Hanlon, Roger, Mike Vecchione & Louise Allcock (2019): Octopus & Co. Die faszinierende Welt der Tintenfische, Kraken und Kalmare. – Delius Klasing, Bielefeld, 224 Seiten, 254 Abbildungen, gebunden; ISBN 978-3-667-11577-5; 29,90 €
Fertig zum Abtauchen? Schon mit seiner Aufmachung ist das Buch eine Einladung zu einer Reise in die Meerestiefen, ein Versprechen der Begegnung mit Lebewesen, die zu den spannendsten und überraschendsten Meeresbewohnern gehören.
„Diese Tiere lassen einen nicht mehr los“, so prophezeit das Buch, nicht ohne Grund: Fantastische Unterwasser-Aufnahmen der Kopffüßer begeistern spontan und entführen in eine Welt, die zunächst irreal erscheint. Ästhetische Wesen, farbig, mit Saugnäpfen, die wie Zierleisten aussehen, Wesen, deren acht bis zehn Arme direkt dem Kopf entspringen und die geschmeidig und in weichen Bewegungen in den Tiefen zu schweben scheinen – hier werden Bilder fast lebendig.
Und manchmal muss man sich fragen: Ist es tatsächlich ein Foto oder vielleicht doch ein Gemälde? Kann ein Tier, das in rund 1.000 m Tiefe lebt, wie der Vampir-Tintenfisch mit seinen großen Augen, so bezaubern? Der „einzige Überlebende einer Tiergruppe, die im Jura und in der Kreide eine große Vielfalt erreichte“ ist er, Leuchtorgane besitzt er, die vermutlich der Kommunikation dienen, und Wolken aus Leuchtpartikeln kann er ausstoßen. Was immer es sei, so schreiben die Autoren, Wachstum, Fähigkeiten, Gehirn, Lebensweise und Herkunft, diese wirbellosen Lebewesen von klein bis riesig, von kurz bis meterlang, sie „sind gänzlich anders als alle anderen Tierklassen“ und sie leben „in allen Meeren der Erde von der Arktis bis zur Antarktis.“ Neugierig geworden?
Es können Riesen sein, wie der Riesenkalmar, dessen Mantel schon 2 m Länge aufweist. Mit komplett ausgestreckten Tentakeln kann er es bei 900 kg Gewicht auf bis zu gut 12 m Länge bringen, spektakulär! Aber es gibt auch die Kleinen, den Sternsaugnapf-Zwergkraken beispielsweise mit insgesamt 5 cm Länge. Viele, viele Vertreter dieser Tiere werden mit Steckbrief und Fotografien porträtiert. Die variantenreiche Geschichte der Kopffüßer, sie reicht Millionen von Jahren zurück in der Evolutionsgeschichte.
Womit diese Tiere, abgesehen von ihrer Farbigkeit und der Eleganz ihrer Bewegungen, am stärksten faszinieren, das ist ihr großes Gehirn mit Millionen winziger Nervenzellen. Ihre besonderen Fähigkeiten, das schnelle Lernen, die Orientierung, das Begutachten von Feinden, Nahrung und Partner, ihr räumliches Gedächtnis, all das macht sie zu den „intelligentesten Wirbellosen“ und zu „Weltmeistern der Tarnung“, sogar bei der Paarung. Hier leisten die Tiere Bemerkenswertes: „Ein Männchen kann zum Gegner hin ein abwehrendes silbriges Muster zeigen und gleichzeitig auf der anderen Körperseite zum Weibchen hin die braune Balzfärbung.“
Spannend wird es in dem Kapitel, das sich der Intelligenz dieser Organismen widmet. „Kopffüßer zeigen viele Fähigkeiten, die wir bei Vögeln, Nagetieren oder Hunden mit Cleverness oder Intelligenz gleichsetzen.“ Aktuell, so die Autoren des umfassenden Buchs, sei erneut ein großes Interesse an Lernfähigkeiten und Gedächtnis von Kopffüßern aufgeflammt. Letztlich ist es ja nicht nur die Erforschung, die DNA-Erkundung von Octopus & Co, sondern es ist menschliche Neugier für neue Technologien, die man sich bei den geheimnisvollen Meeresbewohnern abschauen möchte: „Es werden sogar Roboter mit flexiblen Armen entwickelt, die auf der Struktur von Krakenarmen basieren.“
Es ist Zeit, mit dem nicht immer vorteilhaften Image der Kopffüßer aufzuräumen, denn spannender als Herkunft, Leben, Verhalten und Forschung rund um Tintenfische, Kraken und Kalmare könnte kein Krimi sein. Das zeigt das rundum informative und auch sehr sinnlich geschriebene Buch perfekt.
Barbara Wegmann