In den Quellgewässern vulkanischen Ursprungs Tacotalpa und Puyacatengo in Mexiko liegen die Konzentrationen von Schwefelwasserstoff bei bis zu 190 Mikromol. Dennoch sind diese Gewässer bewohnt: „Der Atlantik- Kärpfling (Poecilia mexicana) konnte diesen – eigentlich tödlichen – Lebensraum durch eine Veränderung seines Erbgutes für sich beanspruchen“, erklärt Markus Pfenninger und ergänzt: „Wir haben die Genome von zwei unabhängig voneinander entstandenen Populationen der Süßwasserfische und deren Anpassung an die hochgiftigen Schwefelwasserstoffhabitate analysiert.“ Dabei hatte das internationale Team rund um den Frankfurter Wissenschaftler nicht weniger als die Klärung einer der großen Fragen in der Evolutionsforschung im Sinn: Ist die Entwicklung des Lebens zu einem gewissen Grad vorhersagbar oder purer Zufall? „Unsere Ergebnisse stützen sehr stark die Kontingenztheorie, welche besagt, dass der Weg, den das heutige Leben auf der Erde genommen hat, überwiegend durch Zufälle bestimmt wurde und nicht zwangsläufig wieder so verlaufen würde, wenn man die Erdgeschichte ‚zurückspulen‘ würde“, legt Pfenninger dar. Die beiden an die schwefelwasserstoffhaltigen Gewässer angepassten Fischpopulationen ähneln sich zwar in ihrem Aussehen und ihrer Ökologie sehr stark, haben aber eine komplett unterschiedliche DNA-Basis. Der Evolutionsforscher erläutert: „Die Anpassung an den Lebensraum hat sich – durch jeweils andere Mutationen des Erbgutes – unabhängig voneinander entwickelt. Die Fähigkeit, diesen Lebensraum zu besiedeln, ist demnach kein ableitbares Merkmal dieser Art, sondern jeweils eine einzigartige Anpassung. Die Fische hatten die ‚Wahl‘: Anpassen oder Sterben. Wären die Umstände andere gewesen, hätten sich die Fische auch anders entwickelt.“ Vertreter der Gegenhypothese – der Konvergenztheorie – gehen davon aus, dass bestimmte evolutionäre Entwicklungen, beispielsweise Flügel oder Intelligenz, zwangsläufig im Lauf der Evolution auftreten mussten, dass man aus bestimmten Anfangsbedingungen auch den „Ausgang“ der Evolution vorhersagen kann. „Oberflächlich betrachtet ähneln sich die Atlantik- Kärpflinge sehr. Wir haben mit verschiedenen genetischen Methoden aber gezeigt, dass [sie] sich immer mehr unterscheiden, je tiefer in deren Erbgut geschaut wird“, fasst Pfenninger zusammen. Judith Jördens *) Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können – dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr fast 200 Jahren. Diese integrative „Geobiodiversitätsforschung“ sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt (Main) sowie vielen weiteren Partnern gefördert. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.

Literatur Pfenninger, M., S. Patel, L. Arias-Rodriguez, B. Feldmeyer, R. Riesch & M. Plath (2015): Unique evolutionary trajectories in repeated adaptation to hydrogen sulphide-toxic habitats of a neotropical Fish (Poecilia mexicana). – Molecular Ecology. DOI 10. 1111/mec.13397.