Bereits wenige Jahre nachdem Meyer und seine Co-Autoren ihr Buch vorgelegt hatten, waberten Gerüchte durch die Lebendgebärenden-Szene, dass M. K. Meyer „bald“ ein Nachfolgewerk veröffentlichen würde. Doch bis zum Erscheinen
der sehnsüchtig erwarteten Publikation vergingen dann doch drei Jahrzehnte.
Den in seiner Aufmachung stark an die erste ­Auflage erinnernden Band schrieb Meyer nicht nur ohne Mitautoren, sondern er veröffentlichte ihn auch in seinem eigenen Verlag.
In der heutigen Zeit ist
es für einen Autor sehr schwierig, einen Verleger für ein derart umfassendes und demzufolge nicht ganz billiges Projekt zu finden.
Nicht minder pro­ble­ma­tisch ist es für einen Verfasser, das richtige Datum für den Redaktionsschluss festzulegen. Immer wieder erscheinen bedeutende Arbeiten, die er gern mit einbe­ziehen möchte, doch irgendwann muss er sich entscheiden. Die Informationen, die Meyer in seinem Buch vorlegt, lassen erkennen, dass er den Zeitpunkt wohl überlegt hat. Viele wichtige Veröffentlichungen der jüngeren Vergangenheit sind berücksichtigt.
Nach Widmung, Dank­sagung und Vorwort stellt der Autor die verwendeten Abkürzungen und ihre Bedeutungen vor, um dann gleich „ans Eingemachte“ zu gehen.
Auf zwei Seiten gibt er ­einen Überblick über die ­Angehörigen der Familie Poeciliidae beziehungsweise der Unterfamilie Poecili­inae, bevor die einzelnen Porträts folgen, beginnend mit der Gattung Alfaro. Alle Genera mit ihren Spezies werden in alpha­betischer Reihenfolge abgearbeitet.
Sowohl für sämtliche Gattungen als auch für viele Arten sind Verbreitungskarten beigefügt. Beinahe alle Spezies werden – teils auch mehrfach – in guten bis sehr guten Fotos vorgestellt, dazu sind zahlreiche Habitate abgebildet.
Fotografien von Lebensräumen halte ich für sehr wichtig, damit Aquarianer, die noch nicht die Gelegenheit hatten, ihre Pfleglinge
in der Natur zu beobachten, zumindest ein Gefühl dafür bekommen, wie deren Heimatgewässer aussehen.
Die Darstellung der einzelnen Arten beginnt mit ausführlichen Informationen über die wissenschaft­liche Erstbeschreibung, zum Typusfundort sowie zu meristischen Daten. Es folgt eine Beschreibung des Phänotyps (oder der Phänotypen), bevor die Geschlechtsunterschiede dargestellt und die Verwandtschaftsbeziehungen erklärt werden.
Die Erläuterung der geografischen Verbreitung, die Schilderung von Fundorten und die Nennung der dort anzutreffenden Fisch- und Pflanzenarten ergeben ein rundes Bild des jeweiligen Vorkommens.
Schließlich geht der Autor auf Ernährung, Fortpflanzung und Aquarienhaltung ein, wobei er hier ebenfalls häufig auf weitere, ähnliche Arten verweist. So entsteht für jede Spezies ein ausführliches Porträt, das viele Informa­tionen bietet.
Selbstverständlich werden manche Arten ausführ­licher besprochen als an­dere, beispielsweise sind dem Zwergkärpfling (Heter­andria formosa) über zwei Seiten gewidmet, während etliche Spezies lediglich eine gute halbe Seite erhalten.
Dass besonders gut erforschte Fische, über die nun einmal mehr Informationen verfügbar sind und die obendrein aquaristisch bedeutsam sind, detaillierter behandelt werden, ist nur konsequent.
Teils finden sich hier jedoch recht unkritisch Sachverhalte aus dem Vorgängerband oder aus anderen Quellen übernommen, die nicht immer ganz korrekt sind, etwa die Längenangabe „zwei bis drei Millimeter“ für neuge­borene Zwergkärpflinge. Nach meinen Erfahrungen und zahlreichen Literaturstellen werden die Jungen mit durchschnittlichen Totallängen von sechs bis acht Millimetern geboren.
Doch derartige kleine Schwächen trüben den sehr guten Gesamteindruck des Werks nicht. Auch das Fehlen manches Kommas ist zu verschmerzen, zumal der Autor das Buch ja im Eigenverlag herausgebracht hat.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Meyer mit dem Nachfolgeband seines Standardwerks von 1985 ein großer Wurf gelungen
ist, auch weil das Buch ausschließlich Lebendgebärende Zahnkarpfen behandelt und nicht – wie sein Vor­gänger – weitere lebendgebärende Fische (Hochlandkärpflinge, Halbschnabelhechte, Vieraugenfische).
Nun darf man gespannt sein, ob weitere Bände folgen werden, zumal „Band 1“ ja suggeriert, dass damit zu rechnen ist.
„Lebendgebärende Zier­fische“ ist ein Standardwerk, das für jeden Poeci­liiden-Interessierten Pflichtlektüre sein sollte. Besser und umfassender kann er sich nicht über diese Fische informieren.
Möge das Buch eine weite Verbreitung finden und viele engagierte Aquarianer für Guppy & Co. begeistern, denn manche der vorgestellten Arten sind vom Aussterben bedroht und brauchen jede mögliche Unterstützung.Michael Kempkes