margin-right: 20px; margin-bottom: 10pxLange, Jürgen & Meuser, Natascha (Hrsg.) (2022): Aquarienbauten. Handbuch und Planungshilfe. – DOM Publishers, Berlin, 464 S., 900 Abbildungen; Hardcover mit Gummiband; ISBN: 978-3-86922-812-9; 128,00 € 

Kennen Sie Alkoholarien? Derartige Aquarien enthielten anstelle von Wasser klaren Hochprozentigen, worin konservierte Meeresorganismen mit Substrat und Algen ausgestellt waren. Ein „Schnapsleichen“-Becken sozusagen. Der Griff zum Alkohol hatte pragmatische Gründe: Die Unterwasserwelt, die damals schwer zu beschaffen und am Leben zu erhalten war, konnte so dennoch einem Publikum vorgestellt werden. Seither haben sich die Ansprüche drastisch gewandelt, heute wollen große Aquarien durch eine einzigartige Architektur, Gestaltung und Kontextualisierung herausstechen. 
Modernen und historischen Schauanlagen haben die Herausgeber Lange (ehemals Direktor des Zoos Berlin und des Berliner Aquariums) und Meusser (Architektin, Hochschuldozentin und Verlegerin) ein umfassendes Buch gewidmet. Und eine unglaubliche Menge an Information geliefert: Der erste Buchteil („Theorie, Geschichte und Typologie von Aquarienbauten“) behandelt die Entwicklung der Schauaquaristik, einen Einblick in didaktische Konzepte und Grundlegendes zu den Möglichkeiten der Präsentation sowie der Planung des Spezialfalls Aquarien-Architektur. Der zweite, deutlich längere Teil („Bauten und Projekte“) stellt 60 historische und moderne Aquarienanlagen mittels Text, Luftbildern, Aquarienaufnahmen, Lageplänen, Grundrissen und weiteren Illustrationen vor. Dabei wird einer chronologischen Einordnung gefolgt – den Anfang macht das Fish House (London, 1853), am Ende steht das AQUATIS (Lausanne, 2017). Für waschechte Fischler ist das Faszination pur.
Man kommt als „Normal-Aquarianer“ beim Lesen zudem nicht umhin, zu bemerken, wie sehr sich die eigene Anlage von den modernen, im Buch vorgestellten Einrichtungen unterscheidet, und zwar nicht nur hinsichtlich der Beckengrößen. Wir Aquarianer betreiben zu Hause seit eh und je meist ein „Konzept“, das früher bei Schauaquarien ebenfalls üblich war, in diesen seit Langem aber als völlig veraltet gilt: nämlich eine bloße Aufstellung mehrerer Becken gleicher oder ähnlicher Abmessungen neben- oder übereinander (Meuser nennt dies „Systematisierung von Unterwasserwelten“). Es klaffen Welten zwischen der Heim- und der Schauaquaristik, aber vielleicht sehen wir uns deswegen auch so gerne öffentliche Einrichtungen an. Lange & Meuser schließen eine Lücke im Buchmarkt: das, was bei der Planung und Umsetzung von Aquarienbauten üblicherweise der Allgemeinheit vorenthalten bleibt, wird nun einmal umfassend und auf dem neuesten Stand der Dinge vorgestellt.
Das Ausnahmewerk ist darum auch für passionierte Aquarianer interessant, die sich über die eigenen vier (Glas-)Wände hinaus von ansprechenden Schauaquarien begeistern lassen, die der Blick hinter die Kulissen interessiert und die mehr über den historische Kontext der Aquaristik und deren öffentlicher Darstellung wissen möchten. Das Cover mag dezent wirken, der Inhalt sucht seinesgleichen. Die Gestaltung ist äußerst ansprechend, die Sprache geschliffen, die Abbildungen sind makellos schön. Meines Erachtens das Buch des Jahres. Vermerken Sie es vielleicht schon einmal auf Ihrer Weihnachts-Wunschliste.
Sebastian Wolf