Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde, inzwischen wird er fast inflationär gebraucht. Aber das Ziel, Ökologie, Ökonomie und Soziales miteinander zu verbinden, ist gerade für die Zukunft der Aquaristik wünschenswert – und auch erreichbar. | Von Martin Placke

Viele Aquarianer, die irgendwann mit dem 54-Liter-Guppy-und-Neon-Aquarium starten, landen irgendwann beim Diskusbuntbarsch, dessen Pflege und Nachzucht sie in einen lebenslangen Bann bis hin zur Besessenheit oder Manie ziehen können – etwa zu erkennen an Kühltruhen, die ausschließlich zur Aufbewahrung von Fischfutter angeschafft und unterhalten werden.



Kaum eine andere Fischart ist so genau untersucht, so häufig beschrieben und auch mit derart abenteuerlichen Gerüchten bedacht worden wie der Diskus. Die Gattung Symphysodon spielt in einigen Ländern – in erster Linie in Brasilien, aber auch in manchen Staaten Südostasiens – (sozial-)ökonomisch eine bedeutende Rolle.

Beobachtet man aufmerksam den Markt, kann man die folgenden Tendenzen erkennen. Der Diskusbuntbarsch soll

  • - immer preiswerter sowie
  • - immer farbiger werden und sich außerdem immer früher ausfärben,
  • - in immer neuen Farbschlägen oder sogar Formen (etwa besonders hohe Tiere) verfügbar sein.

Doch diese Entwicklung hat ihren Preis, aber wie kommt er zustande?  Und wer bezahlt ihn?

Wildfänge aus Brasilien
Wildfänge werden unter einfachsten Bedingungen gefangen, aber bei großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit (die mich an den Dunst erinnern, der mir aus meiner gerade geöffneten, soeben durchgelaufenen Spülmaschine entgegenschlägt). Probleme bestehen darin, dass viele Fanggebiete, in denen fantastische Tiere leben, schwer zugänglich sind oder dass die dort ansässige indigene Bevölkerung nicht belästigt werden will. Aus solchen Gründen wurden aus Manaus in diesem Jahr übrigens auch keine Corydoras sterbai exportiert.

Um die Qualität ihrer für den Export bestimmten Fische zu sichern, liefert beispielsweise die Firma „Corydoras-Aquarium“ billiges Futter (einfachstes „No name“-Granulat) an die Fänger, die ihre Tiere in floßartigen Vorrichtungen, die sie in kleine ­Nebengewässer hängen, zwischenhältern und eben auch ernähren. Allerdings werden laut Auskunft des Leiters von „Corydoras-Aquarium“ immer wieder Tiere aus solchen Hälterungsanlagen gestohlen – meistens dann, wenn sich die Fänger wieder in ihre Fanggründe begeben.

Ein schöner, kräftig rotbraun gefärbter Top-Diskus kostet bei „Corydoras-Aquarium“ acht Reais, der Transport pro Tier beläuft sich auf zehn Dollar, das ergibt zusammen rund elf Euro, während man hier stolze 199,– € für ein solches Exemplar berappen kann. Heiz- und Wasserkosten fallen in Brasilien nicht an.

Den Löwenanteil machen also der Zoll, die Besteuerung, die Gebühr für den Veterinär und die Bereitstellung der „Papiere“ aus; die Fänger sind arm, und die deutschen Händler können gerade überleben.

Am Beispiel des Kescher-Einsatzes möchte ich die finanzielle Misere kurz veranschaulichen: In der Fangstation in Manaus hatte man billige, harte und meines Erachtens ungeeignete Kescher im Einsatz, an denen sich die Fische nicht nur oft verletzten, sondern aus denen zu meinem Entsetzen auch immer wieder Tiere heraus­sprangen, die sich dann auf dem Steinboden unnötige Hautabschürfungen zuzogen. Hier wäre es ganz ­sicher sinnvoll, ein paar Euro mehr zu investieren.

