... nennt es Georg Reitmaier und versucht dabei, ein belanglos wirkendes Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern. Doch das gleicht mehr einem verschmitzten Grinsen; die Ironie dahinter bleibt nicht verborgen. Wer als Besucher sein Wohnhaus betritt und durch die Eingangstür geht, steht unvermittelt vor einem gläsernen Tor zu einem verwunschenen Stück tropischen Regenwalds. | Von Daniel Knop

Ein Schritt durch diese Glastür gleicht einem Schritt in eine andere Welt. Tropische Luft schlägt einem entgegen, heiß und feucht. Ein mehrere Meter hoher Wasserfall beherrscht die Geräuschkulisse. Vorbei an alten, quadratisch gehauenen Sandsteinsäulen gelangt man in eine tropische Dschungellandschaft, die einem den Atem raubt.



Verwitternde Sandsteinruinen einer vergangenen Kultur werden von Lianen umschlungen und von tropischem Grün überwuchert – der Dschungel holt sich zurück, was ihm einst gehörte. Stück für Stück vereinnahmen tropische Farne und blühende Orchideen die steinernen Zeugen einer früheren menschlicher Kultur. In Stein gehauene Verzierungen bröckeln ab, der Zahn der Zeit nagt an den Statuen, die einst verehrte Gottheiten darstellen. Tropenregen haben auf dem grauen Sandstein ihre Spuren hinterlassen; dunkelgraue Linien zeichnen den Weg des Regenwassers nach.

Mitten in eine erodierende Landschaft aus Sandsteinfelsen wurden diese Mauern und Statuen einst gehauen. Deutlich erkennt man die verschiedenen Gesteinsschichten, an Bruchkanten im Verlauf von Jahrtausenden durch Wind und Regen verwittert und rund geschliffen. Beige und Hellbraun wechseln sich ab, je nach Zusammensetzung der Sedimentschicht, die sich einst zu Gestein verdichtet hat. In rund sieben Metern Höhe ergießt sich über die Felswand ein gewaltiger Wasserfall, in dem die gesammelte Flut der Tropenregen über den schroffen Felsen gespült wird, mit ohrenbetäubendem Rauschen, bis sich alles schließlich unten in einer Vertiefung sammelt. Rund 40000 Liter kristallklares Gebirgswasser befinden sich darin, umsäumt von tropischem Grün. Wer genau hinschaut, sieht darin silberne Gabelbärte mit ihren roten Flossensäumen, die dicht unter der Oberfläche ihre Kreise ziehen und auf Insekten lauern. Tiefer in dem kleinen Gebirgssee tummeln sich Buntbarsche.

Von dem kleinen Sandsteinbalkon aus, der als Teil einer Ruine noch erhalten ist, kann man zur Linken den Wasserfall und den kleinen Stausee gut überblicken. Schaut man über die mit Ornamenten verzierte Steinbrüstung zur anderen Seite hinab, locken die plakativen Farben von Falterfischen und Fahnenbarschen, die im Küstenwasser schwimmen; die Ruinen befinden sich an einer felsigen Meeresküste. Das Wasser ist so klar, dass man den Meeresboden sehen kann. Blickt man in die Tiefe, sieht man hier und da einen bodenlebenden Bambushai, und wer sich von der Küste her dem Wasser nähert, wird von einem Schwarm Wimpelfische begrüßt, der eilig heranschwimmt.

Georg Reitmaier, Inhaber der Firma Bugs International, die Lebendfutter für die Terraristik und künftig auch für die Aquaristik produziert, hat sich hier seine eigene Welt geschaffen. Ein gigantisches Terrarium mit darin befindlichem Süßwasser- und Meerwasseraquarium, das Schulungszwecken dient, um seinen Kunden Tiere vorzuführen, die optimal ernährt wurden. Alles, was hier an natürlichen Gesteinsstrukturen zu sehen ist, wurde in minutiöser Feinarbeit von Menschenhand geschaffen. Das Material: Beton, und der wurde nicht einfach mit einer gewaltigen Zement-Sprüheinrichtung auf vorgefertigte Strukturen geschleudert, sondern alles wurde in Handarbeit modelliert. Detailverliebt und mit unfassbarer Kunstfertigkeit wurde mit Stöckchen, Stäbchen, Pinsel und anderen Utensilien jeder einzelne Quadratzentimeter der Zementoberfläche in ein Relief verwandelt. Nichts von all diesem erodierenden Gestein ist natürlich, alles ist perfekte Illusion.

Das Gleiche gilt für die verwitternden Sandsteinruinen, die mitten in dieser erodierenden Felsschlucht stehen, umrankt von tropischem Grün. Nicht verwitternden Sandstein hat man hier vor sich, sondern schlichten Beton, aber derart liebevoll gestaltet und modelliert, dass man seinem Auge nicht traut. Ist das wirklich alles aus Zement? Auch vermodernde Baumstämme, die zwischen den Grünpflanzen stehen und von aufsitzenden Pflanzen wie Orchideen besiedelt wurden – sie sind aus Beton. Lianen, die herabhängen und die Sandsteinruinen umschlingen – sind aus Beton. Doch an keiner Stelle wirkt ­diese Betonlandschaft in irgendeiner Weise künstlich, alles scheint völlig authentisch. Es ist nicht nur künstlich, sondern tatsächlich Kunstwerk.

