Folienteiche mutierten in den letzten 30 Jahren zum „Biotop schlechthin“. Doch trägt diese Ersatznatur wirklich dazu bei, das Aussterben bedrohter Pflanzen- und Tierarten aufzuhalten? | Von Hans-Peter Ziemek

„Der Biotop-Boom rollt. Allerorten werden Biotope gebaut. Der Biotop schlechthin, sozusagen der Idealtypus des Biotops, ist der Feuchtbiotop, das stehende Gewässer, das an allen möglichen und unmöglichen Stellen untergebracht werden kann, in Folie verpackt, in Beton eingegossen oder auch ganz natürlich auf echtem Lehmuntergrund.Jede Kommune, die etwas auf sich hält, vergibt einen Umwelt- oder Ökopreis. Und bei jeder Verleihung wird mindestens ein Feuchtbiotop, oder kurz: Biotop, prämiert. Publizität ist garantiert. Der Biotop wird aufgemacht zum künstlichen Idyll im Wiesengrund, zum Vorzeigebiotop. Selbst die politischen Parteien steigen in die Biotoppolitik ein, sodass der einfache Biotop zum Parteibiotop aufsteigt. Ein Ende ist nicht absehbar. Es wird wohl so lange gehen, bis sich an jeder möglichen Ecke die Wellen eines Biotops im Abendwind kräuseln.“



So wetterte Werner Konold Mitte der 1980er-Jahre auf einer Tagung über Stillgewässer. Heute ist er einer der profiliertesten Landschaftsökologen in Deutschland. Damals stand er am Beginn seiner Karriere und beschäftigte sich mit der Kulturgeschichte der oberschwäbischen Weiher – Gewässer, die über Jahrhunderte aus der Tradition der extensiven Fischwirtschaft entstanden.

Und er wurde während seiner Forschungsarbeit mit dem beginnenden Folienteich-Boom konfrontiert. Die Folie machte dabei etwas möglich, was vorher immer ein Problem darstellte: Die Anlage eines Gewässers war nun an jedem Ort machbar. Und so begann eine der größten Umgestaltungsaktionen von Landschaft – innerhalb wie außerhalb von Siedlungen.

Gut erinnern kann ich mich an Diskussionen in unserer Ortsgruppe des Deutschen Bundes für Vogelschutz (heute Naturschutzbund = NABU). Heftig umstritten war die Anlage eines Folienteichs im sowieso dauerfeuchten Untergrund direkt neben einem Bach. Und für die Teichanlage hätte eine Orchideenwiese weichen müssen. Was für eine Wahnsinnsidee!

Woher kam dieser „Teiche-Hype“? Die Folien kamen zu einer Zeit auf den Markt, in der Naturschutz zu einem gesellschaftlichen Thema wurde. Mit der sozialliberalen Koalition wurde der Gesetzgeber endlich aktiv, und 1976 wurde das erste Bundesnaturschutzgesetz für die BRD verabschiedet (bis dahin galt immer noch das Reichsnaturschutzgesetz von 1936!). Bernhard Grzimek, Horst Stern, Konrad Lorenz und andere Biologen und Naturschützer gründeten die „Gruppe Ökologie“ und forderten großflächige Naturschutzgebiete und ein Umdenken der Gesellschaft in Richtung eines aktiven Umweltschutzes.

In Sachen Gewässer und Gewässerschutz erlangte die europäische Feuchtgebietskampagne von 1976 eine besondere Bedeutung – weniger im medialen Interesse als in der Initiierung vieler Kartierungsaktionen. Die Zahl der Stillgewässer wurde bundesweit an zahlreichen Orten erhoben, und das Ergebnis war erschütternd. In der Nachkriegszeit mit ihrem rasanten Wirtschaftswachstum wurde im Schnitt über die Hälfte aller vor dem zweiten Weltkrieg bekannten Teiche, Tümpel und Weiher zerstört, überbaut, verschmutzt und verfüllt.

Damit war der Boden bereitet für den „Folien-Biotop-Boom“. Und er hält bis heute an. Immer neue Folientypen und ein ausgeklügeltes Zubehörangebot ermöglichen – mit geringem Aufwand – die Anlage eines wenige Quadratmeter umfassenden Teichs im Vorgarten oder auch – mit viel Aufwand – den Bau eines geheizten Koi-Teichs mit Bademöglichkeit für den gut betuchten Grundstücks­eigentümer.

Tradition des Teichbaus

In der neueren Geschichte Mitteleuropas war die Anlage künstlicher Stillgewässer Teil der Kultur, speziell im dörflichen Umfeld und in der wirtschaftlichen Flächennutzung durch Adel und Kirche.

