Eigentlich gehören Krebse seines Kalibers nicht unbedingt zur feinen Gesellschaft und schon gar nicht in die Nähe empfindlicher Niederer Tiere. Da meine Wirbellosen aber schon immer etwas mehr aushalten mussten, gelangte Enno schließlich doch ins heimische Riffbecken. Er stammte aus einer wohlsortierten Wuppertaler Handlung, wo er – gemeinsam mit weiteren Artgenossen – in einem riesigen, flachen Behälter zwischen Riffgestein und wirbellosen Tieren umherdüste. Kam man ihm zu nah, schaltete das damals acht Zentimeter lange Energiebündel rasant den Rückwärtsgang ein – dagegen waren die Sprintkünste eines Usain Bolt die einer Schnecke! „Schönheit und Kraft vereint – den musst du haben!“, dachte ich sogleich. Meine dem Händler – zugegeben, nur verhalten – vorgetragenen Bedenken wurden mit der recht lakonisch geknurrten (insgeheim ersehnten) Antwort: „Der bleibt so klein“, vom Tisch gefegt. Daraufhin fielen mir auch keine weiteren (überflüssigen) Fragen mehr ein, so dass Enno schließlich einen Posten auf der Gesamtrechnung bildete. Zu Hause vor dem Aquarium wurde mir dann doch leicht schummerig, als mein Blick auf meine schönen Putzergarnelen (Lysmata amboinensis) fiel, denn die waren mir sehr ans Herz gewachsen. Doch schließlich half mir die konsequente Verdrängung aller Kenntnisse, die ich mit den Jahren über die ehrenwerte Gesellschaft der Zehnfußkrebse gesammelt hatte. Wissen ist viel, doch Versuch macht klug! In den folgenden Jahren verabschiedeten sich die Garnelen nach und nach, was aber nicht Ennos Schuld war. Er legte mit jeder Häutung ein paar Millimeter zu, bis er 13 Zentimeter Länge erreicht hatte, was offenbar seine Endgröße darstellt. Mit den Fischen, die ich ihm anvertraute, verträgt er sich nach wie vor ausgezeichnet, solange es nicht ums Futter geht. Eine besondere Beziehung hat er zu meinem Gelben Seebader (Zebrasoma flavescens) aufgebaut, der sogar in seine Lieblingshöhle schwimmen darf! Und eines Tages sah ich noch Erstaunlicheres: Der Doktorfisch legte sich auf die Seite, und Enno betastete ihn ausgiebig mit seinen zweiten (kleinen) Scherenbeinen! Der Violette Riffhummer – ein unbekannter Putzer? Oder doch nur eine Auswirkung der Aquarienhaltung? Dieter Jande