Doch dahinter steckt auch gewaltiger technischer Aufwand. Ein ganzer Kellerraum ist nötig, um die  Anlagen unterzubringen, die den Regenwald mitsamt Wasserfall, Süßwasser- und Meerwasserbecken versorgen. Allein der Wasserfall wird mit bis zu 45000 ­Liter Wasser pro Stunde gespeist. Die Menge ist variabel, und bei Volllast ist die Geräuschentwicklung des Wasserfalls so stark, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Zwei gewaltige Abschäumer und ein Biofilter reinigen das Meerwasser, ein Sandfilter und ein Papierfilter sorgt im Süßwasserbecken für klare Verhältnisse. Zahlreiche Wasserparameter werden elektronisch überwacht.

Der gesamte Raum ist so verrohrt, dass die Bewässerung mit Umkehrosmose-Wasser vollautomatisch erfolgen kann. Für die Beleuchtung wird natürliches Sonnenlicht genutzt, doch zur Verlängerung der Lichtphase und Steigerung der Lichtmenge sind zusätzlich Halogenmetalldampfleuchten installiert. Die Abschattung, die durch horizontal aufliegende „Baumstämme“ im Meerwasserbecken entsteht, wird kompensiert durch LED-Lampen, die sich unter diesen Betonstrukturen befinden. Das gilt auch für jenen Anteil des Meerwasserbeckens, der durch eine Stirnwand des Raums in den Nachbarraum hindurch geführt wird, das Wohnzimmer. Direkt gegenüber dem Kamin befindet sich hier eine nachgestellte Felsküstenzone, in der das Wasser von oben einsehbar ist, überragt von einem gewaltigen Baumstamm aus Beton, der noch mit Aufsitzpflanzen bestückt wird. Zum Zeitpunkt der Aufnahmen war die gesamte Anlage erst rund ein halbes Jahr im Betrieb, doch für diese kurze Zeit schon erstaunlich gut eingewachsen und gereift, insbesondere der Pflanzenbestand. Die Pflege bewerkstelligt Georg Reitmaier gemeinsam mit einem Mitarbeiter.

Er ist vernarrt in seine Tiere, Terrarianer durch und durch, mit Leib und Seele. Mit hohem Niveau und Qualitätsanspruch bemüht er sich um das Wohl seiner Tiere, denn er pflegt sie mit der gleichen Detailversessenheit, mit der er sich der Gestaltung seines Mega-Terrariums und auch der Bepflanzung widmet. Aus dieser Motivation heraus begann er vor vielen Jahren auch, die Futterinsekten selbst zu züchten, weil ihm mit kommerziell produziertem Lebendfutter zu viele Tiere krank wurden. Zuerst zog er die Heimchen und Grillen für den Eigenbedarf in seinen Terrarien, und später auch für andere, zunächst im kleinen, überschaubaren Rahmen, dann aber wegen des großen Bedarfs an qualitativ hochwertigen Futterinsekten bald auch im großen Umfang, mit einer Firma, die sich darauf spezialisiert hat. Und weil er genau weiß, was in diesem Lebendfutter steckt und mit welchen hygienischen Anspruch es gezüchtet wird, ernährt Georg Reitmaier seine Süßwasserfische ausschließlich mit den Grillen und Heuschrecken aus eigener Herstellung. Nichts hat sich seit seinem Einstieg in die Lebendfutterproduktion an dem hohen Qualitätsanspruch geändert, den er als Terrarienliebhaber entwickelt hat. Seine Firma „Bugs International“ hat sich in den letzten Jahren zu einem der weltweit größten Futtertierproduzenten entwickelt, nicht zuletzt dadurch, dass sie sich kompromisslos für Hygiene einsetzt und ihre Insekten regelmäßig von den Universitäten Hohenheim und München auf Nährwert und Rückstände untersuchen lässt.

Gabelbärte und viele Buntbarscharten werden mehrmals täglich mit Grillen und Heuschrecken gefüttert, die er lebend oder als aufgetautes Frostfutter anbietet. Das enorme Wachstum seiner Fische und die ungewöhnliche Farbkraft geben ihm recht. Mit diesem hochwertigen Futter machen auch die Buntbarsche ihrem Namen alle Ehre, wie die Unterwasserfotos zeigen.

Georg Reitmaiers „kleine Sünde“, erst vor knapp einem Jahr in Betrieb genommen, wird in der kommenden Zeit reifen und in jeder Hinsicht noch natürlicher wirken. Die Tropenpflanzen werden dichter wachsen, und in das Meerwasserbecken sollen noch weitere Korallen einziehen – robuste Flachwasserarten, die weder extrem lichthungrig sind noch niedrigste Nährstoffkonzentrationen benötigen, um sich gut zu entwickeln, etwa Lederkorallen oder Scheibenanemonen.

Doch schon jetzt zeigt dieses kleine Paradies, was geschieht, wenn man dem Kind im Manne im Bonbonladen freie Hand lässt. Und Georgs Liebe zu Tieren ist so groß, dass er sich nicht nur zu Hause mit ihnen umgibt, sondern ebenso in seinem Bürogebäude.