margin-right: 20px; margin-bottom: 10pxWerning, Heiko & Sterblich, Ulrike (2022): Von Okapi, Scharnierschildkröte und Schnilch – Ein prekäres Bestiarium. – Galiani, Berlin, 240 S.; ISBN978-3869712550; 22,00 € (D); 22,70 € (A)

Den Wildtieren, ob bei uns oder anderswo, geht es nicht gut, sie sind, um bei Werning & Sterblich zu bleiben, in prekärer Lage – das sollte sich mittlerweile auch außerhalb naturkund­lich interessierter Kreise ansatzweise herumgesprochen haben. Aufgeben ist aber nicht drin, und wie es um die Hoffnungen und Handlungen steht, so viel wie möglich unserer unersetzbaren Biodiversität zu erhalten, zeigt dieses wunderbar geschriebene Buch, das bereits viel Aufmerksamkeit erfuhr. Es zeugt vom feinen Gespür des Autorenteams, deutliche Worte zu finden, wie etwa gleich in der Einleitung, die dem Beutelwolf gewidmet ist: „[ …] denn die Siedler hatten Schafe mitgebracht und waren nun der festen Überzeugung, die Beutelwölfe würden diese in einem fort reißen und somit gewaltige wirtschaftliche Schäden anrichten. Kommt einem ziemlich bekannt vor, diese Geschichte, seit Wölfe […] uns inzwischen an die zweitausend Schafe jährlich mopsen, sodass nur noch 1.998.000 der zum Schlachten gezüchteten Wolltiere für uns übrigbleiben.“
In 48 Artvorstellungen werden bekannte und weniger bekannte Wirbellose, Fische, Kriechtiere, Säuger und Vögel porträtiert. Ein roter Faden dabei ist die begründbare These, dass auch private Tierhalter einen wichtigen Anteil zum Erhalt von so manchem Kleintier leisten können und dies in Zukunft noch verstärkt tun müssten – sofern man es ihnen gestattet, Legislative und Exekutive haben es in der Hand. Diese Einzeltexte versprühen allesamt einen unverwechselbaren, charmanten Humor, der, das darf man einmal ganz frei heraus sagen, das Werk von ähnlichen Büchern (d. h. solchen zum Thema Biodiversitätskrise) doch ziemlich abhebt. Eine Kostprobe (aus dem Beitrag zum Labyrinther Parosphromenus alfredi und dessen Fortpflanzungsbiologie): „Umschlingungen! Scheinpaarungen! Laich­starre! […] Am Ende kleben dann jedenfalls befruchtete Eier an der Wand. Im Grunde also alles wie beim Menschen.“
Autorin und Autor (Letzterer Chefredakteur unserer Schwesterzeitschrift REPTILIA) sind engagiert im Projekt „Citizen Conservation“, das von Privatleuten gehaltenen, in ihren Lebensräumen hochgradig bedrohten Tierarten gewidmet ist. Die Autorenhonorare gehen komplett an dieses Projekt, der Verlag steuert zu jedem verkauften Exemplar noch einmal einen halben Euro bei. Es wird also nicht nur geredet, es wird auch gehandelt. Eine weite Verbreitung sei dem Werk aber auch deshalb gegönnt, weil es dank der Erzählweise und Sprache gelingt, allgemein verständlich über biologische Besonderheiten der jeweiligen Arten amüsant-aktuell zu berichten. Es ist ein cleverer Zug, dies bereits im Klappentext anzudeuten („Zhous Scharnierschildkröte hat das Social Distancing erfunden …“). Was es mit dem Schnilch auf sich hat, das muss aber jeder für sich herausfinden.
Also unbedingt lesen! Und: Jemand möge bitte ein Exemplar dieses kleinen Meisterwerkes in eine Zeitkapsel legen. Dann fänden die Archäologen der weiter entfernten Zukunft in den Überresten unserer heutigen Zivilisation nicht nur (öko-)logisch kaum erklärbare „Errungenschaften“ wie Laubbläser oder Heizpilze. Sondern auch etwas, das beweist, das sich zumindest manche Menschen im Zeitalter des Hyperkonsums mit der Frage beschäftigten, wie es um ihre Umwelt steht. Vielleicht betrachten uns unsere Nachfahren dann ja auch in einem etwas gnädigeren Licht.
Sebastian Wolf