Die großen Teichgebiete in der Oberpfalz und in Schwaben beispielsweise resultieren aus der hoch lukrativen Karpfenzucht des Mittelalters. Als Fleischalternative waren Süßwasserfische der „Renner“ auf den Märkten. Seefisch war schwierig frisch zu transportieren, also blieb die Teichwirtschaft. Viele der heute als besonders wertvoll eingeschätzten Feuchtgebiete in Deutschland haben hier ihren Ursprung.

Daneben gab es aber auch Dorfteiche für die multifunktionale Nutzung, Stillgewässer zum Einweichen von Flachs, zur Gewinnung von Eisblöcken für die sommerliche Kühlung von Nahrungsmitteln, zum Waschen und Bleichen, zur Lagerung geschlagenen Holzes, als Reservoir für Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) und, und, und …

Frösche galten als Essen für arme Leute, und die am Gewässer stehenden Pflanzen wurden ebenfalls genutzt, beispielsweise Schilf als Baumaterial oder der Inhaltsstoff Salicylsäure des Mädesüß (Filipendula ulmaria) in der Küche und in der Heilkunde. So war das Stillgewässer ein Ort extremer Ökonomie. Naturschutz oder Naturbegegnung spielten dabei keine Rolle.

Das stellt sich bei der aktuellen Entwicklung ganz anders dar. Folienteiche sind heute Orte der Ruhe, der Schönheit und der Inbegriff von Natürlichkeit. Hier wird eine Kulturtechnik zur Verbesserung der Lebensqualität und zur vom Menschen gewünschten Gestaltung von Natur entwickelt.

Folienteiche und Naturschutz
Daneben geistert aber nach wie vor die Bedeutung von Folienteichen für den Natur- und Artenschutz durch die Literatur und die Diskussionen teichbegeisterter Menschen.
Mit dieser Bedeutung ist es allerdings nicht weit her. In den meisten Folienteichen wiederholen sich durch relativ einheitliche Bauanleitungen und die Rahmenvorgaben der Folieneigenschaften immer wieder ähnliche Lebensraumausstattungen (ein wenig Pflanzenbewuchs, Flachwasserzonen, ein kleiner „Tiefwasserbereich“). Diese Gestaltung führt im Regelfall zu nährstoffreichen Gewässern.

Solche Bedingungen tolerieren von den 1000 in Mitteleuropa potenziell in Stillgewässern vorkommenden Tierarten nur die wenig Anspruchsvollen (die sogenannten Ubiquisten), unter den Libellen etwa die Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea). Hoch gefährdete Arten finden hier keine neue Heimat, da sie an ganz beson­dere Lebensraumbedingungen angepasst sind. Und der Grund ihres Aussterbens ist dann im Verschwinden ihres Habitats begründet. Das gilt insbesondere für Hochmoore bewohnende Arten, zumal die den Weg in einen neu angelegten Teich nur als flugfähige Form schaffen würden.

Dieser Umstand grenzt auch die 200 bei uns natürlicherweise vorkommenden Sumpf- und Wasserpflanzenarten von den neu angelegten Gewässern aus (ganz abgesehen davon, dass kaum ein Teichplaner die potenziell natürliche Vegetation vor Augen hat, wenn er das reichhaltige Pflanzenangebot in den Baumärkten konsultiert).

Dennoch hat die Anlage künstlicher Stillgewässer mit Folienunterbau speziell im Siedlungsraum vielfältige wichtige Bedeutungen. So wird das Netz der Gewässerstandorte einigermaßen aufrechterhalten, eine wichtige Funktion für noch flächenhaft vorkommende, unscheinbare Arten, wie den Teichmolch (Lissotriton vulgaris). Diese Tiere sind nicht auf ihren Geburtsteich geprägt und wandern problemlos in neue Gewässer ein.

Weiterhin wird durch diese neue Kulturtechnik – „naturnaher Folienteich für die menschliche Kontemplation“ – die Möglichkeit zur Naturbegegnung und zur Umweltbildung gerade für Kinder in einer weitestgehend verarmten Industrielandschaft bewahrt.

Grundsätzlich sollte man aber nicht nur die Neuanlage von Stillgewässern im Blick haben, sondern sich immer auch für den Erhalt und die Weiterentwicklung bereits existierender Gewässerstandorte einsetzen. Ein nährstoffarmes Stillgewässer braucht über 30 Jahre, um nach einer Störung wieder einen annähernd mit der vorherigen Situation vergleichbaren Status zu erreichen.

Grundsätze für die Planung naturnaher Folienteiche

  • Keine wertvollen Lebensräume zerstören (etwa Trockenrasen)!
  • Kein Besatz mit Fischen!
  • Kein Besatz mit regionsuntypischen Pflanzen- und Tierarten!
  • Auf die Vielfalt der Teillebensräume achten!
  • Übergänge zur Umgebung des Teichs sanft und naturnah gestalten!
  • Die Zufuhr von Nährstoffen weitestgehend einschränken (keine Fütterung, kein Dünger, keine Teicherde)!