margin-right: 20px; margin-bottom: 10pxVon Atlant Bieri. 240 Seiten, Klappenbroschur. Orell Füssli Verlag, Zürich, 2018. ISBN 978-3-280-05680-6. 20 €

Im Prolog beschreibt der Autor, welche Pflanzen im Garten seiner Eltern standen: Götterbaum (Ailanthus altissima), Robinie (Robinia pseudoacacia), Drüsiges Spring­kraut (Impatiens glandulifera), Riesenbärenklau (Hera­cleum mantegazzianum) und Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus).
Das war vor 30 Jahren. Damals wurde das bewundert, und im Kirschlorbeer konnte man sich gut verstecken. Diese Pflanzen sind ­invasive Arten, die von an­deren Kontinenten eingeschleppt wurden und heimische verdrängen.
Das erste Kapitel führt den Leser an das Thema heran. Zu den invasiven Arten gehören neben Tieren und Pflanzen auch Pilze und Krankheitserreger. Die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus gilt als „Stich-Datum“: Als Neobiota (gebietsfremde Arten) bezeichnet man Tier- und Pflanzenarten, aber auch ­Pilze und Krankheitserreger, die seit dem Jahr 1492, etwa durch den verstärkten Gü­teraustausch, weltweit verbreitet werden. Begriffe wie „heimische“, „exotische“ und „invasive Arten“ sind auf einer Seite kurz und knapp erklärt.
Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Aufbau von Ökosystemen. In einem Gespräch mit Dennis Hansen (Zoologisches Museum der Universität Zürich) werden die grundlegenden Regeln erläutert: 1. Geben und Nehmen. 2. Anpassung. 3. Niemand ist Superman. 4. Jeder hat einen Feind. 5. Spezialisierung.
Das dritte Kapitel dreht sich um Tiere, Pflanzen, Pilze und Krankheiten, die Seefahrer in ferne Länder gebracht haben. Katzen, Ziegen, Schweine, Ratten und Mäuse sind bekannte Beispiele. Sie fanden in ihrer neuen Heimat keine Feinde, vermehrten sich und dezimierten die dort ­lebenden Arten.
Im vierten Kapitel erfährt der Leser, wie gefährlich eingeschleppte Pflanzen in ihrer neuen Umgebung sein können. Eukalyptus (Eucalyptus spp.) etwa brennt aufgrund seines Öls sehr gut, sodass gewaltige Waldbrände entstehen können – wie 2017 in Portugal.
Das fünfte Kapitel beschreibt Bedrohungen für Seen und Flüsse. Großer Höckerflohkrebs (Dikerogrammus villosus), Wandermuschel (Dreissena polymorpha) und Schwarzmaulgrundel (Neogobius melanostomus) sind Beispiele für Arten, die im Ballastwasser von Schiffen nach Westeuropa gelangten.
Im sechsten Kapitel geht der Autor auf Gefahren für die Meere ein. Auch hier ist es das Ballastwasser, das etwa den Nordpazifischen Seestern (Asterias amurensis) nach Südaustralien, ­Tasmanien und Neuseeland brachte, wo dieser Stachelhäuter aufgrund fehlender Feinde die autochthone Artenvielfalt bedroht.
Das siebte Kapitel schildert Medien, mit deren Hilfe invasive Arten reisen können. Gemüse, Früchte, Jungpflanzen, Schuhsohlen oder das Holz von Paletten ge­hören dazu.
Schäden in der Landwirtschaft, die eingeschleppte Pilzkrankheiten und Insekten wie die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) aus ­Asien verursachen, sind das Thema des achten Kapitels.
Um Auswirkungen auf Gebäude geht es im neunten Ka­pitel. So untergruben Nu­trias oder Biberratten (Myocastor coypus) in der Schweiz einen 450 Kilometer langen Kanal und richteten Schäden in Höhe von acht Millionen Franken an.
Waschbären (Procyon lotor) klettern in Häuser und zernagen alles, was ihnen zwischen die Zähne gerät. Auch invasive Insekten sind in der Lage, Immobilien nachhaltig zu beschädigen.
Mit der Gesundheit des Menschen befasst sich der Autor im zehnten Kapitel. Als Masern und Pocken in die Neue Welt eingeschleppt wurden, verfügte die dortige Bevölkerung über keine Abwehrkräfte. Und tropische Mückenarten übertragen Viren, die in Europa schwere Krankheiten auslösen.
