Von Cyanobakterien, Schwertpflanzen und Segelflossern – wie aus einer „Blaualgen-Bekanntschaft“ eine aquaristische Freundschaft wurde. | Von Rainer Stawikowski

Die Geschichte von unserem Ernst und seinem Aquarium begann vor 13 Jahren in der DATZ-Redaktion. Eines Tages klopfte es an der Tür, und nach einem aufmunternden „Herein!“ betrat ein Mittfünfziger unser kleines Großraumbüro. Er heiße Ernst Heldt, sei Aquarianer und habe massive Probleme mit Schmieralgen in seinem neu eingerichteten Aquarium. Schon oft sei ihm aufgefallen, dass hier, in der Skagerrakstraße 36, doch irgendwelche „Berufs-Aquarianer“ sitzen mussten; die Fischzeitschriften und Bücher in dem Schaukasten draußen und die vielen durch das Fenster zu sehenden Aquarien ließen so etwas jedenfalls vermuten. Und Leute, die den ganzen Tag mit Aquarien zu tun haben, müssten doch eigentlich wissen, wie man mit Cyanobakterien fertig wird.



Doch das erwies sich – vor allem in Unkenntnis des betroffenen Aquariums, seines Besatzes und seiner Einrichtung – als Trugschluss. Um es kurz zu machen: Unser Gast probierte in den folgenden Wochen alles Mögliche: weniger Licht – kein Erfolg; über Torf filtern – gleiches Ergebnis; geringere Wasserbewegung – Fehlanzeige. Schließlich fand er die Ursache seiner üppigen Blaualgenkultur selbst und damit die Lösung des Problems.

Ernst Heldt hatte, weil er großen Wert auf einen möglichst üppigen Pflanzenwuchs legt, unter dem Kiesbodengrund seines Aquariums eine Töpfertonschicht eingebracht, das war wohl zu viel des Gut(gemeint)en. Jedenfalls wechselte er eines Tages, nachdem die geschilderten und weitere Maßnahmen nichts bewirkt hatten, den Boden komplett aus, verwendete nur noch ganz wenig Ton und stieg später auf „Luvos-Heilerde“ um. (Darauf schwört er heute noch: Dieses Substrat sei ein hervorragender Dünger, man brauche ihn nur am Anfang einzusetzen, 250 Gramm auf 500 Liter Wasser reichten völlig aus.) Seitdem wachsen die Pflanzen prima, und das Algenproblem ist Geschichte.

Der Kontakt zwischen der DATZ-Redaktion und Ernst Heldt hingegen sollte sich als beständiger erweisen als seine Schmieralgen. Nach und nach lernten wir uns immer besser kennen, und es zeigte sich, dass Ernst – längst waren wir vom „Sie“ zum „Du“ übergegangen – Frührentner mit entsprechendem Freizeit-Budget war, außerdem hilfsbereit und handwerklich geschickt. So kam es, dass er uns nicht nur immer öfter bei der einen oder ­anderen regelmäßig anfallenden Pflegearbeit an unseren Redaktionsaquarien zur Hand ging, sondern auch größere Teile komplett plante und baute, wie Unterschränke, Beleuchtungskästen oder Filteranlagen. Die Anlage befand sich damals noch im Aufbau, und es gab (fast) immer etwas zu tun ...

So wurde aus der „Algen-Bekanntschaft“ ein freundschaftliches Verhältnis, das bis heute anhält, obwohl in der Skagerrakstraße keine größeren aquaristischen Vorhaben mehr geplant sind. Stattdessen opferte „unser Ernst“ seine Freizeit, um sich nach und nach durch unsere Büchersammlung zu schmökern oder zu dieser und jener Veranstaltung mitzufahren. Gemeinsam besuchten wir die Versammlungen diverser Vereine, trafen uns auf Messen, fingen Guppys im Gillbach oder sammelten Moorkienwurzeln im Emsland. Auch auf zwei DATZ-Foren in Stuttgart war Ernst dabei und natürlich beim jährlichen, vorweihnachtlichen Aquarianerfrühstück in „seiner“ Redaktion.

Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass ich Ernsts aquaristischen Werdegang, seine Interessen und Neigungen kennenlernte. Geboren am 9.11.1944, ist er fast genau zehn Jahre älter als ich. Dort, wo ich seit den 1980er-Jahren lebe und arbeite, in Gelsenkirchen-Bulmke-Hüllen, verbrachte er seine Kindheit. Auf dem Gelände der Hansaschule, deren Pausenhallen-Aquarium ich in DATZ 1/2012 vorstellte, fing er als Sieben- oder Achtjähriger Dreistachelige Stichlinge: Die Schule gab es damals noch nicht, wohl aber einen großen Feuerlöschteich, in dem außer Gasterosteus aculeatus Kaulquappen zu finden waren – und Goldfische.

Diese Geschichte scheint doch immer die gleiche: Wer als Kind selbst gekescherte Wassertiere in Akkumulatoren- oder Gurkengläsern hält, um sie näher zu beobachten, verspürt irgendwann den Wunsch, ein „richtiges“ Aquarium zu besitzen, so auch Ernst. Als er elf oder zwölf Jahre zählte, durfte er endlich ein 60-Zentimeter-Becken sein Eigen nennen, ausgestattet mit einer Membranluftpumpe, die einen „Huckepack“-Außenfilter und einen Ausströmerstein antrieb. Eingerichtet war das Aquarium mit Schwertpflanzen und ein paar Steinen, besetzt mit tropischen Fischen, darunter Sternflecksalmler und Guppys – aber auch mit Neonsalmlern, die leider nicht lange überlebten.

