindle-Version)

Nun ist es endlich erhältlich, ein „Muss-Haben-Buch“ zumindest für (Süßwasser-)Fisch-Fans, die an südamerikanischen Arten interessiert sind: der „Field Guide to the Fishes of the Amazon, Orinoco & Guianas“, herausgegeben von Peter van der Sleen und James S. Albert.
Die Herausgeber haben es geschafft, dass so gut wie jeder, der in der südameri­kanischen Süßwasserfisch-Szene Rang und Namen hat, seinen Teil zu diesem Werk beitrug, von A wie Akama bis Z wie Zuanon. Sogar ei­nige Bilder der DATZ-Salmler-Hoffmänner finden sich in dem Buch. Allein die ­Liste der zum Inhalt der Publika­tion beitragenden Autoren umfasst 50 Namen und eineinhalb Seiten, die Danksagung enthält sicher über 100 Einträge, ich habe sie nicht gezählt.
Die Vorworte stammen aus den Federn zweier Autoritäten auf dem Gebiet der Amazonasforschung, Michael J. Goulding, wohl jedem Südamerika-Fischfan durch seine Bücher bekannt, und Luiz R. Mala­barba von der Federal University of Rio Grande do Sul in Porto Ale­gre, Brasilien. Jansen Zuanon vom INPA in Manaus hat die Korrekturen gelesen und ein Nachwort verfasst.
Bei diesem Feldführer handelt es sich natürlich nicht um ein Aquarienfischbuch, sondern um ein reines Bestimmungswerk. Der Field Guide behandelt auch nicht die gesamte Fischfauna der Neotropen, sondern nur die Fische von „Greater Amazonia“, die die Arten des Amazonas- und Orinoco-Einzugs sowie der Küstenflüsse der drei Guyana-Länder (Guyana, Surinam und Französisch-Guayana) umfasst, insgesamt ein Areal von etwa 8,4 Millionen Quadratkilometern (das entspricht un­gefähr 24-mal der Fläche Deutsch­lands, 100-mal dem Gebiet Österreichs und 200-mal der Größe der Schweiz).
Ziel der Veröffentlichung ist es, die Bestimmung aller Fische bis auf Gattungsebene zu ermöglichen. Die Herausgeber betonen, dass das Werk alle zurzeit bekannten Familien und Gattungen enthält, was sich bei der Zahl der jährlich neu erscheinenden taxonomischen Arbeiten zur südamerikanischen Fisch­fauna aber schnell ändern kann. Damit haben die Autoren sicher Recht, und schon beim Erscheinen dieses Buchs wurden sie von der aktuellen Taxonomie „überholt“, aber dazu später etwas mehr. Insgesamt werden in dem Guide circa 3.000 Arten aus 564 Gat­tungen, 63 Familien und 19 Ordnungen behandelt.
Das Buch ist in mehrere Abschnitte gegliedert. Vorworten, Danksagungen und Autorenliste folgt eine zehnseitige allgemeine Einführung, in der „Greater Amazonia“ definiert wird und Geschichte, Flusssysteme und Gewässertypen, Fischfauna und Artenzahl sowie Arten- und Umweltschutz behandelt werden; „Greater Amazonia“ wird hier in 20 weitere ökologische Regionen bezüglich der Verbreitungsgebiete der Fische unterteilt.
Es folgt eine dreiseitige Anleitung, wie dieses Buch zu benutzen ist, und dann geht es schon los mit dem Identifikationsschlüssel.
Die ersten neun Seiten bieten die Schlüssel zu den einzelnen Fischfamilien; hat man einen Fisch damit bis zur Familie bestimmt, wird man auf die entsprechende Seite zu dieser Familie verwiesen.
Auf den Familienschlüssel folgen 33 Seiten mit Fotos von diversen Arten aus allen Ordnungen und 60 (der 63 abgehandelten) Familien. Hier werden Farbaufnah­-men von Beispielarten auf schwarzem Hintergrund präsentiert, großteils Aufnahmen von lebenden Tieren, teilweise von konservierten Exemplaren. In diesem Teil finden sich die einzigen Fischfotografien des Buchs, und es enthält nur sehr ­wenige Landschafts- und ­Gewässeraufnahmen in der Einleitung. Sonst bietet es ausschließlich ausgezeichnete Strichzeichnungen der Fische sowie Landkarten.
Der Hauptteil des Werks, die Seiten 69 bis 402, umfasst die Schlüssel innerhalb der Familien, um die Fische ihren Gattungen zuzuordnen, angefangen mit den Bullenhaien (Familie Carcharhinidae) und endend mit den Kugelfischen der Gattung Colomesus (Familie Tetraodontidae).
