aufgetaucht
Über kreative Handelsnamen bei Tylomelania: Ein „neuer“ Donnerkeil und ein Kaiser
Die Diversität der in den Flüssen und Seen Sulawesis endemischen Tylomelania spp. bringt ein Problem mit sich – die Bestimmung ist oft schwierig bis unmöglich. Bei den unter dem Kunstnamen Tylomelania sp. „Flashlight“ eingeführten Tieren vermutet man eine Zugehörigkeit zu den Flussbewohnern, die schon lange als Tylomelania perfecta im Handel sind. Diese laufen oft auch unter dem Trivialnamen Tylomelania „Donnerkeil“, in Anspielung auf das mehr oder weniger stark kalzifizierte Gehäuse – das aber nur bei Wildfängen so auftritt (bei lange gehaltenen Importtieren kann die Ummantelung bröckeln, bei Nachzuchten ist sie nicht vorhanden). Die Zuordnung der „Aquarien-perfecta“ sollte aber vielleicht einmal hinterfragt werden – die im Hobby verbreiteten Exemplare ähneln zumindest hinsichtlich ihres glatten Gehäuses eher T. wallacei. Dagegen ist die „echte“ T. perfecta auffällig skulpturiert (siehe auch die Grafik S. 184 bei Glaubrecht & von Rintelen 2008).
Wie auch immer – die hier abgebildeten Tylomelania sp. „Flashlight“ teilen mit den T. perfecta („ex Handel“) ein verkalktes Gehäuse und kommen wie diese mit niedrigeren Temperaturen (23 °C) zurecht. Ein verendetes Weibchen enthielt insgesamt sechs Embryonen unterschiedlicher Größe. Der anthrazitfarbene Weichkörper ist mit hellbraunen Flecken verziert. Wie der Handelsname entstand, entzieht sich meiner Kenntnis.
Bei einer als Tylomelania sp. „Nero“ angebotenen Art besitzt das Gehäuse keine Patina aus Kalk. Auch die Skulpturierung ist eine andere: Die (individuell verschieden prägnant) hervorstehenden Knötchen auf den Rippen erinnern etwas an T. celebicola und machen sie recht attraktiv. Vielleicht war des Kaisers Krone der Anreiz für den Handelsnamen? Bei 25 °C halten sich die Tiere gut – sind nachts jedoch aktiver als tagsbüber – und es werden regelmäßig Jungtiere abgesetzt. „Tylos“ sind spannende Mollusken, nur die Zuordnung ist ein heilloses Wirrwarr.
Text und Fotos von Sebastian Wolf
Literatur
Glaubrecht, M. & T. von Rintelen (2008): The Species Flocks of Lacustrine Gastropods: Tylomelania on Sulawesi as Models in Speciation and Adaptive Radiation. – Hydrobiologia, 615: 181–199.
Sebastian Wolf
Girardinus uninotatus
Aus taxonomischer wie aquaristischer Sicht ist diese Art ein Methusalem. Bereits 1860 wurde sie formell beschrieben, unter ihrem heute noch gültigen Namen. Die Gattung Girardinus ist endemisch für Kuba, G. uninotatus kommt nur im westlichen Teil des Landes vor, in der von einem langen Gebirgszug geprägten westlichsten Provinz Pinar del Río.
Der Erstimport erfolgte laut Aquarienatlas (3) im Jahre 1900 durch Nachzuchten aus den USA. Ein aquaristisches Urgestein also, jedoch eines, das recht wenig und vornehmlich den Haltern von Lebendgebärenden bekannt ist. Dabei ist die Art lange nicht so unscheinbar, wie es die Abbildungen gemeinhin vermuten lassen! Das hier gezeigte Foto entstand wenige Stunden nach dem Erwerb, die Tiere hatten sich da bereits eingelebt und brillierten mit einem quittengelben Körper. Beide Geschlechter zeigen diese Färbung, die zudem mit den silbrig blauen Augen und dem namengebenden schwarzen Fleck kontrastiert. Letzterer fällt individuell recht unterschiedlich aus und kann nur als kleiner Punkt oder auch als lang gezogenes Zeichnungselement (wie auf dem Bild in der Form eines gespiegelten „L“) sichtbar sein. Die Schwanzflosse und der Rand der Rückenflosse sind bläulich weiß angehaucht. Eine Art der Kategorie „Pastell-Fischlein“, die besonders schön bei nicht zu knapper Beleuchtung und einer dichten Bepflanzung im hinteren Bereich zur Geltung kommt.
