Lebhaft erinnere ich mich an verschiedene Begegnungen mit Ameisen, die meine Reisebegleiter und mich piesackten. Das wohl am stärksten haften gebliebene Erlebnis hatten wir in Kolumbien, bei Florencia, wo wir in einem kleinen, schnell fließenden Urwaldfluss versuchten, Caquetaia myersi zu fangen. Aber wir suchten natürlich auch nach anderen Fischen, und so arbeitete sich Hans- Günther in einen von Sträuchern überwucherten Bach vor, der das Flüsschen speiste. Kurz darauf kam er zurück, zeigte uns frohlockend ein herrlich gefärbtes Apistogramma- Männchen und meinte geheimnisvoll lächelnd, dass er jedem von uns, der aus dem Bach ein zugehöriges Weibchen brächte, zehn DMark auf die Hand zahlen würde. Wir vermuteten gleich „einen Haken“ an der Sache. Dennoch wollte jeder versuchen, ein solches Weibchen zu fangen. Was sollte denn so schwierig daran sein? Doch kaum war Ingo unter dem Gestrüpp auch nur zwei Meter vorgedrungen, stürzte er zurück. „Das ist ja gar nicht auszuhalten!“ rief er, „Hier wird man total von Ameisen zerbissen!“ Mir ging es nicht besser, und nachdem ich die Plagegeister endlich alle abgestreift hatte, fand ich den Apistogramma schon gar nicht mehr so schön. Werner aber, den wir „El Duro“ nennen, „den Harten“, wollte es unbedingt wissen. Und tatsächlich verdiente er sich das ausgesetzte Kopfgeld, wobei ich mich nicht erinnere, ob er es je bekommen hat. Was ich aber noch gut vor Augen habe, sind die über zwei Zentimeter langen Ameisen, die einen Giftstachel besaßen und sich mit ihren Riesenzangen tief in seine Beine und Arme verbissen hatten, so extrem, dass wir ihm helfen mussten, die Tiere wieder loszuwerden! Wahrscheinlich hatten wir es mit der 24-Stunden-Ameise (Paraponera clavata) zu tun, die so genannt wird, weil das Brennen ihrer Bisse erst nach einem ganzen Tag wieder nachlässt. Aber die Größe der Ameisen ist gar nicht entscheidend. Die nur wenige Millimeter langen Feuerameisen der Gattung Solenopsis gelten als äußerst aggressiv, sind effektive Insektenräuber und extrem beißwütig. Das erfährt man unter Umständen in Sekundenschnelle am eigenen Leib, wenn man in Amazonien aus dem Auto steigt, um am Straßenrand sein kleines Geschäft zu verrichten. Man sollte in jedem Fall aufpassen, wohin man sich stellt, damit die Pinkelpause kein brennendes Nachspiel hat. Die Bisse dieser Biester hinterlassen nämlich nicht nur brennende Schmerzen, sondern auch kleine Eiterpusteln … Den meisten Ameisen begegnete ich unmittelbar am Amazonas. In unserem Hotel in Santarém am Rio Tapajós (Brasilien) beispielsweise verliefen ihre Straßen durch den Speiseraum, und zwar auf dem Boden, an den Wänden und sogar an der Decke entlang, über Stühle und Tische. Und auf dem Sideboard sicherten sie sich ihren Anteil am Kuchen, am Obst und vor allem am Zucker. Was immer wir dort aßen, irgendwann fanden wir auch die eine oder andere Ameise im Essen, und schnell hatten wir gelernt, in die Zuckerdose zu pusten, bevor wir den Zucker in den Kaffee gaben. Um welche Ameisenart es sich handelte, weiß ich nicht. Mein schwäbischer Freund Rainer fand aber eine durchaus treffende Bezeichnung: „Gewürz-Ameise“.
Uwe Werner