Dabei greift er auch Darwins großes Rätsel oder Dilemma auf, denn zunächst standen die vor allem von Männchen gezeigten Merkmale wie das Pfauenrad oder das Hirschgeweih ganz im Gegensatz zur These der natürlichen Selektion und des „Survival of the Fittest“. Dieser Begriff bedeutet im Sinn der Darwinschen Evolutionstheorie das Überleben der am besten angepassten Individuen. Demgegenüber steht der ja nur scheinbare Widerspruch, dass die Männchen vieler Arten zugleich mit auffälligen Ornamenten den arteigenen Weibchen imponieren. Ein Pfauenhahn ist mit seinem Gefieder weder gut getarnt, noch taugt das bekannte Radschlagen, um sich vor den zahlreichen Fressfeinden zu verbergen. Somit passt der Untertitel des Buchs – „Darwins größtes Dilemma“ – ganz wunderbar, obschon Reichholf gleich zu Beginn zeigt, wie sich der scheinbare Widerspruch enträtseln lässt. Und Darwin selbst hat ja schließlich nicht nur über die natürliche, sondern später auch über die sexuelle Selektion geschrieben. Das Buch ist in drei Hauptteile gegliedert: „Die Sexuelle Selektion“, „Die Deutung der Schönheit“ und „Der Mensch und das Schöne“. Am Ende finden sich „Nachgedanken“ Reichholfs, die er gemeinsam mit Miki Sakamoto verfasst hat. Der wissbegierige Aquarianer, der dieses Buch liest, um mehr über Fische im Allgemeinen zu erfahren, wird nach der Lektüre eher enttäuscht sein, denn darüber findet er nicht viel. Dabei böte die Fischwelt durchaus einige Beispiele, die ebenfalls sehr gut geeignet wären, um über den Ursprung der Schönheit und seine Folgen zu berichten. Natürlich fallen mir hier die Guppys ein, deren Männchen in den Fließgewässern des nordöstlichen Südamerikas mit ihrer Farbenpracht und ihrem intensiven Balztanz einerseits ihre Weibchen umwerben, andererseits aber stets Gefahr laufen, von einem der zahlreichen Fressfeinde unter und über Wasser entdeckt und erbeutet zu werden. Guppys sind diesbezüglich in zahllosen Arbeiten sehr gut erforscht. Reichholf bietet seinen Lesern einige Erklärungen dazu an, etwa das Handicap- Prinzip, das Amotz Zahahvi erstmals vorgestellt hat, und genau das macht den allgemein- biologischen Wert dieses Werks aus. Kurzum: Als Aquarianer sollte ich es nur lesen, wenn ich ein vielfältiges Interesse an grundsätzlichen biologischen Zusammenhängen habe. Michael Kempkes