Von allen Gattungen ist eine Beispielart mittels Zeichnung abgebildet, gelegentlich gibt es Detailgrafiken zu Bestimmungsmerkmalen. Es werden alle Arten der Gattungen genannt, ihr wissenschaftlicher Name sowie umgangssprachliche Bezeichnungen in Portugiesisch, Spanisch und Englisch. Zu jeder Gattung gibt es außerdem eine Verbreitungskarte.
Dem ausführlichen Bestimmungsschlüssel folgt ein zehnseitiger Teil mit Erklärungen von Fachbegriffen. Ein 56-seitiges Literaturverzeichnis, ein Fotoquellennachweis und ein fünfseitiger Index mit den wissenschaftlichen Fischnamen beschließen das Werk.
Der „Field Guide to the ­Fishes of the Amazon, Ori­noco & Guianas“ ist eine ein­zigartige Publikation, wie sie in dieser Form bisher noch nicht erschienen war. Eine komplette Übersicht über die Süßwasserfische des Amazonas- und Orinoco-Gebiets, das die artenreichste Süßwasserfischfauna unseres Planeten beherbergt, stellt auch einen ­Meilenstein in der ichthyologischen Literatur dar. Interessierte Aquarianer werden es lieben, in diesem Band zu schmökern, für in Südamerika reisende Liebhaber ist das Buch ein Muss, und auch für Biologen wird es wohl schnell zu einem Standardwerk werden.
Die Qualität von Druck und Abbildungen ist sehr gut, und bei einem für solche Werke doch erstaunlich günstigen Preis von rund 45 Euro gibt es für engagierte Liebhaber eigentlich keinen Grund, dieses Buch nicht zu kaufen. Es ist zwar in Englisch erschienen, aber zum Verstehen reichen bereits ­re­lativ geringe Sprachkenntnisse.
Der Field Guide wird zwar als komplette Übersicht der Fischfauna des Amazonas- und Orinoco-Gebiets angepriesen, aber die Herausgeber weisen, wie schon angemerkt, darauf hin, dass laufend neu erscheinende ichthyologische Arbeiten das Werk wohl bald nicht mehr ganz vollständig sein lassen werden.
Dass das Buch schon bei seinem Erscheinen (Ende Dezember 2017) nicht einmal mehr bezüglich aller Süßwasserfisch-Familien komplett sein würde, haben sie wohl gewusst. Im August letzten Jahres wurde nach ­einigem Hin und Her und ­etlichen ichthyologischen Diskussionen nämlich endlich die Beschreibung einer außergewöhnlichen wissenschaftlich neuen Art aus dem Amazonasgebiet veröffentlicht, deren systematische Einordnung die Biologen vor viele Rätsel stellte und die schließlich als Tarumania walkerae in einer eigenen neuen Familie (Tarumani­idae in der Ordnung der Salmlerartigen) platziert wurde (de Pinna et al. 2017).
Erstaunlich ist das deshalb, weil große Teile der Ichthyologen-Szene in Südamerika den (noch nicht ­publizierten) Namen – T. walkerae – schon lange kannten und einer der Ur­heber der Beschreibung, ­Jansen Zuanon, den Field Guide ja sogar als letzte In­stanz korrigierte.
Natürlich war die Arbeit bei Redaktionsschluss des Guide wahrscheinlich noch nicht pub­liziert, aber eine kleine Anmerkung, ohne den wissenschaftlichen Namen dieser sensationellen Art zu verraten, hätte man vielleicht doch anbringen können; die Publikation war schließlich jahrelang erwartet und der Fisch in der ­Szene weithin bekannt. Zumindest der Verfasser dieser Zeilen fand im Field Guide nichts darüber.
Das ändert aber gar nichts am Gesamteindruck der Publikation. Um mir ­unzählige Superlative zu er­sparen, charakterisiere ich sie mit einem Wort: Super!
Walter Lechner

Literatur
Albert, J. S., & R. E. Reis (Hg.) (2011): Historical biogeography of neotropical freshwater fishes. – Berkeley, Los Angeles, London. University of California Press.
De Pinna, M., J. Zuanon, L. Rapp Py-Daniel & P. Petry (2017): A new family of neotropical freshwater fish­es from deep fossorial Amazonian habitat, with a reappraisal of morphological characiform phylogeny (Teleostei: Ostariophysi). – Zoological Journal of the Linnean Society 20: 1–31.