Als „kulturhistorische Topografik“ sehe er seine „Methode“ der Aufarbeitung: „Literatur, Philosophie, Theologie, Archäologie, neuere Geschichte, Naturwissenschaft – fast alles steht ihr zur Verfügung.“ Dementsprechend breit sind Bilder und Fakten, Mythen und Geschichten angelegt und dargestellt, ein umfangreiches Quellenregister, eine fleißige Spurensuche in allen Dimensionen, nur spärlich schwarzweiß bebildert, Texte haben hier klar den Vorrang, die Illustration ähnelt dem Wasserstand bei Ebbe. Eine Lektüre für sommerliche Strandzeiten und das Philosophieren über den endlosen Rand von Festem zu Flüssigem ist es wahrlich nicht, zu tief und anspruchsvoll begibt sich Richter in einzelne Fachbereiche und Wissenschaftliches, eine niveauvolle Lektüre ist es, eine Fülle von Aspekten bietend. Manches mag da fehlen, Manches bleibt offen, ein „eurozentrisches Buch“. Dennoch sind Richters Exkurse lesenswert: Die „Geschichte des Badens“, „Das Meer und der Tod“ oder die Historie der Navigation. Die, die auf die See hinausfuhren, waren Entdecker, Fischer oder Flüchtende, aber „bald gibt es neben dem Flüchtenden einen anderen Typ des Zurseefahrers: den Verfolger, den Räuber, den Krieger ... eine unendliche Geschichte von Krieg und Raub und Plünderung“. Auch Frauenraub übrigens, wie die antike Literatur grausam belegt. Richter nimmt sich der Tiefseeforschung an, der Götterwelt in Poseidons Reich, der Seebäder, um schließlich auch eine ganz einfache Frage zu stellen: „Ist das Meer schön?“ Quellen aus Musik, Literatur, bildender Kunst, aus Mythologie und Überlieferungen versuchen, die Antwort darauf zu geben. „Das Meer ist die Landschaft, die wie keine andere zu Tagtraum und Regression einlädt und die verdrängte Wünsche weckt, wieder Kind sein zu dürfen, das mit Sand und Wasser spielt.“ Barbara Wegmann