Sie gedeiht bei Zimmertemperatur und benötigt wie viele Poeciliiden sauberes, unbelastetes und gut gefiltertes Wasser. Ich pflege sie zusammen mit einer Gruppe Perugia-Kärpflinge sowie Schwertträgern. Die Art ist absolut friedlich, aber recht lebhaft. Als Gesamtlängen werden für Männchen bis zu 5, für Weibchen bis zu 8 cm angegeben, das Aquarium sollte also nicht zu klein ausfallen.
Bei der Fortpflanzung geht es schnell und ohne viel Vorlauf zur Sache: Die Männchen machen sich nicht die Mühe einer Balz, wie wir sie von vielen anderen Lebendgebärenden wie z. B. Guppys kennen. Die Annäherung und die erzwungene (man könnte auch sagen: erschlichene) Kopulation erfolgen abrupt. Es sieht recht eindrucksvoll aus, wenn die Herren der Schöpfung ihr gattungstypisch langes Gonopodium vorstrecken, wieder zurücklegen und dabei zudem noch äußerst wendig um die Weibchen herummanövrieren – langweilig wird es nie, ein Aquarium mit solch seltenen Zahnkarpfen.
Sebastian Wolf
Nannostomus sp. „Cenepa Super Red“ und „Super Red“
Seit wenigen Wochen kursieren Bilder von knallroten Nannostomus, die geradezu unnatürlich bunt erscheinen. Es handelt sich dabei aber tatsächlich um Wildformen aus Peru, die dem dort ebenfalls vorkommenden Nannostomus rubrocaudatus (dem „Purple“) sehr nahestehen oder sogar mit ihm identisch sind. Wie dieser haben die Neuheiten einen markanten schwarzen Fleck im unteren Schwanzflossenlappen, ein Merkmal, das anderen Zwergziersalmlern des Formenkreises um N. marginatus und N. mortenthaleri fehlt.
Bei den Neuheiten handelt es sich um zwei Formen: Die eine wird „Cenepa Super Red“ genannt. Ihr genauer Fundort ist noch unbekannt. Ob sich die Handelsbezeichnung „Cenepa“ auf den gleichnamigen Fluss im Norden Perus bezieht, der streckenweise die Grenze zwischen Ekuador und Peru bildet und dem Marañón (dem Oberlauf des Amazonas) zufließt, wissen wir nicht, es erscheint aber wahrscheinlich. Diese Tiere haben einen tiefschwarzen Balken über den Rücken und entlang der Bauchkante, die Flossen sind transparent oder weißlich. Zunächst wurden sie nach Hongkong exportiert, Anfang September konnte auch Aquarium Glaser eine gewisse Stückzahl importieren und erhielt sowohl tiefrote wie auch blassrosa Exemplare. Ob es sich bei den blassrosa Tieren um Weibchen oder unausgefärbte Männchen handelt, ist aktuell kaum zu sagen. Normalerweise unterscheiden sich bei Nannostomus die Geschlechter durch Form und Färbung der Afterflosse. Hier sind bei den roten und bei den blassrosa „Cenepa Super Red“ kaum Unterschiede feststellbar.
Beim besser bekannten N. rubrocaudatus liegen die Dinge übrigens ähnlich: Männchen können, müssen sich aber nicht rot färben. Sicher sind alle tiefroten Tiere Männchen, aber längst nicht alle hellen Exemplare Weibchen. Glücklicherweise sind bei N. rubrocaudatus aber deutliche Geschlechtsunterschiede in der Afterflossenform und -färbung zu erkennen.
