Und so begann er mit den Planungen fur eine Forschungs- und Sammelreise, die ihn zu dem lange unbekannt gebliebenen Kontinent bringen sollte. Finanzieren wollte er sein Vorhaben durch den Verkauf der gesammelten Organismen nach seiner Rückkehr nach England. Während Darwin noch mehr oder weniger zufällig Landaufenthalte für Beobachtungen nutzte, hatte Wallace schon bei der Abfahrt einen systematisch aufgebauten Forschungsplan im Kopf. Ende April 1848 verlies er zusammen mit Henry Bates Liverpool, Ende Mai erreichten die beiden die Mündung des Amazonas. Und hier beginnen Wallace’s Aufzeichnungen über seine Reisen den Amazonas entlang und den Rio Negro hinauf – bis zum Jahr 1852. Seine Notizen hätten eine triumphale Expedition beschreiben können, denn Wallace drang weiter in die Flüsse Amazoniens vor als alle weisen Reisenden vor ihm. Er sammelte Tausende von Exponaten und wäre ganz sicher reich geehrt worden, wenn er die Reise zu einem erfolgreichen Ende gebracht hätte. Aber auf der Rückfahrt mit der Brigg „Helen“ geriet mitten im Atlantik die Ladung in Brand, und mit dem Schiff ging Wallace’s gesamte Sammlung verloren. Er konnte lediglich seine Notizen, einige Zeichnungen und einen Papagei retten. Mit dem vorliegenden Band aus dem Galiani Verlag wird nun eine Übersetzung von Wallace’s Reisenotizen vorgelegt. Mit viel Liebe und Sorgfalt übertrug Matthias Glaubrecht, ein deutscher Zoologe und Publizist, der 2013 schon eine hervorragende Biografie von Alfred Russel Wallace vorgelegt hatte, den Text aus dem Original ins Deutsche. In 17 Kapiteln beschrieb Wallace seine Reise. Mit eher dürren Worten schilderte er seine Erlebnisse. Diese Notizenform wirkt aber umso nachdrücklicher, als sich dem Leser die Bedeutung der Beobachtungen erst mit ein wenig Verzögerung erschließt. So beschreibt Wallace den Verlust seiner Sammlung: „Ich ging zu der Kajute hinunter, in der jetzt eine unerträgliche Hitze und dichter Rauch waren, um nachzusehen, was noch der Rettung wert sei, nahm dann meine Uhr, einen kleinen zinnernen Kasten, in dem einige Hemden und ein paar alte Notizbucher waren, nebst einigen Zeichnungen von Pflanzen und Tieren und schleppte mich damit zum Deck hinauf. Das war der Moment, der die Zerstörung seiner Arbeit von vier Jahren bedeutete! In dieser nüchternen Art dokumentierte Wallace das Verhalten der Menschen, die er kennengelernt hatte, und listete die gesammelten Arten auf, darunter auch viele Fische, von deren Illustrationen einige in dem Buch zu finden sind. Die eigentliche Reisebeschreibung ergänzte Wallace um allgemeine Betrachtungen zur Biogeografie des Amazonas-Beckens, sozusagen der Beginn einer neuen Fachdisziplin. Diese Arbeiten sollte Wallace in seinem späteren Leben in Südostasien fortführen und – ganz nebenbei – parallel zu Charles Darwin die Grundprinzipien der Evolutionstheorie entwickeln. Doch das ist eine andere Geschichte … Wallace’s Bericht über seine Südamerika-Reise ist jedenfalls ein richtig schönes Lese- und Abenteuerbuch fur jeden naturbegeisterten Zeitgenossen. Ich wünsche ihm eine weite Verbreitung! Hans-Peter Ziemek