Alle Geschichten fangen eigentlich völlig normal an, aber im Verlauf der stets nur wenigen Seiten kommt der Hammer ganz leise, die Geschichte dreht ab, wendet sich von einem Satz zum anderen in eine skurrile, ungeahnte, abgedrehte und irreale Richtung, irgendetwas gerät aus den Fugen, ist nicht mehr zu kontrollieren und aufzuhalten. Die Geschichten laufen sozusagen Amok. Hinreißend auch diese Szene: Der Ich-Erzähler sitzt an einem Tisch, den Beginn eines festlichen Bach-Konzerts erwartend, er trinkt ein Glas Wein. Eine Mutter mit Kind setzt sich ungefragt zu ihm, plötzlich ist da „Rummelplatzatmosphäre“: „… fettig schmieriger Geruch der Pommes Frites, der sich über dem Foyertisch mit dem Ketchuparoma zu einer Unwetterwolke türmt.“ Im Gerangel zwischen Mutter und Kind läuft die Wasserflasche aus, Plötzlich ergießen sich nicht enden wollende Wassermassen auf den Teppichboden. „Bis zu den Hüften stehen Konzertbesucher ... im Wasser ... Ein Schlagzeuger ... treibt auf seiner Kesselpauke dahin.“ Das sind ausgesprochen witzige Geschichten, man schüttelt den Kopf, die aber auch allesamt einen kleinen Moment des Nachdenkens hinterlassen. Fehlte hier vielleicht nur die Toleranz anderen gegenüber, die nicht in festlicher Etikette auftreten? Gerät deshalb alles so aus den Fugen? In der titelgebenden Geschichte philosophiert ein Mann, während er ins Meer hinausschwimmt, dem Sonnenuntergang entgegen: „Innerhalb von 4.000 Jahren vom Rad zum Rechner. Innerhalb eines Sekundenbruchteils der Erdgeschichte von der Pfeilspitze zum Mikrochip ... Die Fische im Meer haben es in derselben Zeit nicht geschafft, etwas zu erfinden, um sich aus den Netzen zu befreien.“ Der Mann spürt die stark ablandigen Winde, die „gischtigen Wellen“ und die Kälte des Wassers ... Barbara Wegmann