margin-right: 20px; margin-bottom: 10pxSchäfer, Frank (2019): 150 Jahre Paradiesfische. Bookazine Nr. 7. – Aqualog animalbook, Rodgau, 168 S., Softcover; ISBN 978-3-939759-41-6; ISSN 1430 – 9610; 14,90 € (D), 15,40 € (A)

Das halbjährlich erscheinende Bookazine, eine Zeitschrift mit Buchcharakter (oder besser: ein Buch mit Zeitschriftencharakter?) ist um eine bemerkenswerte Ausgabe reicher. Frank Schäfer widmet sich im Hauptartikel des richtig prall gefüllten und umfangreichen Werkes den asiatischen Paradiesfischen. Insgesamt vier äußerst lesenswerte Artikel haben es in diese Ausgabe geschafft, der Beitrag über Macropodus nimmt den weitaus größten Teil ein (100 Seiten!), drei weitere Artikel sind den Aspekten Fischfang, Terraristik und Teich gewidmet (siehe unten), nebst einem Magazinteil auf den ersten Heftseiten.
Makropoden sind in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: Sie faszinieren Anfänger wie Fortgeschrittene, die sich dann der Erhaltung von Populationen mit bekanntem Fundort widmen (dies gelingt nicht immer mit allen eingeführten Lokalformen). Die Gattung ist zwar relativ artenarm, aber dennoch vielgestaltig, man findet in ihr Fische für das typische Aquarium wie auch für den Kübel oder den Teich im Freien.
Der Titel sagt es – anderthalb Jahrhunderte sind Makropoden nun hinter Glas vertreten. Frank Schäfer nutzt dieses Jubiläum am Anfang für die Erläuterungen, dass keine andere Zierfischart einen dermaßen großen Einfluss auf die Entstehung und Etablierung der Aquaristik hatte, wie sie heute noch geläufig ist.
Und dann geht es gleich zur Sache mit der Makropoden-Historie: Aus der ganz frühen Literatur, die sich mit dieser Gattung beschäftigt, wird ersichtlich, dass die anfangs eingeführten Exemplare (zuerst geschah dies nach Frankreich) in verschiedenen Merkmalen deutlich von den heute uns so bekannten Macropodus opercularis abwichen und darum wohl einer anderen Art angehörten.
Die aktuell der Aquaristik weltweit anzutreffenden rotblauen Makropoden mit Gabelschwanz wiederum sind offensichtlich korrekt als M. opercularis im Sinne von Linné, 1758 anzusprechen. Auch die weiteren Ausführungen zur Taxonomie der Gattung lesen sich sehr spannend. Es gelingt Frank Schäfer, die Makropoden-Literatur, Abbildungen aus wissenschaftlichen Werken wie auch aquaristischen Publikationen, Beobachtungen im Aquarium, die damaligen kolonialen und politischen Verhältnisse und weitere überlieferte Infos in einen Kontext zu setzen und so ein Bild der Makropoden-Taxonomie zu entwerfen, das hochinteressant ist: Einige synonymisierte Arten können als valide Taxa gelten, andere sind (aufgrund mangelhafter Beschreibungen) nicht haltbar, und offensichtlich gibt es weitere Taxa, die sich gut abgrenzen lassen, aber noch unbeschrieben sind. In akribischer (und teilweise detektivisch anmutender) Arbeit gibt der Autor einen Überblick über die Gattung, der meines Wissens bisher in dieser Form fehlte – die Sammlung von historischen Abbildungen wie auch von in den letzten Jahrzehnten eingeführten Tieren ist ein wichtiger Teil davon.
