margin-right: 20px; margin-bottom: 10pxVon Matteo Elio Siesa. 240 Seiten, rund 735 Fotos und 260 Zeichnungen, Karten und Tabellen. Flexobroschur.
Haupt Verlag, Bern, 2019. ISBN 978-3-258-08097-0. 38 €

Das Angebot an odonatolo­gischer Bestimmungsliteratur auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene ist heute so umfangreich wie nie zuvor. Dennoch gibt es Gebiete, die unzureichend erforscht sind, auch in Europa. Dazu zählen beispielsweise bestimmte Regionen der Alpen, die aufgrund ihrer Höhenlage und ungüns­tiger oder wechselnder Witterungsverhältnisse schwer zugänglich sind.
Jean-P. Boudot (IUCN Dragonfly Specialist Group) schreibt im Vorwort: „Wir glauben, dass [das Buch] die Odonatologie in hohen Berglagen ermutigen und fördern wird. Es besteht … Bedarf an Informationen über diese Regionen und an ­Überwachung aufgrund der wachsenden Umweltbedrohungen, die insbesondere durch den Druck des Tourismus und den Klimawandel verursacht werden.“
Bevor der Autor des ursprünglich auf Italienisch erschienenen Werks (Blu Edizioni, Turin, 2017) nach der Danksagung und einer knappen Beschreibung der Alpen und ihres Klimas auf die einzelnen Arten eingeht, gibt er eine kurze, allgemeine Darstellung der Libellen, wie in solchen Veröffentlichungen üblich.
Ausgehend vom Ursprung und von den Vor­fahren der heute lebenden Arten gelangt Siesa über die Systematik und Vielfalt der Libellen zu ihrem „biologischen Zyklus“ und schildert den Körperbau der Imagines, die Eiablage, die Entwicklung der Larven und die ­Ex­uvien. Eingestreute Info-Kästen behandeln Themen wie „Paarung und Eiablage“ oder „Prädator und Beute“.
Dann wird es konkreter. Das Kapitel „Die Habitate im Alpenraum“ stellt die ­verschiedenen Typen der Fortpflanzungshabitate vor (Quellen und Fließgewässer, Teiche und temporäre Tümpel, Seen, Sümpfe und Moore), in „Libellen und große Höhen“ erfährt der Leser Interessantes über die Auswirkungen zunehmender Höhe auf diese Insekten, und „Erhaltung“ fasst wichtige Fakten über Bedrohung (mit Infokästen über Klimawandel und Libellenschutz), Gesetze und Rote Listen zusammen.
Praktisch wird es auf den folgenden Seiten, denn hier geht es um das Beobachten und Erforschen sowohl der Imagines als auch der Larven. Sinn und Zweck wis­senschaftlicher Sammlungen werden ebenso kurz erläutert wie nützliche Ratschläge zur Libellenfotografie ausführlich erteilt. Mehr noch: Eine ganzseitige Liste „Ausrüstung und Kleidung“ führt minutiös auf, was der Libellenforscher auf seinem Ausflug ins Gebirge unbedingt bei sich haben sollte.
Spezialisten für die einzelnen Gebiete stellen unter der Überschrift „Regionale Einzelheiten“ die Libellen der italienischen, französischen, Schweizer, bayrischen, österreichischen und slowenischen Alpen vor.
Nach dem „Schlüssel zur Bestimmung von Unterordnungen und Familien“ beschließt eine „Einführung in die Beschreibung der Libellenarten“ den allgemeinen Teil des Buchs. Sie erklärt dem Leser, was er in den ­einzelnen Porträts alles findet, nämlich: Auf der linken Seite eine Verbreitungskarte der Art im Alpenraum; den wissenschaftlichen Namen; die systematische Zuordnung; die deutsche, englische, französische, italienische und slowenische Bezeichnung; die Länge von Imago und Nymphe in Millimetern sowie anatomische Details (Zeichnungen); einen Flugzeitenkalender, ein Höhendiagramm und ein Habitatfoto; Hinweise zum Chorotypen (Verbreitung weltweit) sowie zu ähnlichen und syntopen Arten; der Text liefert Daten zu Aus­breitung, eine Kurzbeschreibung der Imago, besondere Aspekte zu Verhalten, Bio­logie und Erhaltungsstatus. Die rechte Seite ist Fotos mit entsprechenden Legenden vorbehalten; sie zeigen beide Geschlechter (dorsal und lateral), außerdem Details wie Paarung, Eiablage oder Larve.
In der üblichen Reihenfolge sind dann alle 89 in den Alpen nachgewiesenen Arten dargestellt, zuerst die Kleinlibellen (Zygoptera; vier Familien mit 34 Spezies), dann die Großlibellen (Anisoptera; fünf beziehungsweise sechs Familien – der Flussfalke [Oxygastra curtisii] wird hier als „Incertae sedis“ und nicht als Falkenlibelle [Corduliidae] geführt – mit 55 Taxa).
Ein Glossar, ein umfangreiches Literatur- und Homepage-Verzeichnis, ein Register der wissenschaftlichen und deutschen Artnamen und der Bildnachweis schließen sich an.
Das Buch ist „ein um­fassender und detaillierter Bestimmungsführer – nicht nur für bereits erfahrene ­Li­bellen­freunde, sondern auch für Wanderer und Bergsteiger, die sich mit ­diesen farbenprächtigen Insekten des Lebensraums Alpen und ihrer Ökologie vertraut machen wollen“, so der Verlag. Das trifft es!
Rainer Stawikowski