„Wenn Arten zahlenmäßig dezimiert oder ganz beseitigt werden, pflanzen sich die Auswirkungen in einem Dominoeffekt durch das gesamte Netz des Lebens fort.“ Der Mensch sei dabei, „raffinierte Lebenskreisläufe“ zu zerstören. International vergebene Fangquoten seien ein verantwortungsloser Kompromiss zwischen den Interessen der Fischereiwirtschaft und ökologisch erforderlichen Notwendigkeiten, aber wie überall: Welcher Politiker macht sich schon gern unbeliebt? Dem britischen Meeresbiologen Callum Roberts ist der umfangreiche Buchinhalt, diese Bilanz unserer Weltmeere, geradezu Lebensinhalt: Meere sind in Gefahr, keine Vermutung oder düstere Vision, sondern Realität. Schier unüberschaubare Mengen von Plastikmüll, der Klimawandel, Öl- und Gasbohrungen, all dies wird das sensible und hochgefährdete Ökosystem Ozean weiter verändern, nicht zu vergessen: „Die wirtschaftlichen Folgen der wachsenden Ressourcenknappheit werden schon bald dazu führen, dass es sich lohnt, Metalle in der Tiefsee abzubauen.“ Wer bei alledem das Wort „Ausbeutung“ noch nicht in den Mund nehmen mag, unterschätzt verantwortungslos die Situation. Das, was wir entsorgen, es kommt als Bumerang zurück: Beispiel Mittelmeer, jenes so verführerisch touristisch angepriesene Gewässer. Hier, so Roberts, „finden sie 20.000 Plastikteile pro km Strand. Das ist wahnsinnig viel – das Mittelmeer ist eins der verdrecktesten der Welt. Wenn man all die Haufen von ausgewaschenem Plastik sieht – das macht einen echt wütend. Was für eine Wegwerfgesellschaft! Wir müssen etwas dagegen tun!“

Auf den großen Ozeanen breiten sich Müllteppiche aus Plastik aus, die so groß sind wie Mitteleuropa, beschwört der Wissenschaftler, das Plastik wird mit Strömung und Zeit klein geschreddert, die Fische fressen es, und der Weg auf unseren Teller ist nicht mehr weit. Ganz zu schweigen von all den Vögeln, die mit Plastik- Kleinstteilen ihre Jungen füttern, die dann jämmerlich zugrunde gehen. Alles andere als Utopie. Roberts fordert Spezialschiffe, die die Meere sozusagen absaugen. Und er macht anschaulich klar, Plastik im Meer, dieser für uns vermeintlich aus den Augen geschaffte Müll, hält sich 450 Jahre.

Das Buch ist ein einziges Abenteuer, es liest sich nicht nur sehr anschaulich, insbesondere für den Laien, sondern es baut mit knapp 600 Seiten auch von ganz unten auf. Es ist anwendbar, das heißt, wer mag, lernt für Alltag, Einkauf und Konsumverhalten. Aufklärung und Tipps gibt es ausgesprochen umfassend. Das Faszinierende an diesem Buch: Es ist eben nicht nur der erhobene Zeigefinger. Das profunde vermittel- te Wissen führt, sofern noch nicht vorhanden, zwangsläufig zu kritischer Einsicht und Umdenken. Wenn das auch noch auf spannendem Wege gelingt – Chapeau! „Für das Leben im Ozean wie auch für unser eigenes ist es unverzichtbar, dass wir uns wandeln: von einer Spezies, die ihre Ressourcen aufbraucht, zu einer, die sie schätzt und nährt.“ Barbara Wegmann