Mit über 600 Arten und mehr als 60 Gattungen sind die Lippfische ­(Labridae) eine der ­größten marinen Fischfamilien. Die Gattung Clepticus (Kreolenlippfische) bestand bis vor wenigen Jahren aus einer einzigen karibischen Art. Dann wurden zwei weitere Spezies – aus Brasilien und von São Tomé – wissenschaftlich beschrieben. | Von Peter Wirtz

Als Anpassung an das Leben im freien Wasser und an die Ernährung von Plankton zeigt die Körperform der Clepticus-Arten mehrere für Lippfische ungewöhnliche Merkmale. So ist das Maul besonders weit vorstreckbar und der Körper stromlinienförmig.

Der Karibische Kreolenlippfisch (C. parrae) wird bis zu 25 Zentimeter lang. Er lebt im westlichen Atlantik – von North Carolina bis zur Karibik – in ­Tiefen zwischen acht und 100 Metern. In der Karibik ist er eine der häufigsten Fischarten. Clepticus parrae hält sich in der Regel in lockeren Schwärmen über dem Korallenriff auf, häufig zusammen mit anderen planktonfressenden Fischen, etwa aus den Gattungen Chromis und Abudefduf.



Viele brasilianische Meeresfische wurden in den vergangenen zehn Jahren wissenschaftlich neu beschrieben. Genaueres Hinschauen zeigte nämlich, dass sie sich eben doch von ähnlich aussehenden karibischen Arten unterscheiden. Der Amazonas, der ­gewaltige Mengen schlammigen Süßwassers in das Meer entlässt, wirkt als Barriere zwischen nördlichen und südlichen Populationen.

In seiner Lebensweise, Größe und Gestalt gleicht der Brasilianische Kreolenlippfisch (C. brasiliensis) der karibischen Art in der Tat sehr. Die beiden Formen unterscheiden sich aber deutlich in der Lebendfärbung und darin, dass der Brasilianer länger ausgezo­gene obere und untere Schwanzflossenstrahlen besitzt.

Clepticus brasiliensis ist an der Küste zwischen Recife Manuel Luis im Norden und São Paulo im Süden durchaus nicht selten. Noch stärker verlängerte Caudalstrahlen zeigt der ebenfalls ganz abweichend gefärbte Afrikanische Kre­olenlippfisch (C. africanus). Seine Grundfärbung ist braunschwarz. Bei balzenden Männchen glänzen der Rücken und der Vorderkörper golden.

Diese Art wurde bisher nur bei São Tomé und Príncipe registriert, zwei ­Inseln im Golf von Guinea nahe dem Äquator, ungefähr 350 Kilometer vor der Küste Westafrikas gelegen. Wie mir der französische Korallenforscher J. Laborel mitteilte, kommt der Afri­kanische Kreolenlippfisch aber auch noch weiter draußen im Atlantik vor, nämlich bei der Insel Annobón.

Wie sind die drei Clepticus-Arten im Lauf der Evolution entstanden?
Ricardo Beldade von der Univer­sität von Kalifornien und seine Kollegen analysierten und verglichen Gensequenzen aller drei Arten. Das Ergebnis war eindeutig: Überraschenderweise sind nicht die beiden amerikanischen Arten am nächsten miteinander verwandt, sondern die brasilianische und die afrikanische Spezies. Aus dem Grad der Verschiedenheit der Gensequenzen lässt sich abschätzen – sehr grob und bei Weitem nicht so genau, wie man es früher einmal angenommen hatte –, vor wie langer Zeit die Artaufspaltung erfolgte. Demnach sind die nordamerikanische und die südamerikanische Art seit etwa vier Millionen Jahren voneinander getrennt, die brasilianische und die afrikanische hingegen erst seit etwa 600000 Jahren.

Planktivore Meeresfische sind in der Regel nicht einfach im Aquarium zu halten. Der Karibische Kreolenlippfisch wird im Internet zu Stückpreisen von acht bis 25 US-Dollar angeboten.

Gibt es DATZ-Leser, die mit der Pflege dieser Fische Erfahrungen haben?