Die zweite neue Form, von der wir hier Bilder zeigen können, stammt aus dem Río Amaya in Peru. Diese Information verdanken wir Oliver Lucanus, der die Fänger vor Ort besuchte. Herzlichen Dank hierfür! Dieser Nannostomus wird, obwohl ein Fundort bekannt ist, im Handel zurzeit lediglich als „Super Red“ bezeichnet. In den ersten Importen, die ich sichten konnte, waren alle (80) Fische extrem rot, nur bei manchen waren der Kopf und das vordere Körperfünftel hell. Ob es sich dabei um einen Geschlechtsunterschied oder um eine Varianz in der Färbung der Männchen handelt, wissen wir noch nicht. An anderer Stelle wurden Weibchen mitgeliefert, die sich äußerlich nicht von N.-rubrocaudatus-Weibchen unterscheiden und von weißlicher Grundfärbung sind. Wir können nicht entscheiden, ob es sich dabei um echte Weibchen des Nannostomus sp. „Super Red“ handelt oder ob die Exporteure dem Wunsch nach Weibchen bei ihren Kunden in Europa, Asien und Amerika einfach dadurch entsprachen, dass sie Weibchen von N. rubrocaudatus mitlieferten. Nach Meinung von O. Lucanus sind die Weibchen des „Super Red“ lediglich blasser rot gefärbt, gleichen aber sonst den Männchen. Wie gesagt, wir wissen es nicht.
Auf jeden Fall handelt es sich bei Nannostomus sp. „Cenepa Super Red“ und Nannostomus sp. „Super Red“ um wunderschöne Fische, die sicher begeistert von der Gemeinschaft der Aquarienliebhaber aufgenommen werden.
Abschließend soll noch eine dritte von Aquarium Glaser neu importierte Nannostomus-Form Erwähnung finden, die unter der Bezeichnung Nannostomus sp. „Ceara Red“ aus Brasilien exportiert wird. Ceara ist ein brasilianischer Bundesstaat. Beim „Ceara Red“ handelt es sich nicht um einen Fisch aus dem erweiterten Formenkreis von N. marginatus, sondern um eine Form aus dem Artenkreis von N. beckfordi. Der „echte“ N. beckfordi stammt aus Guyana und steht im Hobby kaum zur Verfügung, weil aus Kostengründen aus Guyana so gut wie keine Exporte erfolgen und die dort vorkommenden Längsband-Ziersalmler im Vergleich zum fast immer im Handel befindlichen N. beckfordi (sie stammen als Nachzuchten gewöhnlich aus Indonesien) farblich sehr blass sind. In älterer Aquarien-Literatur wird dieser „echte“ N. beckfordi aus Guyana als „Gold-Anomalus“ oder auch als N. anomalus bezeichnet. Nannostomus anomalus und N. beckfordi gelten aber aktuell als Synonyme zueinander. Der gezüchtete N. beckfordi und auch der „Ceara Red“ haben hingegen einen hohen Rotanteil in der Färbung und wurden im Hobby früher als N. aripirangensis bezeichnet, ein weiteres Synonym zu N. beckfordi.
Frank Schäfer
Atyaephyra desmaresti
Eigentlich ist Atyaephyra desmaresti eine alte Bekannte, die bereits 1831 von Millet beschrieben wurde. Aufgrund von Gewässerverbauungen und der ungewollten Ausbreitung über Ballastwasser in der Schifffahrt gilt sie mittlerweile als Neozoon, das ursprünglich aus dem westlichen Mittelmeergebiet stammt und heutzutage auch in Mitteleuropa vorkommt. In Deutschland wurde die Europäische Süßwassergarnele erstmals 1932 am Niederrhein entdeckt und verbreitete sich von hier aus weiter. Die Taxonomie dieser Süßwassergarnelen bereitete Systematikern in der Vergangenheit Kopfzerbrechen, ehe es möglich wurde, sie mittels DNA-Analysen eindeutig zuzuordnen. Im Handel ist sie eher schwierig zu erhalten.
Mit knapp 3,5 cm werden die Weibchen etwas größer als die Männchen. Durch ihre eher helle bis transparente Körperfärbung erscheint sie im Gegensatz zu anderen, beliebten Zwerggarnelen asiatischen Ursprungs etwas unspektakulär. Mit zunehmendem Alter färben sich die Tiere aber durchaus um und können braune, blaue, aber auch grüne oder rosafarbene Töne annehmen. Hin und wieder sind sie gesprenkelt. Im Schnitt erreicht A. desmaresti ein Alter von ungefähr 1,5 Jahren und vermehrt sich zwischen Frühling und Spätsommer. Dabei trägt das Weibchen über rund 5 Wochen bis zu 1.500 sehr kleine Eier, aus denen Larven schlüpfen, die mehrere Stadien durchlaufen. Diese erreichen ihre Geschlechtsreife erst im folgenden Frühjahr.
