Und aus Sicht des Aquarianers gibt es noch zwei weitere Nachteile: Die Böden sind nicht aus Beton, sondern aus Holzkonstruktionen, die mit Lehmschüttungen aufgefüllt sind, und bei jeder Erschütterung bewegt sich das ganze Gebäude. Steht das Haus dann noch an einer viel befahrenen Straße, ist der Glasbruch von Aquarien vorprogrammiert, insbesondere wenn – wie es damals üblich war – die Becken nicht mit Silikon geklebt sind, sondern Metallrahmen haben. Das war auch bei meinem – für damalige Verhältnisse „riesigen“ – Aquarium der Fall, das über 300 Liter Wasser fasste und neben einigen Harnischwelsen ein paar prachtvolle Schabemund-Maulbrüter aus dem Malawisee (Labeotropheus fuelleborni) und ein Pärchen Kongo-Cichliden (Lamprologus congolensis) samt seiner zwei bis drei Wochen alten Jungfische beherbergte.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass in der Wohnung unter uns ein junges Ehepaar wohnte, das am Abend des „ Supergaus“ ausgegangen und erst ziemlich spät nach Hause gekommen war. Weit nach Mitternacht – meine Frau und ich lagen längst im Bett, und das Aquarium stand brav im Wohnzimmer – fuhr dann ein Lastwagen vorbei, der das ganze Haus derart zum Wackeln brachte, dass das Becken platzte. Mit einem lauten Knall brach aus der Frontscheibe ein keilförmiges Stück heraus, das Wasser ergoss sich ins Wohnzimmer und floss gleich darauf in den Flur, in unser Schlafzimmer, ins Kinderzimmer und natürlich nach unten – ins Schlafzimmer unserer „Untermieter“. Was unten geschah, weiß ich von den Erzählungen des jungen Paares. Im Halbschlaf hatte er gefragt: „Anna, spuckst du?“, woraufhin sie geantwortet hatte, „Nein, es regnet!“ – „Wirklich?“, hatte er nachgehakt, und „Ja!“, hatte sie gesagt, „hast du nicht gehört, es hat gedonnert?“. Danach hatten sie Licht gemacht und zur Decke geschaut, an der Wasser und Lehm bereits erste dekorative Muster malten ...

Während ich oben in aller Eile versuchte, den Fischen das Leben zu retten, indem ich etwas Restwasser in einem Eimer auffing und die Tiere zusammensuchte, bemühte sich meine Frau, zumindest einen Teil des Nass auf den Balkon hinauszuflitschen. In unsere fieberhaften Bemühungen platzte dann auch noch Anna hinein, die sich gefragt hatte, warum es in ihrem Schlafzimmer regnete. Barfuß trippelte sie auf Zehenspitzen in ihrem dünnen, kurzen Nachthemdchen – ich habe das Bild noch ganz genau vor Augen! – durch unser Wohnzimmer, schlug die Hände über dem Kopf zusammen, wodurch ihr Nachthemdchen noch kürzer wurde, und ging kopfschüttelnd zurück nach unten, wo ihr Mann das Bettzeug in der Küche aufgetürmt hatte und zu schlafen versuchte, ohne sich um den von oben kommenden Segen zu kümmern.

Apropos Segen: Die Versicherung zahlte natürlich nicht, der Wohnzimmerteppich war rundherum um fünf Zentimeter eingelaufen, und die Möbel waren unten aufgequollen. Zudem durfte ich zwei Wochen später Annas Schlafzimmer renovieren. Nein, Fachwerkhäuser mag ich nicht besonders. Immer, wenn man mir bei irgendwelchen Stadtführungen die Schönheit dieser Bauweise erläutert, denke ich an unser Malheur mit meinem Aquarium und die Folgekosten. Da hilft sogar die Erinnerung an das Nachthemdchen nur wenig. Uwe Werner