Nach dem Schulabschluss, Ernst war nun 14, begann er seine Lehre als Maschinenschlosser. Auch in dieser Zeit blieb er Aquarianer, wie eigentlich immer – mit nur einer Ausnahme: Als er zum damals noch 18 Monate währenden Grundwehrdienst zur Bundeswehr einberufen wurde, musste sein Hobby daheim erst einmal ruhen.

Doch Glück im Unglück: Es stellte sich heraus, dass der Kompaniefeldwebel in Ernsts Einheit in Lingen an der Ems (wo es die Moorkienwurzeln gibt) ebenfalls Aquarianer war und im Kompanieblock ein Süßwasserbecken betrieb – privat und in einem Extraraum, nicht etwa als „Schaubecken“ zur Erbauung der Kameraden. Dieses Aquarium blieb Ernst natürlich nicht verborgen, und so kam, was kommen musste: Fortan durfte der Gefreite Heldt das „Spieß-Aquarium“ betreuen, was ihm die „Barras“-Zeit doch ein wenig versüßte.

Nach dem Wehrdienst fand der Maschinenschlosser Heldt eine Anstellung im Kraftwerk der Eisenwerke Gelsenkirchen (später Thyssen), die – wie der alte Löschteich – längst nicht mehr bestehen. In einem Kellerraum des Mehrfamilienhauses, in dem er heute noch wohnt, baute er sich eine kleine Aquarienanlage, um sich in der Nachzucht eines seiner Lieblingsfische zu versuchen. In fünf 200-Liter-Becken zog er Braune Diskus nach, wobei er Wert darauf legte, lediglich über Torf gefiltertes, auf 27 bis 28 °C erwärmtes, sonst aber nicht weiter aufbereitetes Leitungswasser zu verwenden. Das klappte prima, doch gefiel Ernsts Wirken im Untergrund seiner Frau ­Annemarie immer weniger („Dauernd steckst du im Keller!“), sodass er seine Symphysodon-Kleinproduktion nach fünf Jahren einstellte.

Von nun an beschränkte sich die Aquaristik auf die Wohnung, zuerst auf das Wohnzimmer. Im Lauf der Zeit betrieb Ernst unterschiedlich große Süßwasserbecken, das stattlichste hatte die Maße 180 x 60 x 60 Zentimeter. Unterschränke und Abdeckungen entstanden grundsätzlich im Eigenbau, und Pflanzen spielten stets eine wichtige Rolle. In solchen Aquarien ließen sich auch weitere seiner Lieblingsfische nachziehen, wie Zebracichliden (Amatitlania nigrofasciata) oder Feuermaulbuntbarsche (Thorichthys meeki).

Als 1997 Heldt junior aus der elterlichen Wohnung auszog, wurde ein Raum frei und kurz darauf das bisherige Kinder- zu Ernsts Aquarienzimmer umfunktioniert.

Dort steht in einer Ecke ein 300-Liter-Delta-Aquarium. Die beiden Schenkelseiten an der Zimmerwand und die Frontscheibe sind 90, die beiden kurzen Seitenscheiben 25 Zentimeter lang, und die Höhe beträgt 50 Zentimeter. Hinten rechts ist der Innenfilter eingebaut. Er hat eine Grundfläche von 20 x 35 Zentimetern, die Pumpenkammer (10 x 20 Zentimeter) enthält auch den Heizer und den CO2-Reaktor. Der Filter besitzt einen Oberflächenabzug und einen Einlauf knapp über dem Bodengrund, als Filtersubstrat dienen ausschließlich Schaumstoffschwämme. Ein oder zwei Mal pro Woche ersetzt Ernst un­gefähr ein Drittel des Aquarieninhalts durch Frischwasser.

Die Beleuchtung umfasst zwei T5-Röhren à 39 Watt (Tageslicht, 6500 K). Der Unterschrank dient als Stauraum für die CO2-Flasche, diverses Zubehör und den üblichen aquaristischen „Kleinkram“, den man so braucht und der sich im Lauf der Zeit ansammelt.

Die Einrichtung dieses Blickfangs besteht aus einigen Steinen und kleineren Holzwurzeln, vor allem aber aus Pflanzen, darunter Hygrophila corymbosa, H. polysperma und H. difformis, Anubias barteri, Echinodorus horemanii und E. osiris, Bolbitis heudelotii, Cryptocoryne beckettii, C. balansae, Ludwigia repens und Hydrocotyle leucocephala, eine bunte Mischung!

Ernst gesteht, dass die Dekoration seines ­Beckens durchaus häufiger Veränderungen unterliegt, ganz nach dem Motto: „Öfter mal was Neues!“

Das betrifft aber auch den Fischbesatz. Gegenwärtig schwimmen in dem Aquarium vier Rotrücken-Skalare (Ernsts ganzer Stolz), ein schon etwas älterer Sturisoma cf. aureum und fünf Otocinclus cf. affinis, außerdem drei Paracheirodon axelrodi und ein Weibchen von Nannacara anomala; die ­Roten Neon und der Zwergbuntbarsch sind „Veteranen“, übriggeblieben vom vorigen Bestand.

Anders als bei den Pflanzen hält Ernst sich bei den Fischen auffallend zurück. „Weniger ist mehr“, meint er, womit er sicher Recht hat. „Dafür lieber hin und wieder wechseln.“
Nun ja, warum eigentlich nicht? Was soll man auch tun, wenn nur ein Aquarium zur Verfügung steht und es doch so viele schöne und interessante Fische gibt, die man selber gern einmal näher kennenlernen möchte?

Ach ja, Blaualgen sind in diesem Jahrtausend übrigens noch nicht aufgetreten.