Europäische Süßwassergarnelen bevorzugen sauerstoffreiche Gewässer. Dabei vertragen die Tiere Schwankungen im Salzgehalt, sodass sie im Süß- bis Brackwasser vorkommen. Sie leben vorwiegend versteckt zwischen Steinen sowie der verkrauteten Uferregion. Als sogenannte „Fischnährtiere“ stellen sie eine wichtige Nahrungsquelle für andere Organismen dar, bei der Pflege im Kaltwasseraquarium sollte der Beibesatz entsprechend bedächtig ausgewählt werden. In ihrem Habitat ernähren sich die Garnelen von Plankton und Schwebstoffen, aber auch organischem Material wie Laub oder den Überresten anderer Tiere. Atyaephyra desmaresti verträgt Temperaturen zwischen 4 und 25 °C.
Lou Herfurth
Neovespicula depressifrons
Die Unterordnung der Drachenkopffische (Scorpaenoidei) ist berühmt und berüchtigt. Ohne Drachenköpfe ist z. B. eine Bouillabaisse nicht denkbar, ohne Feuerfische müssten Schau-Aquarien und Meerwasser-Liebhaber auf echte Attraktionen verzichten, aber Drachenkopffische haben Giftstacheln und bei manchen von ihnen, den Eigentlichen Steinfischen (Synanceiinae), können Stiche für uns Menschen tödliche Folgen haben. Ins Süßwasser gehen Drachenkopffische gewöhnlich nicht, nur eine australische Art der Unterfamilie Tetraroginae (Notesthes robusta) ist zum reinen Süßwasserfisch geworden, einige weitere sind euryhalin, können also zwischen Süß- und Meerwasser pendeln.
In der Systematik der Drachenköpfe gab es aktuell einige Umbrüche (Smith et al. 2018). Traditionell unterschied man zahlreiche eigenständige Familien, die aufgrund der Entdeckung einer Knochenstruktur im Schädel – dem „Tränensäbel“ (englisch: lachrymal saber) – nicht länger aufrechterhalten werden, sondern in den Rang von Unterfamilien innerhalb der Familie der Steinfische (Synanceiidae) zurückgestuft wurden. Das geschah auch mit der früher eigenständigen Familie der Stirnflosser (Tetrarogidae), in der 43 Arten in aktuell 18 Gattungen zusammengefasst werden und die nun nur noch eine Unterfamilie darstellt, Tetraroginae. Sie ist gekennzeichnet durch einen zusammengedrückten Körper, Kopfstacheln, ein bewegliches Tränenbein, eine Haut an der Kiemenöffnung, die nicht breit mit dem Isthmus verbunden ist, und die unteren Brustflossenstrahlen, die nicht von anderen Brustflossenstrahlen getrennt sind (Poss 1999).
Zur Unterfamilie Tetraroginae gehört auch Neovespicula depressifrons, eine Art, die weit im indopazifischen Raum verbreitet ist. Sie erreicht eine Länge um 10 cm und lebt gewöhnlich im Meer. Aber die 2–3 cm langen Jungtiere werden oft in großer Zahl im Süßwasser der Unterläufe größerer Flüsse und im Brackwasser gefunden und gelangen so in den Zierfischhandel. Auch bei Aquarium Glaser tauchen sie gelegentlich auf. Es sind interessante und leicht zu pflegende Tiere, die jedoch kleine Fische fressen und auf Dauer nicht in Süßwasser gepflegt werden können, sondern Brack- oder Seewasser benötigen. Zur Eingewöhnung reicht man Lebendfutter aller Art, später fressen die Tiere auch Frostfutter. Beim Fang muss man gut aufpassen, dass man nicht gestochen wird. Der Stich ist gewöhnlich nicht gefährlich (außer, wenn eine Allergie besteht), aber sehr schmerzhaft.
Frank Schäfer