Von wegen blind! Wie ein Team von Forschern der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn und Forschungseinrichtungen aus Italien, Norwegen und Schweden herausfand, besitzen Seeigel sehr wohl spezialisierte Lichtsinneszellen, die ein Richtungssehen ermöglichen.

„Die Fotorezeptoren des Purpurnen Seeigels (Strongylocentrotus purpuratus) sind nicht diffus über den ganzen Körper verteilt, wie bislang vermutet, sondern in kleinen Einbuchtungen des runden Kalkskeletss konzentriert“, erläutert Esther Ullrich-Lüter von der Uni Bonn.

Die Tiere nutzen das eigene Skelett zur gezielten Lichtabschirmung ihrer Fotorezeptoren und funktionieren so als eine Art „laufendes Komplexauge“, wie es die Wissenschaftler beschreiben.

Zwar sind Lichtreaktionen bei Seeigeln lange bekannt, aber Augen waren bisher nicht zu finden. Erst eine Kombination aus genetischen und morphologischen Studien offenbarte die verantwortlichen Rezeptoren und Mechanismen.

So ließ sich ein „rhabdomerisches Opsin“ in den Seeigelfüßchen nachweisen; das ist ein essenzielles Molekül von Lichtrezeptoren in vielen Wirbellosen, erläutert Maria Ina Arnone von der Stazione Zoologica in Neapel. Demnach benutzen Seeigel ähnlich wie Insekten und Krebse einen für Facettenaugen typischen Rezeptor zum Richtungssehen.

Weitere Forschungen gaben Aufschluss über die besondere Skelettgestalt der untersuchten Tiere, die die Lichtabschirmung der einzelnen Lichtrezeptorgruppen von bis zu 272 Grad erlaubt. Über 1500 solcher Rezeptorgruppen, verteilt über den runden Körper, erlauben in Kombination mit dem einmaligen, dezentral Daten verarbeitenden Nervensystem, sich zielgerichtet von einem Licht fortzubewegen. Oliver Mengedoht

Literatur
Ullrich-Lüter, E. M., S. Dupont, E. Arboleda, H. Hausen & M. I. Arnone (2011): Unique system of photoreceptors in sea urchin tube feet. – Proceedings of the National Academy of Sciences. DOI: 10.1073/pnas.1018495108.