Vieles ist immer noch ungeklärt, dazu tragen nicht nur fragwürdige Neubeschreibungen bei, auch fehlende Fundortangaben und (aus politischen Gründen) zurückgehaltene Informationen der ganz frühen Züchter haben ein verworrenes Bild geschaffen, in das der Autor nun Licht bringt. Und man muss es noch einmal herausstellen: Bei Arten, deren Beschreibungen auf sehr einfachen Angaben mit wenig verwertbare Informationen beruhen, kann die Färbung adulter Tiere in Kombination mit bekannten Fundortangaben durchaus dazu beitragen, eine phänotypische Unterscheidung zu ermöglichen und damit Wegbereiter sowie Hilfestellung für weitere Untersuchungen sein. Das geht aber nicht mit Alkoholleichen, sondern in der aquaristischen Praxis, und das vorliegende Buch bezeugt dies anschaulich.
Auch die Ökologie mancher Arten birgt noch die eine oder andere Überraschung, aus der man essenzielle Hinweise für die Aquarienhaltung ableiten kann, wie am Beispiel der Arten M. hongkongensis und M. erythropterus besonders anschaulich wird. Bedeutsam erscheint der Umgang mit der nicht nur zwischen-, sondern auch innerartlich teilweise sehr unterschiedlichen ausgeprägten Aggressivität. Der Autor zeigt, dass dies auch auf die Haltungsform Auswirkungen hat (bzw. haben sollte), speziell auf die Vergesellschaftung mit Artgenossen und fremden Arten – oder auch das Abstandnehmen davon. Die entsprechenden Textabschnitte seien deshalb besonders jedem empfohlen, der sich Makropoden anschaffen möchte, aber bisher keine Praxiserfahrung hat.
Dasselbe gilt für die Hinweise zur Vermehrung – hier steht wirklich nichts Überflüssiges, sondern es wird prägnant auf die erfolgversprechenden Maßnahmen hingewiesen, wie die Auswahl erprobter Futtermittel, die Änderung der abiotischen Faktoren und die minimale technische Ausstattung. Und der Hinweis, lieber nur wenige, dafür aber gut ernährte und gewachsene Jungtiere aufzuziehen, wird viel zu oft vernachlässigt (in der Praxis wie in der Literatur), ist aber absolut zeitgemäß – das gilt ja nicht nur für Makropoden, sondern auch für diverse Arten aus ganz anderen Familien.
Die Fülle an Informationen, an die sicherlich nicht jedermann einfach so gelangt, zeigt u. a. die akribische (und sicher zeitaufwendige) Recherche, die für die umfangreiche Bearbeitung des Themas geleistet wurde. Nützlich ist auch die angehängte Liste mit zitierter Literatur, die 50 Arbeiten umfasst. Wer sich vielleicht im Rahmen eines populärwissenschaftlichen Beitrages selber einmal mit der Auswertung (d. h. nicht nur dem Lesen des „abstract“) von, sagen wir, „nur“ zehn wissenschaftlichen Publikationen beschäftigt hat, der kann sich grob vorstellen, welche Arbeit dahintersteckt.
Besonders gut gefallen hat mir überdies noch die Zusammenfassung, die ganz am Ende direkt nach der Literatur in deutscher wie auch in englischer Sprache steht und einen sehr klaren, kurzen Überblick über den taxonomische Teil des Artikels gibt. Bei der Menge an Informationen erscheint das durchaus relevant und sinnvoll.
Nicht unerwähnt bleiben sollen aber auch noch die anderen Beiträge: zum einen eine fischkundliche Exkursion nach Bolivien mit vielen Abbildungen seltener Panzerwelse und wirklich schöner Ancistrus. Zum anderen ein terraristischer Teil, der die Gottesanbeterinnen behandelt, inklusive einer reichen Auswahl an Bildern auch seltener Arten. Abgeschlossen wird das Bookazine 7 mit einem knapp gehaltenen Beitrag über die Haltung des Russischen Störs. Bleibt nur ein Fazit: von vorne bis hinten lesenswert, hält sich aufgrund des Formates gut in der Hand (wichtig beim Lesen), und der Hauptbeitrag sucht bezüglich Umfang und Inhalt natürlich seinesgleichen. Ich halte es für äußerst empfehlenswert!
Sebastian Wolf