margin-right: 20px; margin-bottom: 10pxVon Thomas Sterba. Mit naturhistorischen Illustrationen aus vier Jahrhunderten. 660 Seiten, 609 Abbildungen, ­Hardcover. Basilisken-Presse, Natur + Text GmbH, Rangsdorf, 2018. ISBN 978-3-941365-57-5. 149 €
Das Buch ist als 18. Band in der Reihe „Acta Biohistorica, Schriften aus dem Museum und Forschungsarchiv für die Geschichte der Biologie“ erschienen.

Der österreichische Gelehrte Karl von Meidinger (1750–1820) hat neben seinen of­fiziellen Professionen als Regierungssekretär für Niederösterreich später als Rats­protokollist bei den k. k. Landrechten unter der Ens zu Wien auf verschie­denen naturwissenschaftlichen Gebieten geforscht und dar­über publiziert.
Unter mehr als 60 Bei­trägen vorwiegend praxisbezogenen physikalisch-chemisch-merkantilen und botanischen Inhalts befinden sich auch seine von 1785 bis 1794 auf eigene Kosten herausgegebenen „Icones Piscium Austriae“, in ­denen er auf 50 handkolorierten und in fünf Heften zusammengefassten Kupfertafeln in folio 42 Fischarten und einige ­Varietäten aus dem Einzug der Donau wiedergibt. Leider haben die geringe Auflagenhöhe, der hohe Verkaufspreis sowie der spärliche Text in Latein eine weite ­Verbreitung des inzwischen nahezu vergessenen Werks verhindert.
Thomas Sterba gebührt das Verdienst, die Icones ­Piscium Austriae des Karl von Meidinger wiederentdeckt zu haben, sie hinsichtlich ihrer Qualität zu rehabilitieren und in Form des hier vorgestellten Buchs einem breiten Publikum zu präsentieren. Dazu hätte es nicht einer so voluminösen Pub­likation bedurft, die im Geleitwort von R. Kinzelbach als Jahrhundertwerk gelobt wird. Aber der Autor hat ­Meidingers Fischdarstellungen in einen größeren Rahmen gestellt, was den Wert seiner tiefschürfenden Arbeit erheblich steigert.
Ausgehend von der Präsentation und Bewertung der Meidingerschen Fischdarstellungen zieht Sterba einen Vergleich mit der ­ähnlich aufwendig illus­trierten „Oeconomischen Naturgeschichte der Fische Deutschlands“ von Meidingers Zeitgenossen, dem Berliner Arzt und Ichthyologen Marcus Elieser Bloch (1723–1799). Sie ist in den Jahren 1782 bis 1784 als erster Teil seiner später um die Naturgeschichte der ausländischen Fische erweiterten ­Allgemeinen Naturgeschichte der Fische erschienen, mit der Bloch trotz mancher Fehler zu einem der wichtigsten Ichthyo­logen der frühen nach-Linnéschen Periode werden sollte.
Als drittes Anliegen veranschaulicht der Autor die historische Entwicklung von Illustrationen und Kenntnissen zu jenen Fischarten, die in Karl von Meidingers Tafelwerk abgebildet sind. Dazu dehnt er den Zeithorizont vom frühen 16. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts aus und bezieht Fischdarstellungen von über 80 weiteren Urhebern in seine kri­tische Bewertung ein, wobei er neben den zoologischen und den künstle­rischen Gesichtspunkten auch allgemeine Aspekte im Verhält­-nis zwischen Mensch und Fisch berücksichtigt.
Dem Hauptteil des Werks, Meidingers Fischtafeln im historischen Vergleich, werden eine Einführung, die Kapitel „Die ichthyologische Illustration“, „Das Phänomen Fisch und seine Systematik“, „Karl von Meidingers Lebensdaten“ sowie eine Anleitung zur Nutzung des Buchs vorangestellt. Das Abbildungs- und Literaturverzeichnis, zwei Artenregister in Deutsch und Latein sowie ein Personen­index sind im umfangreichen Anhang zu finden.
Dem Verlag Natur + Text GmbH (Rangsdorf) gebührt Anerkennung dafür, dass er die Verwirklichung eines derart umfangreichen Themas ermöglicht hat, opulent ausgestattet mit vielen Illus­trationen, die eine Augenweide für den Betrachter darstellen. Damit hat sich der Verlag für weitere, ähn­liche Projekte empfohlen.
