Die Gattung Pseudorinelepis ist deutlich artenreicher als derzeit von den Wissenschaftlern zugestanden. Hier werden alle bekannten Spezies vorgestellt. | Von Ingo Seidel

Tannenzapfenwelse sind den Aquarianern schon sehr lange bekannt. Bevor die ersten L-Welse ihren Einzug in unsere Becken hielten, erfreuten sie sich aufgrund ihres skurrilen Aussehens sogar einer gewissen Beliebtheit. Allerdings wurden sie mittlerweile von einer großen Auswahl farblich attraktiverer Harnischwelse aus dem Angebot der meisten Zoofachgeschäfte verdrängt.

Die einzige Ausnahme ist der selten eingeführte Pseudorinelepis sp. (L 95), der aufgrund seiner hübschen Färbung und seines interessanten Verhaltens zahlreiche Freunde unter den Wels-Liebhabern hat.

Da ich in den vergangenen Monaten vor allem aufgrund neuerer Pseudorinelepis- Importe aus Brasilien weitere Erkenntnisse über diese Gattung sammeln konnte, möchte ich hier etwas ausführlicher zu diesen Fischen berichten, zu der man bisher nur spärliche Informationen in der aquaristischen Literatur findet.

Wie sind diese Fische systematisch einzuordnen?

Ihren deutschen Namen verdanken die Pseudorinelepis-Arten den sehr dicken, großen und etwas hervorstehenden Knochenplatten, die ihnen in der Tat ein tannenzapfenähnliches Aussehen verleihen. Dieses Merkmal teilen sie mit den Rhinelepis- und den Pogonopoma-Arten.

Armbruster (2004) fasste diese drei Gattungen zur Tribus Rhinelepini in der Harnischwels-Unterfamilie Hypostominae zusammen. Weitere Merkmale dieser Gattungsgruppe sind die Abwesenheit eines Iris-Lappens, der bei den meisten anderen Harnischwelsen den Lichteinfall in das Auge reguliert. Außerdem fehlt fast allen Rhinelepini (mit Ausnahme von Pogo nopoma wertheimeri) die für diese Hypostominen typische Fettflosse.

Von den Rhinelepis- und Pogonopoma- Vertretern lassen sich die Pseudorinelepis- Arten durch ihren viel höheren Körper einfach unterscheiden.
Während die Gattungen Rhinelepis und Pogonopoma lediglich im südöstlichen Brasilien sowie in Paraguay, Argentinien und Uruguay vorkommen, wo sie vor allem die Flusssysteme des Rio São Francisco, des Río Paraguay und des Río Paraná bewohnen, sind die Pseudorinelepis-Arten ausschließlich in den warmen und tropischen Regionen des mittleren und oberen Amazonas- und des oberen Orinoco-Beckens heimisch.

Wie leben Pseudorinelepis in der natur?

Kaum eine andere Harnischwelsgruppe ist so gut an das Leben in stehenden Gewässern angepasst wie die Angehörigen der Gattung Pseudorinelepis. Zwar erfolgte ihre weite Verbreitung sicher über Fließgewässer. Doch vereinigen sich die Flüsse während der Regenzeiten immer wieder mit den umliegenden Seen, in denen sich diese Fische offenbar am wohlsten fühlen.

Da Pseudorinelepis in Fließgewässern anderen Arten unterlegen zu sein scheinen, aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit in stagnierenden Biotopen jedoch die dominierenden Harnischwelse sind, findet man sie fast nur dort. Sonst begegnet man diesen Welsen am ehesten noch in langsam fließenden Gewässern mit schlammigem Untergrund sowie in überfluteten Wäldern.

