margin-right: 20px; margin-bottom: 10pxVon Ferry Böhme und Thomas Brockhaus. 160 Seiten, 157 lackierte Abbildungen, gebunden, Format 24 x 28 cm. ­
Tecklenborg Verlag, Steinfurt, 2019. ISBN 978-3-944327-63-1. 28,50 €

Keine Frage, der Bildband bietet eine Fülle guter und sehr guter Fotografien – aber auch die eine oder andere weniger gelungene Aufnahme. Abbildungen fliegender Groß- und Kleinlibellen beispielsweise habe ich schon von anderen Naturfotografen und in besserer Qualität gesehen. Überhaupt gibt es mittlerweile ja eine ganze Reihe von Zeitgenossen, die mit ihrer Fotoausrüstung umzugehen verstehen und hervorragende Bilder von diesen (und anderen) Insekten zustande bringen. Die einschlägigen Bestimmungsbücher sind in dieser Hinsicht wahre Fundgruben.
Was also unterscheidet „Faszination Libellen“ von anderen odonatologischen Publikationen? Es handelt sich um einen Bildband, das Buch ist also kein Feldführer, kein Bestimmungswerk und erst recht keine Abhandlung über die Bio­logie dieser faszinierenden Tiere.
Dementsprechend knapp sind die insgesamt vier Ka­pitel, die der Titelei, dem ­Inhaltsverzeichnis, dem Vorwort des Fotografen und den beiden Grußworten (geliefert von Annette und Rüdiger Nehberg, deren Organisation „Target“ der Tierarzt und ­Naturfotograf Ferry Böhme „mit Erlösen aus seinen Bildern unterstützt“, sowie von Gerhard Haszprunar, Direktor der Zoologischen Staatssammlung München) folgen und dem Impressum und den Dankesworten voraus­gehen.
Verfasst sind die Texte von dem Odonata-Experten Thomas Brockhaus und überschrieben mit: „Magie der Farben. Von monochrom bis kunterbunt“, „Leben in zwei Welten. Aus dem Wasser in die Luft“, „Die Welt der Superlative. Fliegen und Jagen“ und „Juwelen im Licht. Libellen im Habitat“. Sie umfassen jeweils eine (!) Seite. Dass sich auf derart beschränktem Raum keine tiefgründigen Erkenntnisse über die Farben, die Fortpflanzung, das Jagdverhalten, die Ökologie oder die Bedrohung der Libellen unterbringen lassen, versteht sich von selbst.
Aber auch die Bild­legenden vermitteln keine sonderlich handfesten Informationen, ein Beispiel: „Die Feuerlibelle zählt zu den farb­intensivsten hei­mischen Großlibellen. Ihr durchgehend kräftiges Rot leuchtet schon von Weitem – fast wie die Mohnblüte als Kontrast bei einem eher unscheinbaren Heidelibellenweibchen“ (Seite 33). Dass Crocothemis erythraea ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammt und sich seit einigen Jahren als Klimawandelbote immer weiter nach Norden ausbreitet, erfährt der Leser hier nicht.
Aber welchen Leser spricht dieses Buch überhaupt an? Dem fachkundigen Libellenforscher, ob Amateur oder Wissenschaftler, bietet es eigentlich nichts (er weiß ohnehin, was es mit der Feuer­libelle auf sich hat). Der interessierte Naturfotograf erfährt nichts über Ausrüstung und Aufnahmetechnik des Bildautors. Der engagierte Naturschützer findet ebenfalls keine substanzi­ellen Hinweise, die ihm für seine Arbeit nützlich sein könnten. Man möge mir verzeihen, aber ich kann mich des Eindrucks nicht ­erwehren, dass die kurzen Kapitel eine Art Alibifunktion haben. Ein Buch ganz ohne Worte, das geht nun einmal nicht …
Viele Bilder sind großformatig, manche füllen eine ganze Doppelseite, dar­unter wirklich eindrucksvolle Detailaufnahmen – „der Frontalanblick dieser Westlichen Keiljungfer mit Tautropfen“ (Seiten 92/93) gefällt mir besonders gut! Aber: Libellen im Morgentau scheinen zu den Lieblingsmotiven des Autors zu gehören. Ich habe sie nicht gezählt, doch gibt es auffallend viele in dem Buch, und dieses Überan­gebot schmälert zuweilen den Reiz des einen oder des anderen Einzelfotos. Weniger wäre hier mehr gewesen, jedenfalls für meinen Geschmack.
Auch die Aufnahmen von schlüpfenden Imagines sind sehenswert wie viele weitere Bilder. Auf manche Motive jedoch, auf einige der – durchaus stimmungsvollen – doppelseitigen Gewässer- und Landschaftsaufnahmen etwa, hätte man meines Erachtens auch verzichten können.
Ja, sicher, das Buch ist ein Bildband – mehr aber auch nicht. Man blättert es ein-, zweimal durch und stellt es wieder ins Regal. Schade eigentlich.
Rainer Stawikowski