Nach Sterbas Analyse hat von Meidinger in 32 von 50 Fällen weitaus bessere Abbildungen als Bloch von den jeweiligen Arten oder Varianten geliefert, neun weitere sind den Blochschen Abbildungen mehr oder weniger unterlegen, und in ebenfalls neun Fällen hat von Meidinger Blochsche Abbildungen kopiert, ohne in jedem Fall auf deren Herkunft zu verweisen. In der Tat wirken viele Darstellungen in den Icones Piscium Austriae durchaus lebensnäher, teilweise auch präziser als die seinerzeit hochgelobten von Bloch, wobei es dem Rezensenten aber nicht immer gelungen ist, den Argumenten des Autors zu folgen.
Für den hohen „Gebrauchswert“ des Buchs ist diese spezielle Fragestellung aber nicht entscheidend. Wichtiger ist die mit viel ­Detailkenntnis und Akribie zusammengetragene Fülle an Informationen, die sich dem Leser bei der Lektüre der Kapitel über die Entwicklung der Fischabbildungen, der ichthyologischen Systematik und vor allem bei den anschließenden ausgesprochen ausführlichen Besprechungen der abgehandelten Arten erschließt.
Wem nützt ein solches Buch? Die Antwort lautet: jedem, der ein etwas tiefer gehendes Interesse an den vielfältigen Beziehungen der Menschen zu den Fischen und an deren Identi­fikation aufbringt. Unabhängig davon, ob er als Ichthyologe, Fischereifachmann, Angler, Ökologe, Faunist, Naturschützer oder Wasserwirtschaftler speziell die mit­teleuropäische Süßwasserfischfauna im Blick hat, ob er als engagierter Aquaria­-ner über sein spezielles In­teressengebiet hinausschauen möchte oder ob er als ­Wissenschaftshistoriker die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Illustration oder der zoologischen Forschung am Beispiel der Fische verfolgen will.
Die Zahl potenzieller Zielgruppen lässt sich noch um Bildungseinrichtungen wie einschlägige Hochschulinstitute, Bibliotheken und naturwissenschaftliche Museen erweitern, denen der Erwerb des Buchs empfohlen sei, nicht zuletzt auch für jene Interessenten, die es sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht anschaffen können oder wollen.
Ein paar Fehlinterpreta­tionen sind aufgefallen, die sich in einem dermaßen umfangreichen Werk wohl nicht ganz vermeiden ließen: Auf Seite 49 erwähnt der Autor die spätere Überführung des Kaulbarsches aus der Gattung Perca in das Genus Gymnocephalus, dessen „Nominalform“ er repräsentiere.
Mit dem unpräzisen Begriff „Nominalform“ könnten entweder die offiziellen Begriffe „Nominatform“, „nominelle Art“ oder aber die Typusart gemeint sein. Die ist allerdings für die Gattung Gymnocephalus nach Festlegung durch Bleeker (1876) der Schrätzer (für den unter anderem die Gattung einst von Bloch geschaffen wurde) und nicht der Kaulbarsch.
Die auf Seite 95 im Kapitel über die Güster erwähnten Taxa Cyprinus Buggenhagii Bloch, Abramis Leuckartii Heckel und Abramis Heckelii Selys-Longchamps haben nichts mit der Güster zu tun, weil es sich jeweils um Bastarde von Plötze und Blei handelt, was, wie der Autor auch erwähnt, von Siebold (1863) als Erstem aufgefallen war und von Zarske in jüngerer Zeit erneut untersucht und be­gründet wurde.
Das auf den Seiten 315 und 316 nur als Synonym zur Plötze angeführte Taxon Leuciscus Heckelii Nordmann ist laut Kottelat & Freyhof (2007) sowie nach Fishbase als Rutilus heckelii eine gut abgrenzbare valide Spezies.
So weit ein paar kritische Anmerkungen, um neben der Würdigung einer wirklich großen schriftstellerischen Leistung auch dieser Rezensenten-Pflicht nachgekommen zu sein!
Hans-Joachim Paepke