Doch kann man die Entwicklung selbst beeinflussen? Ja, man kann, nämlich durch Auswahl und Kauf der richtigen Tiere – dazu im Folgenden ein paar Tipps.

Entscheidend für die erfolgreiche Pflege von Wildfängen ist der Erwerb gesunder, gut eingewöhnter Fische, die bereits halbwüchsig sind – und damit teurer als Jungtiere. Sie dürfen nicht mager, scheu oder gar dunkel sein, müssen neugierig an das angebotene Futter gehen, sollten nicht unter zehn oder besser zwölf Zentimeter lang sein (dann benötigen sie täglich mindestens drei Fütterungen). Fatal ist die Anschaffung preiswerter Tiere, womöglich gar aus Restbeständen ­eines Sonderangebots, weil ein Verkaufsbecken geräumt werden soll.

Der erste Schritt ist das richtige Einsetzen in das heimische Aquarium. Aber auch hier ist übertriebene Vorsicht eher schädlich, da sie den Tieren nur unnötigen Stress bereitet. Nach langjähriger eigener Erfahrung reicht es völlig, den Beutel halb zu entleeren (nicht in das Aquarium!), wieder entsprechend mit Aquarienwasser aufzufüllen, und die Fische nach 15 bis 20 Minuten entschlossen mit der Hand zu ergreifen und ohne Wasser umzusetzen. Langes Wassergeträufel und -getropfe sind unnötig.

Der zweite wichtige Schritt ist eine vernünftige Eingewöhnung. Danach braucht man vor der Pflege dieser Tiere keine Scheu mehr zu haben. Es ist eine Mär, dass Diskusfische saures und weiches Wasser benötigen. Meine Messungen bei Manacapuru (auch im dortigen Weißwasser leben Symphysodon) ergaben neutrale pH-Werte, und wer sieht, wie gut sogar „Heckel-Diskus“ in einem ostdeutschen Diskus-Markt bei 13 °KH und 15 °dGH „stehen“, kann so manches immer noch bestehende Vorurteil getrost vergessen.

Aber bitte sparen Sie nicht an den Stromkosten, halten Sie Ihre Tiere nicht dauerhaft bei nur 26 bis 27 °C! Verwenden Sie auch kein Billigfutter, denn das geht nur eine Zeit lang gut, und dann kommen die Krankheiten.

Besonders schöne und kräftige Wildfänge sind häufig „Leitfische“ in größeren Ansammlungen von Artgenossen. Sie müssen einfach teurer sein als Durchschnittstiere, schon weil sie anders gefangen werden. Solche Alpha-Tiere werden bei Manacapuru nachts und einzeln im Lichtschein ­einer Taschenlampe dicht unter der Wasseroberfläche erbeutet. Oft sind es nur wenige Tiere pro Nacht, obwohl ganze Diskus-„Schwärme“ in die Netze gehen.

Nachzuchttiere aus Asien
In Asien fallen höhere Personalausgaben für „Diskuskuriere“ und -pfleger an, außerdem Futter- und Wasserkosten für die insbesondere in China oft in kleinsten Räumen und in übereinandergestapelten Becken aufgepäppelten Tiere.

Die Fische bekommen oft wasserbelastende Hormone und Antibiotika verabreicht sowie massenhaft Farbstoffe, etwa Astaxanthin, da der chi­nesische Markt möglichst bunte Tiere verlangt. Die Farbstoffe werden jedoch wieder abgebaut, und schon nach wenigen Wochen verblassen die Diskusbuntbarsche.
In großen Mengen werden immer günstigere Fische angeboten, die aber etliche Defizite haben:

