Extrakte aus Braunalgen könnten gegen die Infektion des Menschen mit dem Immunschwäche- Virus HIV-1 wirksam sein. An der Studie einer Gruppe von Wissenschaftlern war auch der Riffökologe Christian Wild vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie beteiligt. Das Team ließ Extrakte der Braunalge Lobophora auf menschliche Zellkulturen einwirken und stellte fest, dass die Viren nicht mehr in die Wirtszellen eindringen konnten, um sich dort zu vermehren. „Braun- und Rotalgen besitzen ein ganzes Arsenal an unbekannten Molekülen, die im Verdacht stehen, Krankheiten wie Krebs und Hepatitis zu bekämpfen“, so Wild. „Bei der Suche nach Arzneimitteln aus der Natur sind sie gemeinsam mit Schwämmen und Weichkorallen die Organismen, die den meisten Erfolg versprechen.“ Für das Projekt sammelte der Ökologe mit dem Erstautor der Studie, Stephan Kremb von der König-Abdullah- Universität in Saudi- Arabien, Algenmaterial aus Korallenriffen des Roten Meeres und aus der Karibik – die Braunalge ist in tropischen Meeresregionen weit verbreitet. Die Extrakte aus der Alge hemmen die Vermehrung verschiedener Stämme von HIV-1, darunter auch multiresistente, indem sie das Anheften der Viren an die Zellen verhindern. Welche Stoffe in den Extrakten für diese Wirkung verantwortlich sind, ist noch nicht bekannt. Die Wissenschaftler haben bestimmte Polyphenole im Verdacht, Sekundärmetaboliten, die zu den Stoffwechselprodukten der Pflanzen gehören. „Sekundärmetabolite sind noch kaum bekannt“, sagt Wild. „Das ist ein Fundus an möglichen Heilmitteln, den wir erkunden müssen“. Das Team stellte fest, dass die Extrakte aus Algen, die im Meer starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt gewesen waren, das Virus weitaus wirksamer hemmten. Den gleichen Effekt fanden die Wissenschaftler bei Braunalgen, die mit Moostierchen oder mit Kleinalgen besiedelt waren, sogenannten Epibionten. Beide sind für die Alge Stressfaktoren, gegen die sie Abwehrstoffe, eben jene Polyphenole, bildet. Maßgeblich an der Studie beteiligt, die kürzlich in „PLOS One“ erschienen ist, waren auch Christian R. Voolstra von der King Abdullah Universität und Ruth Brack-Werner vom Institut für Virologie am Helmholtz Zentrum München. Für das Forscherteam beginnt nun die Suche nach den Molekülen, die Virenhemmung verursachen. Susanne Eickhoff

Literatur Kremb, S., M. Helfer, B. Kraus, H. Wolff, C. Wild, M. Schneider, C. R. Voolstra & R. Brack-Werner (2014): Aqueous extracts of the marine brown alga Lobophora variegata inhibit HIV-1 infection at the level of virus entry into cells. – Plos One 9 (8), DOI: 10.1371/journal.pone.010 3895.