Was plakativ und reißerisch klingt, bringt die Thematik schnell auf den Punkt: Nur „auf magere drei Prozent der Tiefsee“ habe man, so Ochsenbauer, bis jetzt einen Blick geworfen. Nicht gerade üppig, wenn man bedenkt, was es in unseren Ozeanen an verborgener Tier- und Pflanzenwelt gibt, an Evolutionsgeheimnissen, Rohstoffen, versunkenen Schätzen und unentdeckten Formationen. Noch wichtiger: die Weltmeere und ihre geradezu elementaren Auswirkungen für Klima und Fortbestand der Erde – unentdeckte Welten also, und das bis in unvorstellbare Tiefen.

Leo Ochsenbauer ist ein kluger Erzähler. Als Herausgeber eines Wassersportmagazins und leidenschaftlicher Tauchsportler weiß er, wovon er spricht, und als Autor und Journalist weiß er auch, wie er es bestens vermittelt: so fachspezifisch wie nötig, so transparent wie möglich. „Gelungen!“, kann man da nur sagen. Die Kapitel, wenn es nicht gerade die langen sind, die einen mit auf die hohe See nehmen und tagebuchartig von Forschungsreisen berichten, sind eher kurz, beantworten jeweils die in der Überschrift gestellte Frage. Wie viele Rohstoffe lagern in der Tiefsee? Wie tief sind Tiefsee-Gräben? Ist die Tiefsee ein Medikamenten- Depot? Wem gehört die Tiefsee? Das sind populär aufgemachte Wissenshäppchen, die man in beliebiger Reihenfolge konsumieren darf. Dabei ist Information stets gepaart mit pointierter Darstellung und nicht selten einem kräftigen Schuss Zynismus – angesichts wachsender Ausbeutung der Meere, Überfischung, des Runs auf Rohstoffe und der fortgesetzten Verschmutzung der Weltmeere nur allzu verständlich.

Wussten Sie, dass 75 Prozent des Sauerstoffs, „den wir zum Leben brauchen, aus diesem Wasser, das unseren Planeten reichhaltig bedeckt“ stammen? Dass auf den Weltmeeren mit Abstand das meiste CO2 gebunden wird oder dass Unternehmen bereits zig Patente auf Wirkstoffe aus den Meeren angemeldet haben, etwa für die Krebstherapie? Viele Perspektiven, die noch mehr spannende Einsichten liefern! So faszinierend Ochsenbauers Texte sind, so gelungen ist auch das flexible Cover des Buchs mit seinem fast samtigen, tief dunkelblauen Einband und einem „hässlichen Tier mit schiefen Zähnen“, doch so mittelmäßig, wenn nicht gar überflüssig ist die begleitende Illustration: Keine Farbbilder, nur wenige, meist nichtssagende Schwarzweiß- Abbildungen – hier wäre ein angehängter Bildteil sinnvoller und attraktiver gewesen. Fazit: Es ist das breite Spektrum des Buchs, das seine Lektüre so attraktiv macht. Wer möchte schließlich versäumen zu erfahren, was Telefonkabel mit der Tiefsee-Forschung zu tun haben, wie teuer eine Tauchfahrt zum Wrack der Titanic ist oder ob Tiefsee- Vampire Blut saugen? Von Barbara Wegmann