Ich hatte natürlich Interesse, war doch damals eine Verbindung in das „andere“ Deutschland etwas Besonderes! Im Lauf des Gesprächs fragte er mich, ob er meine Adresse einer Terrarianerin geben dürfe, um einen solchen Kontakt herzustellen. Auch damit war ich gern einverstanden, ohne ernsthaft zu glauben, dass daraus etwas werden würde ... Schon wenige Wochen später kam ein Brief von Jutta Kassebeer aus Norderstedt, in dem sie sich und ihren Mann Gerd vorstellte und mir eine Briefpartnerschaft anbot. So begann meine Bekanntschaft und spätere Freundschaft mit der Familie Kassebeer. Was ursprünglich zwischen Jutta und mir anfing, schloss sehr bald auch Gerd mit ein, ja, es verlagerte sich sogar auf ihn. Gerd war ein Aquarianer „alter Schule“. Ihn interessierte weniger das dekorative Schaubecken in der Wohnstube (solange ich das Zimmer kenne, stand dort nie ein Aquarium), dafür umso mehr das Wohl seiner Tiere und Pflanzen und deren Lebensumstände. Aufgrund seines Berufs (Chemiker in einer Firma, die Geräte zur Reinstwasseranalyse herstellte) konnte er die Stoffwechselvorgänge im Aquarium sicher erkennen und beurteilen. Das zeigte sich in seinem Fischkeller, wo ich Aquarien mit einem Fisch- und Pflanzenbesatz sah, wie ich es zuvor nicht für möglich gehalten hätte! Das betrifft sowohl die Menge und die Zusammenstellung der Arten als auch die Zahl der Tiere und Pflanzen, die dort lebten und sich vermehrten. Nie fuhr ich mit leeren Fischbeuteln zurück nach Halle ... Zudem hatten wir ähnliche aquaristische Interessen – die Killifische hatten es uns ganz besonders angetan. Er nannte sie wegen ihrer schlanken Gestalt „Nudelfische“. Von den überreichlich vorhandenen Wasserpflanzen durfte ich ebenfalls immer einige mitnehmen. Leider hatte ich meist nicht annähernd so viel Erfolg mit ihrer Kultur wie er. Aber auch das „Tümpeln“, das heute ja kaum noch Freunde findet, war für Gerd stets wichtig und notwendig. Konnte er dabei doch, neben dem Lebendfutterfang für seine Fische, auch seinem Interesse für „alles, was da kreucht und fleucht“ nachgehen. Diese Liebe gerade auch zur heimischen Natur wird deutlich, wenn man weiß, dass er jahrelang in seinem Keller Grillen hielt, nur um sich am Gesang der Männchen zu erfreuen! (Ob Jutta wohl ab und zu Leckerbissen für ihre Echsen „abzweigte“?) Die Fähigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen (und sei es der schlammige Boden eines Aquariums), und die daraus gewonnenen Erkenntnisse behielt er nicht für sich. In der Zeitschrift „Aquarium Heute“ hatte er in fast jeder Ausgabe einen Beitrag zum Thema Aquarienchemie. Diese Aufsätze wurden später in einem Buch zusammengefasst. In seinem Verein, dem „Roßmäßler Hamburg“, war er viele Jahre stellvertretender Vorsitzender und bis zum Schluss Ansprechpartner für Aquarianer, die Probleme mit ihren Süßwasserbecken hatten. Der „Hamburger Mattenfilter“ ist zwar nicht seine Erfindung, aber Gerd trug maßgeblich zu dessen Siegeszug durch Deutschlands Aquarien bei. Die hier aufgezählten sind sicher nicht alle seine Aktivitäten im Zusammenhang mit unserer Leidenschaft, aber sie lassen ahnen, welche Beiträge er geleistet hat. Doch das sind Dinge allgemeiner Natur. Mir werden vor allem die vielen Stunden in seinem Keller in Erinnerung bleiben – und fehlen! –, während derer er mir geduldig und ausführlich seine Erkenntnisse, die er aus seinen Experimenten gewonnen hatte, vorstellte und erläuterte. Das „hatte schon etwas“, und es wird mir sehr gut in Erinnerung bleiben, wie ich beispielsweise einen Nitratfilter erklärt bekam, der mit Paraffin betrieben wird. Der durch diesen Filter entstehende „Duft“ nach Schwefelwasserstoff tat dabei sicher sein Übriges ... Auch die Abende mit unseren Frauen bei einem Glas Wein oder einem Korn werde ich nicht vergessen.

Was zeigt Wesen und Bedeutung eines Menschen am besten und bleibt auch am längsten in Erinnerung? Die Ergebnisse seiner Arbeit. In diesem Sinn glaube ich am ehesten, Gerds Anliegen zu vertreten, indem ich auf einen Aufsatz von ihm verweise, nachzulesen als Gastbeitrag unter www.detersing. de, und zum Diskutieren anrege. Gerd hätte mit Sicherheit seine helle Freude gehabt an einer möglichst kontroversen Auseinandersetzung mit seiner Publikation! Wolfgang Dittmann