Eine besondere Eigenschaft der Restgewässer nach Überschwemmungsperioden ist der starke Anstieg der Temperatur bei gleichzeitiger Abnahme des Sauerstoffgehaltes. An beide Faktoren sind Pseudorinelepis wohl perfekt angepasst. Sie zeigen eine bemerkenswerte Toleranz gegenüber sehr hohen Wassertemperaturen und fühlen sich auch noch bei 32 bis 34 °C wohl. Gleichzeitig sind sie in der Lage, bei einem für die meisten Fische zu niedrigen CO2-Gehalt ihren Bedarf an Atemsauerstoff durch atmosphärische Luft zu decken: Neben der Kiemenatmung, die den meisten Fischen als einzige Möglichkeit der Sauerstoffaufnahme zur Verfügung steht, verfügen die Vertreter der Rhinelepis-Gruppe, zu denen ja auch die Pseudorinelepis zählen, über die Fähigkeit, Luft zu schlucken und im Diverticulum, einem stark durchbluteten Abschnitt des Verdauungstraktes, zu veratmen. Im Aquarium sieht man sie ebenfalls bei niedrigen Sauerstoffgehalten zur Wasseroberfläche emporsteigen und Luft schnappen. Die Seen und Restgewässer entlang den großen Flüssen in Amazonien und im Orinoco-Gebiet, in denen Pseudorinelepis leben, können bezüglich der Wasserchemie sehr unterschiedlich beschaffen sein. So ist der Lago Manacapuru in Brasilien als erwiesener Pseudorinelepis-Fundort ein Gewässer vom Schwarzwassertyp. Der Lago Castro de Purus und die meisten anderen mir bekannten Vorkommensgebiete befinden sich hingegen im Einzug von Weißwasserflüssen. Somit kann bei einem zumeist ohnehin generell sehr weichen Wasser in dieser Region der pH-Wert zwischen pH 4,5 und 7,5 liegen. Die Temperatur dürfte sich – je nach Jahreszeit und Gewässer – zwischen 27 und 34 °C bewegen.

Diese Gewässer besitzen sandigen oder schlammigen Untergrund und sind zumeist durch reichlich Totholzablagerungen charakterisiert, die die Welse auf der Suche nach Nahrung abweiden.

Fressbares finden die Harnischwelse aber sicher vor allem auf dem Gewässerboden in den Ansammlungen von Falllaub. Neben den sich zersetzenden Blättern und darauf wachsenden Algen dürften die ebenfalls auf den Blättern lebenden Kleintiere eine weitere Nahrungsquelle darstellen. Das stehende Wasser erlaubt es den Tieren, die auch im Aquarium zu beobachtende elegante Schwimmweise mit abgespreizten Flossen zu zeigen.

Wie viele Pseudorinelepis-Arten gibt es?


Folgt man Armbruster & Hardman (1999), die diese Gattung bearbeiteten, dann haben wir es bei den uns bekannten Formen nur mit einer einzigen Art zu tun. Diesen beiden Ichthyologen zufolge bewohnt P. genibarbis ein riesiges Verbreitungsgebiet in den Flusssystemen des Amazonas und des Orinoco.

Allerdings lassen sich allein anhand der gelegentlichen Importe fünf Formen deutlich voneinander unterscheiden, bei denen es sich meines Erachtens um eigene Arten handelt. Zur Ehrenrettung der genannten Fischkundler muss man aber sagen, dass eine Zuordnung der morphologisch kaum gegeneinander abzugrenzenden Welse vor allem anhand der Färbung möglich ist, und die meisten älteren konservierten Exemplare in den Museen zeigen in der Regel eben keine Farben mehr. Da viele Wissenschaftler die Zuhilfenahme aquaristischer Literatur für ihre Arbeiten leider immer noch ablehnen, ist also kaum zu erwarten, dass sie in der Lebendfärbung divergierende Arten auseinanderhalten, wie auffallend die farblichen Differenzen auch sein mögen.

Die peruanischen Pseudorinelepis wurden früher als Monistiancistrus carachama bezeichnet. Dieser Name stellt heute ein Synonym zu P. genibar genibarbis dar. Zwar gebe ich Armbruster & Hardman insofern Recht, als Monistiancistrus lediglich ein jüngerer Name für die Gattung Pseudorinelepis ist, doch dürfte P. carachama eine eigenständige Art sein. Diese Form unterscheidet sich deutlich von allen anderen Pseudorinelepis durch ihre eher graue Grundfärbung und die sehr wenigen dunklen Flecke fast ausschließlich auf dem Hinterkörper. Während jüngere Exemplare häufig dunkle Längsbinden oder Tüpfel in den Flossen aufweisen, zeigen erwachsene kaum noch eine Zeichnung und sind fast einheitlich dunkel gefärbt.

