Als Beispiel nannte der Biologe das Vorkommen des Roten Amerikanischen Sumpfflusskrebses (Procambarus clarkii), der mittlerweile auch in großer Zahl in Frankfurts Gewa¨ssern – so etwa im Rebstockbad – gesichtet wurde. Zuvor hat- te man angenommen, dass nordamerikanische Krebse europa¨ische Winter nicht u¨berleben ko¨nnen. Ein Schwerpunkt der Tagung waren neue Schutzkonzepte fu¨r Su¨swasserkrebse, insbesondere Krabben. Diese äußerst artenreiche Crustaceen-Gruppe za¨hlt weltweit zu den am sta¨rksten gefa¨hrdeten Krebsen. Dies erkannte auch die Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) und richtete eine Expertengruppe ein, deren Initiator, Neil Cumberlidge von der Northern Michigan University, einen Hauptvortrag über dieses Thema hielt. Darren Yeo berichtete von der Rettungsaktion für die in Singapur endemische Süßwasserkrabbe Johora singaporensis, die dort im März im Zusammenspiel mit Naturschutzbehörde (Nationalparks), NUS (National University Singapore) und dem WRC (Wildlife Reserves Singapore) mit den Zoos anlief. Unter anderem ein Nachzuchtprogramm soll dabei helfen, die unscheinbare Art vor dem Aussterben zu bewahren. Auch Kenny Chua, Daniel Ng und Yixiong Cai beschäftigten sich in ihren Vorträgen mit diesem Aufsehen erregenden Thema. Sammy De Grave gab einen Überblick über die Gefährdung der Süßwassergarnelen. Von den Arten, für die ausreichend Daten vorliegen, seien 27,5 Prozent aller 763 nicht marinen Arten vom Aussterben bedroht. Am schlimmsten sehe es auf Kuba aus (42 Prozent bedroht), gefolgt von den USA (37,5 Prozent), China (37 Prozent), Indonesien und den Philippinen (beide 27 Prozent). Die größte Bedrohung sei Verschmutzung, vor allem durch Abwasser, Herbizide und Pestizide sowie Dünger. Einige Arten würden aber auch durch übermäßige Entnahmen für den Aquaristik- Handel gefährdet, führte De Grave aus. Organisationstalent war gefragt auf dem ICC8. Zwar dauerte die Tagung über eine Woche, doch bei nicht weniger als 157 Vorträgen fanden bis zu drei Sitzungen gleichzeitig in verschiedenen Hörsälen statt, und man musste gut überlegen, welche wohl am interessantesten waren und wie sich die Wege am besten planen ließen, um möglichst wenig zu verpassen. Hsi-Te Shih aus Taiwan etwa berichtete über die Biodiversität von Winkerkrabben aus dem Indo-Westpazifik – 44 von weltweit 102 anerkannten Arten –, die sich durch DNA-Barcoding und Taxonomie zeigt. Bei den Untersuchungen wurden etliche kryptische Spezies gefunden, die sich morphologisch kaum, genetisch aber eindeutig identifizieren lassen. Steffen Harzsch erklärte, wie Landeinsiedlerkrebse und der Palmendieb (Birgus latro, Coenobitidae) bei der Anpassung an das Landleben einen Geruchssinn entwickelten. Im Wasser lebende Crustaceen besitzen verschiedene Arten chemischer Rezeptoren, die über Wasser jedoch nicht gut funktionieren. Mithilfe neuroanatomischer Methoden, klassischer Histologie und daraus folgender 3D-Rekonstruktion und Immunozytochemie, kombiniert mit konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie, verglichen er und sein Greifswalder Team die Ergebnisse mit neuroanatomischen Studien bei Brachyuren (Echten Krabben). Demnach sind die olfaktorischen Fähigkeiten der Landeinsiedlerkrebse recht gut; bei den Krabben verlief die Anpassung an das Landleben jedoch (noch) nicht so erfolgreich. Sein Kollege Jakob Krieger legte dar, wie die Forscher bei drei Aufenthalten auf der Weihnachtsinsel 56 Palmendiebe mit GPS-Sendern verfolgten und dabei deren bis zu vier Kilometer lange Wege aufzeichneten. Krieger überraschte mit der Schätzung, dass B. latro vermutlich bis zu 100 Jahre alt werden kann. Fortpflanzungsstrategien, Kreislaufsystem, Evolution und Populationsdynamik von Pfeilschwanzkrebsen waren ebenso Themen wie die Gefährdung dieser Familie. John D. Tanacredi forderte nach seiner 13-jährigen Beobachtung der nordamerikanischen Art Limulus polyphemus einen Rote-Liste- Eintrag für ausnahmslos alle vier Schwertschwanz- Arten. Würden diese Tiere weiter so für medizinische Zwecke geerntet wie bisher, „wird es binnen zwei Dekaden keine Pfeilschwanzkrebse mehr geben“. Reinhard Saborowski hatte sich mit seinem Team in Bremerhaven mit der Frage beschäftigt, wie Mikroplastik Krebse beeinflusst. Untersucht wurden vor allem marine Isopoden wie Idotea marginata. Kunststoffpartikel wurden im Darm der Tiere beobachtet, aber in der gleichen Rate ausgeschieden wie aufgenommen. „Die Exposition über mehrere Wochen schien die Vitalität von I. emarginata nicht zu beeinflussen“, folgerte Saborowski. Diese Effekte gälten aber sicher nicht für alle marinen Wirbellosen, sondern hingen von Faktoren wie Größe, Ablagerung und Vorkom- men von Plastik in der Umgebung ab, zudem von der Art der Nahrungsaufnahme, der Physiologie und der inneren Anatomie der einzelnen Crustaceen. Oliver Mengedoht