Um die besonderen Lebensgemeinschaften auf Inseln geht es im elften Kapitel. Fehlen Feinde, die sich gegen Katzen, Ratten oder Mäuse zur Wehr setzen können, bedeutet das oft das Ende der dort vorkommenden endemischen Arten.
Das zwölfte Kapitel beschreibt, wie man gegen invasive Arten vorgehen kann und sollte: vorbeugen, damit sie gar nicht erst einwandern können; vollständig entfernen, sofern noch machbar; eindämmen, damit sie sich nicht weiter ausbreiten; Maßnahmen zur Anpassung treffen, um ein Nebeneinander mit heimischen Arten zu ermöglichen (was aber nur mit viel Mühe und hohen Kosten gelingt).
Um Kosten, die invasive Arten in den letzten Jahren weltweit verursacht haben, geht es im 13. Kapitel.
Das 14. Kapitel nennt ­Beispiele für typische Pro-und-Kontra-Situationen: Biberratten werden mancherorts von Menschen gefüttert, was die Tiere zutraulich macht und ihre Bekämpfung erschwert. Das Gleiche gilt
in Köln für die Halsbandsit­tiche (Psittacula krameri), deren Geschrei und Kot einfach nur stören. Der Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii) zieht viele Bienen und Falter an, verdrängt aber heimische Pflanzenarten.
Im 15. Kapitel erfährt der Leser, wie einfach es ist, an Tier- und Pflanzenarten zu kommen, die nicht in unsere Natur gehören. Seit 2014 gibt es zwar die „Unionsliste“ (siehe DATZ 10/2017 und 1/2019), aber Händler durften die dort aufgeführten Tierarten noch ein ganzes Jahr lang weiter verkaufen.
Kapitel 16 erläutert inva­sive Exporte. So führten die Briten etwa den Rotfuchs (Vulpes vulpes) für ihre tra­ditionelle Fuchsjagd in Aus­tralien ein, wo er der autochthonen Tierwelt großen Schaden zufügte.
Auch das 17. Kapitel bringt Beispiele für die gezielte Einfuhr von Arten in fremde Länder. So ist die Aga-Kröte (Rhinella marina) eine effiziente Insektenver­tilgerin und wurde deshalb 1935 nach Queensland verbracht. Zwar fraß sie dort, was sie fressen sollte, aber ihre starken Hautgifte töteten Tiere, die wiederum sie erbeutet hatten.
Allerdings gibt es mit­unter Arten, die sich an Neuankömmlinge anpassen und sie sogar zu nutzen lernen, wie der Leser in Kapitel 18 erfährt. So fanden die Krähen in Queensland heraus, wie sie an die genießbaren Teile der Aga-Kröte gelangen, um sie zu fressen. Solche Anpassungsprozesse verlaufen jedoch sehr langsam.
Dass sich ursprüngliche Schädlinge im Lauf der Zeit auch zu Nützlingen entwickeln können, zeigt das 19. ­Kapitel. Die Robinie ist mit Klee und Erbse ­(Familie der Hülsenfrüchtler, Fabaceae) verwandt. Ihre Wurzeln produzieren Dünger für andere Pflanzen, sodass man sie auf Böden ansiedeln kann, die keine Nährstoffe enthalten.
Das 20. Kapitel weist Wege in die Zukunft. Immer mehr Arten wandern rund um den Globus, folgen Touristenströmen und Warenverkehr. Daraus ergibt sich die wichtige Aufgabe, ge­nauer hinzusehen, um zu ­erkennen, was in importiertem Holz versteckt sein könnte oder ob eingeführte Jungpflanzen wirklich frei von tierischen „Passagieren“ sind.
Atlant Bieri hat zu den behandelten Themen zahlreiche Gespräche geführt, Literatur- und Referenzverzeichnis zeigen es. Der Leser findet sehr ausführliche und gut verständliche Darstellungen der teils komplexen Sachverhalte. Das Buch hat mir viele neue Informationen zu invasiven Arten ge­geben, ich gönne ihm und seinem Verfasser ein lebhaftes Feedback.
Das Einzige, was ich mir noch gewünscht hätte, wäre ein Stichwortverzeichnis gewesen, um schnell und gezielt zu den einzelnen Aspekten des Themas zu finden.

Elfriede Ehlers