Sehr deutlich unterscheidet sich auch L 142 aus dem Oberlauf des Río Orinoco in der Grenzregion zwischen Venezuela und Kolumbien von allen anderen Formen. Bei diesem Harnischwels handelt es sich sicher um eine noch nicht beschriebene Art, die sich mit ihrer dunkelbraunen Grundfärbung, dem gelblichen Hauch in den Flossen und dem Fehlen jeglicher Zeichnung einfach von allen anderen Pseudorinelepis abgrenzen lässt.

Ungleich diffiziler verhält es sich mit den brasilianischen Pseudorinelepis- Vertretern, von denen mir drei sich deutlich voneinander unterscheidende Formen bekannt sind. Pseudorinelepis genibarbis wurde von Valenciennes 1840 als „vielleicht aus Brasilien stammend“ beschrieben. Da der getrocknete Holotypus nicht mehr auffindbar und aufgrund des Fehlens eines Typusfundortes die genaue Identität dieses Taxons nicht mehr zu klären war, legten Armbruster & Hardman einen Neotypus aus dem Flusssystem des Rio Purus in Brasilien fest. Somit können wir aus dem Rio Purus importierte Exemplare nun sicher als P. genibarbis ansprechen. Diese Form zeigt zumindest im Jugendalter ein Zeichnungsmuster aus sehr vielen schwarzen Flecken auf den Körperseiten. Die Flossen sind fein gebändert und lassen keinerlei orangerote Färbung erkennen, wie sie bei gleichaltrigen L 95 zumindest zu erahnen ist.

Rhinelepis agassizi und Plecostomus pellegrini gelten ebenfalls als Synonyme zu P. genibarbis, und zum jetzigen Zeitpunkt kann ich diese beiden Taxa auch nicht von jener Art abgrenzen.

Plecostomus pellegrini wurde ohne genauere Fundortangabe aus dem Oberlauf des Amazonas beschrieben, und der Typusfundort von R. agassizi ist der Lago Manacapuru, ein großer Schwarzwassersee. Da sich dieser See in seiner Wasserbeschaffenheit deutlich von den Weißgewässern im Einzugsgebiet des Rio Purus, aus denen P. genibarbis beschrieben ist, unterscheidet, wäre es trotz der geringen Entfernung zwischen diesen Flusssystemen durchaus denkbar, dass die beiden Taxa auf Artebene voneinander zu trennen sind. Das lässt sich jedoch erst herausfinden, wenn gesicherte Importtiere aus dem Lago Manacapuru eingeführt werden.

Es ist nicht auszuschließen, dass die mittlerweile schon mehrfach über Manaus ausgeführten Pseudorinelepis, die ich hier vorläufig als Pseudorinelepis sp. „Manaus“ bezeichne, aus dem Manacapuru stammen, aber das ist nicht mehr als eine Vermutung. Anfänglich hielt ich Jungtiere dieser Art, die vor einigen Jahren importiert wurden, für L 95 (Seidel 2008), doch unterscheiden sich diese Tiere, wie ich heute weiß, sowohl in der Jugend als auch im Alter von P. genibarbis und von L 95 durch etwas größere schwarze Flecke auf dem Hinterkörper. Orangefarbene Flossen und Wangen zeigen diese Fische im Gegensatz zu L 95 im Alter offenbar nicht.

Die schönste und begehrteste Pseudorinelepis-Art ist L 95. Dieser zurzeit nur aus dem Einzug des Rio Branco im Rio-Negro-Becken (Brasilien) bekannte Wels, der bislang vor allem als P. pellegrini gehandelt wurde, wird von Armbruster & Hardman ebenfalls als P. genibarbis angesprochen. Mittlerweile habe ich, da ich ja nun weiß, wie Exemplaren aus dem Rio Purus aussehen, überhaupt keinen Zweifel mehr daran, dass L 95 eine eigenständige Art darstellt, die jedoch noch nicht beschrieben ist.

L 95 unterscheidet sich von den anderen Pseudorinelepis-Arten durch die über den gesamten Körper fast gleichmäßig verteilten, kräftig schwarzen Flecke sowie eine kräftige Orangefärbung am Schnauzenrand und in den Flossen älterer Exemplare. Leider werden von L 95 meist nur größere Individuen importiert, die dann natürlich ziemlich teuer sind.