Naturlich half ich, lud ihn zu mir ein, um ihm meine Aquarien zu zeigen, in denen vor allem Salmler schwammen, und konnte ihm nicht nur aquaristisch, sondern auch furs Leben weiterhelfen. Guppys hatte er namlich schon nachgezuchtet, aber es wollte sich aus ihm unverstandlichen Grunden kein Nachwuchs einstellen, wenn er auch noch so dicke Barblingsweibchen einzeln setzte. Ich erklarte es ihm, wobei ich die Geschichte mit der Biene, die sich auf die Blume setzt, allerdings nicht bemuhte. Ich glaube dennoch, diese Aufgabe mit Erfolg gemeistert zu haben, immerhin ist er Vater dreier erwachsener Sohne. In der Folgezeit besuchten wir uns haufiger, sahen uns spater aber seltener, weil ich meinen Wehrdienst ableistete und dann, als ich studierte, selten zu Hause war.

Dennoch war ich stolzer Besitzer eines fur damalige Verhaltnisse riesigen Aquariums von immerhin 120 Zentimetern Lange, das allgemein Bewunderung, aber auch Skepsis hervorrief, weil man es als „ tickende Zeitbombe“ ansah. Mit Silikon geklebte Becken gab es noch nicht, wir liesen Metallrahmen zusammenschweissen und kitteten – gut, dass mein Vater den Malerbetrieb hatte – selbst zugeschnittene Scheiben ein. Bei den Rahmen handelte es sich oft um alte Reklame-Kasten, die auf dem Sperrmull gelandet waren. Nach unserem erneuten Zusammentreffen wurde der Kontakt enger, weil jetzt der Altersunterschied – ich bin fast sechs Jahre alter – wohl weniger storte. Und Rainer war ein wirklich progressiver Typ! Meine Salmler und Zwergbuntbarsche belächelte er! Er meinte, die Zukunft gehore den Groscichliden, schenkte mir ein paar Chromidotilapia guntheri und bereitete so meiner Zwergcichlidenzucht ein jahes Ende.

Rainer träumte von allen moglichen Buntbarschen, die nur schwierig oder gar nicht zu bekommen waren. Zu dieser Zeit wurden die ersten Steatocranus und Malawisee- Cichliden importiert, und so fiel es ihm leicht, mich mit seinem Wunschdenken zu infizieren. Das wiederum fuhrte dazu, dass wir an den Wochenenden standig unterwegs waren, um irgendwelche Raritaten aufzutreiben. Mal nutzten wir meinen klapprigen Kafer, mal Rainers Auto, das so manche Uberraschung bereithielt: Da fiel die Seitenscheibe in die Tur, oder aber die Scheibenwischer setzten sich wie von Geisterhand in Bewegung, und ab 80 km/h konnte es vorkommen, dass die Motorhaube plotzlich hochschlug …

Längst hatten wir beide begonnen, in Fachzeitschriften unsere ersten Artikel zu veroffentlichen. Beide regten wir uns auf, dass sie oft mit schlechten oder unpassenden Fremdbildern illustriert wurden. Und so zogen wir gemeinsam los, kauften uns – damals noch halbautomatische – Kameras und versuchten, Schwierigkeiten der Aquarienfotografie zu meistern, uber die man heute nur lacheln kann. Schon bald reifte der Wunsch, gemeinsam ein Cichliden- Buch zu schreiben. Das sollte erst ein paar Jahre spater klappen, aber Rainer fand so seine Anstellung in der DATZRedaktion, bei Dieter Vogt.

Natürlich flogen wir auch gemeinsam nach Mittel- und Sudamerika, um nach unbekannten Buntbarschen zu suchen. Und davon gab es damals viele! Fast in jedem Fluss stiesen wir auf aquaristisch oder sogar wissenschaftlich unbekannte Arten, von denen wir etliche erstmals nach Europa einfuhrten. Leider sind diese Zeiten unwiderruflich vorbei, aber wir sind ja auch älter und ruhiger geworden. Rainer hat sogar schon graue Haare, und mir sind ein paar ausgefallen …  Uwe Werner