Doch dann boten uns die Angestellten an, privat welche zu kaufen, allerdings zu einem erbärmlich niedrigen Preis, sodass wir dieses Geldinstitut verärgert verließen. Etwas Galgenhumor brachte die gute Stimmung zurück. Einer von uns meinte nämlich, jetzt hätten wir wenigstens mal „echte Bankräuber“ kennengelernt. In Lago Agrio half uns später ein Pastor aus der Patsche, der uns ein paar Dollar umwechselte, aber in Milagro waren dann wieder alle Sucres aufgebraucht. Es war Freitag, als wir zur Bank tigerten, doch dort sagte man uns, Geld werde an Freitagen nicht gewechselt, und so mussten wir bei unserer Hotelwirtin um Kredit betteln. Sie hatte glücklicherweise Verständnis und streckte uns sogar etwas Geld vor, während wir auf den Montag hofften. Nun darf man sich den Bankbetrieb in Südamerika in den 1980er-Jahren nicht so vorstellen wie bei uns heutzutage. Das begann schon damit, dass vor der Tür und vor jedem geöffneten Schalter mindestens ein mit einer Maschinenpistole bewaffneter Sicherheitsmensch stand. Zudem wurde man mit kurzen Hosen nicht eingelassen, und in der Schalterhalle reihten sich die Leute in schier endlosen Schlangen. Da half nur Geduld, wie wir sie heute kaum noch kennen, aber was blieb uns übrig? Wir stellten uns an und warteten. Nach einer Dreiviertelstunde waren wir an der Reihe, wurden aber abgewiesen. Nein, Geldwechseln sei hier nicht möglich, nur an Schalter drei. Wir fluchten innerlich, begaben uns wieder an das Ende einer Schlange, die eigentlich gar kein Ende hatte, und warteten erneut. Endlich, nach fast einer Stunde, war es dann so weit. Man hörte sich unser Anliegen an, wies uns jedoch wiederum ab. Nein, Geld könne man nur donnerstags wechseln. Ich insistierte, aber nein, heute sei das vollkommen unmöglich. Und schon war der nächste Kunde dran. Verdattert standen wir im überfüllten Schalterraum. Als ich mich umsah, fiel mein Blick auf eine Treppe, die nach oben führte. Dort mussten die Chefs sitzen! „Jungs, folgen!“, kommandierte ich, und zu viert drängten wir zu der Treppe, schoben den verdutzten Wachmann samt Knarre beiseite und stürmten die Stufen empor. Was hatten wir denn schon groß zu verlieren? Kurz klopften wir an eine Glastür und traten ein. Der Schlipsträger hinter dem Schreibtisch schaute überrascht, als er uns in unserem „Räuberzivil“ erblickte, grüßte nach kurzer Irritation aber zurück und schickte auch den uns nacheilenden Wachhabenden per Handzeichen weg. „Es esto una tieda o un banco? – Ist dies ein Kramladen oder eine Bank?“, fragte ich provozierend. Und dann erläuterte ich – natürlich freundlich lächelnd – in gebrochenem Spanisch unser Problem. Es war tatsächlich eine Bank, natürlich – „por supuesto!“. Und der nun ebenfalls durchaus freundlich dreinschauende Banker war nicht nur bereit, uns Geld wechseln zu lassen, sondern er akzeptierte auch unsere Reiseschecks – wir waren aus dem Schneider! Was sich allerdings der gute Mann mit der MP später wohl anhören musste, will ich mir gar nicht vorstellen …
Uwe Werner