  • - Mangelnde innerartliche Kommunikationsfähigkeit infolge des Fehlens der dunklen Zeichnungsmuster;
  • - Ausbleiben von „Hautsekret“ zur Ernährung des Nachwuchses;
  • - Verhaltensdefizite, Elterntiere pflegen schlechter oder gar nicht;
  • - Krüppel- und Qualzuchten (Herzform ohne Schwanzflosse!);
  • - manche Tiere (beispielsweise „Morning Glory“, eine Pidgeon-Variante, die ich kurze Zeit pflegte) sind kaum in der Lage, festes Futter aufzunehmen, etwa Gammarus, da sie nicht mehr richtig kauen können, sondern fast nur noch schlürfen;
  • - derart aufgezogene Tiere können verheerende Krankheiten einschleppen („Diskusseuche“);
  • - zudem erreichen Hochzuchten möglicherweise auch nicht das Alter eines gesunden Wildfangs, der in Gefangenschaft übrigens länger leben kann als in der Natur.

Aus Asien importierte Diskusfische sind oft schon mit Längen von sechs bis acht Zentimetern kräftig gefärbt.

Der Knackpunkt ist also der Kauf der Fische. Pflege ich wildformnahe Tiere oder bunte Asiaten? Erwerbe ich Tiere, die eine entsprechende Größe haben? Nehme ich mir genügend Zeit bei der Auswahl? Kann und will ich naturnahe Verhältnisse schaffen? Und, ebenso wichtig: Bin ich bereit, einen fairen Preis für anständige Fische zu bezahlen?

Tatsächlich sind wir Europäer geizig, weshalb die besten Diskusfische grundsätzlich nach Japan gelangen. Wären wir bereit, mehr zu bezahlen, hätten wir auch bessere Qualität!

In den meisten Verkaufsbecken werden Diskusfische vollkommen „steril“ gehalten. Das ist gegen ihre Natur und auch nicht uneingeschränkt sinnvoll. Ein wenig Sand und eine geeignete Holzwurzel sollten das Minimum an Zugeständnissen an die Tiere sein. Gerade durch die Anwesenheit weniger (!) Keime wird das Immunsystem des Diskusbuntbarsches gestärkt.

Nach meinen Erfahrungen bringt es auch nichts, parasitenfreie Tiere zu kaufen, wenn man sie dann mit Diskus aus anderen Quellen zusammen hält. Spätestens nach zehn bis 14 Tagen werden diese Tiere krank, da ihr Immunsystem nicht in der Lage ist, mit Parasiten fertig zu werden. Solche Exemplare sind also zu einer dauerhaft „sterilen“ Haltung verdammt.

Alles in allem
Meiner Ansicht nach ist es sowohl aus biologischen als auch aus ethischen Gründen sinnvoll, gezielt Wildformen und wildfangnahe Diskusfische zu erwerben. Wildfänge sind von Natur aus kräftig, reagieren im Notfall besser auf Medikamente als Hochzuchten oder Importe aus Asien. Und wer meint, sie seien nicht farbenfroh, der werfe nur einen Blick auf das Bild auf Seite 28: Es zeigt grüne Wildfänge, Tiere aus dem Rio Madeira, und Nachzuchten, die in dem Gesellschaftsbecken zur Welt kamen.

Übrigens bringt die Natur selbst ja auch immer neue Farbschläge hervor. Zurzeit gibt es Diskus, bei denen es sich um Naturhybriden zwischen S. aequifasciatus und S. discus zu handeln scheint, und im vergangenen Jahr wurden vermehrt vermeintliche Mischformen aus Grünen und Blauen Diskus importiert (zur wissenschaftlichen Bezeichnung dieser Fische siehe unseren Beitrag auf Seite 40).

Das vorrangige Ziel muss die nachhaltige Diskus-Haltung im engen Sinne sein. Nachhaltigkeit berücksichtigt Ökologie (Erhalt der natürlichen Lebensräume), Ökonomie (faire Preise für alle Beteiligten) und Soziales (anständiger Umgang mit den Fängern). Berücksichtigen wir all dies gebührend, tragen Diskus-Markt und Handel künftig zu einem schonenderen Umgang mit der Kreatur und ihrer Umwelt bei.