Grundlage der Fischerei von Organismen für den Aquarienhandel in Indonesien ist ein mittelalterlich anmutendes Lehnsystem. Forscher des ZMT (siehe Kasten) haben es unter die Lupe genommen. | Von Susanne Eickhoff

Das Sammeln von Meeresorganismen für den Aquarienhandel hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Weltweit werden pro Jahr bis zu 46 Millionen Tiere mit einem Wert zwischen 200 und 330 ­Millionen US-Dollar gehandelt.



Indonesien ist eines der bedeutendsten Herkunftsländer für Aqua­rientiere aus Korallenriffen. In einer kürzlich publizierten Studie untersuchten Forscher des Leibniz-Zen­trums für Marine Tropenökologie (ZMT) in Bremen, warum die staat­liche Reglementierung des Fangs solcher Organismen in dem Inselstaat nicht greift.

Lediglich ein bis zwei Prozent der gehandelten Rifforganismen stammt aus Aquariennachzuchten, der Löwenanteil wird immer noch „wild“ gefangen. Steinkorallen, die hauptsächlich in die USA, nach Europa und Japan exportiert werden, machen ein Viertel der weltweit gehandelten Aquarienorganismen aus. Über 80 Prozent davon kommen aus Indonesien, wo viele Fischer ihren Lebensunterhalt mit dem Sammeln von Korallen verdienen. Auch Anemonenfische und Riffbarsche sind eine beliebte Beute der Fischer.
Um mögliche Schutzinterventionen vorschlagen zu können, erforschten der Riffökologe und Sozialwissenschaftler Sebastian Ferse und seine Kollegen vom ZMT die Lebensbedingungen der Fischer im Spermonde-Archipel – und wie sie in den Handel mit diesen Organismen involviert sind. Die Inselgruppe vor Südwest-Sulawesi ist eine dicht besiedelte Region und weist einen besonders regen Handel mit Aquarientieren auf. Die Forscher interessierten sich vor allem für die sozialen Bedingungen und Abhängigkeiten, die der Arbeit der Fischer zugrunde liegen. Auf mehreren Reisen befragten sie Bewohner der Inseln sowie Händler und Regierungsvertreter in Makassar, der Hauptstadt Süd-Sulawesis, und beobachteten den Fang der Organismen.

Wie die Forscher herausfanden, sind die Fischer des Archipels eingebunden in ein archaisch anmutendes Lehnsystem. Sie „arbeiten für Mittelsmänner, sogenannte Patrone“, berichtet Ferse. „Bei ihnen liefern sie ihren Fang ab und erhalten dafür ein Entgelt, das meist unter den marktüblichen Preisen liegt. Was, wie viel und womit gefangen wird, ist letzten Endes Sache der Auftraggeber.“ Verpflichtet sich der Fischer, regelmäßig Ware zu liefern, bietet „sein“ Patron ihm eine Art soziale Absicherung, die er vom Staat nicht erhalten würde. Der Patron gewährt kleine Kredite, Unterstützung im Krankheitsfall oder bei materiellen Verlusten durch Naturgewalten.

Die Zwischenhändler sind mit dem nationalen und internationalen Handel gut vernetzt und leiten die Nachfrage an die Fischer weiter. Die meisten Patrone sind auf bestimmte Tierarten spezialisiert, sodass ein Markt für eine große Vielfalt an Rifforganismen entstanden ist. Viele Arten sind deshalb vor Sulawesi selten geworden.

Zudem ist der Einsatz zerstörerischer Fangmethoden mit Gift und Dynamit immer noch weit verbreitet. Zwar hat der indonesische Staat zum Schutz der Riffe Fangquoten eingerichtet und vergibt Fanglizenzen, die über die Patrone an die Fischer weitergereicht werden. „Die staatliche Reglementierung findet allerdings kaum Beachtung“, berichtet Ferse. „Die Patrone lassen auch Fischer ohne Lizenz für sich arbeiten.“ Viele Fänge erscheinen daher nicht in den offiziellen Fangstatistiken.

Nach Einschätzung von Sebastian Ferse und seinen Kollegen sind die Patrone zwar wesentliche Mitverursacher der ökologischen Probleme, sie könnten jedoch auch deren Lösungsansatz sein. Diese – bisher oft übersehenen – Bindeglieder zwischen Fischer und Markt üben einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Fischer aus und sollten in Managementmaßnahmen mit einbezogen werden, um eine nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen anzustreben.

Literatur
Ferse, S. C. A., L. Knittweis, G. Krause, A. Maddusila & M. Glaser (2012): Livelihoods of ornamental coral fishermen in South Sulawesi/Indonesia: implications for management. – Coastal Management 40 (5): 525–555. DOI:10.1080/08920753.2012.694801.

Das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) in Bremen widmet sich in Forschung und Lehre dem besseren Verständnis tropischer Küstenökosysteme. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu ihrer Struktur und Funktion, ihren Ressourcen und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber menschlichen Eingriffen und natürlichen Veränderungen.
Das ZMT führt seine Forschungsprojekte in enger Kooperation mit Partnern in den Tropen durch, wo es den Aufbau von Expertise und Infrastruktur auf dem Gebiet des nachhaltigen Küstenzonenmanagements unterstützt. Das ZMT ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.
Weitere Informationen gibt es hier: http://www.zmt-bremen.de.