Lange mussten wir auf sie warten – nun ist sie da! Nachdem in DATZ 3/2012 bereits die wichtigsten Änderungen und Aktualisierungen angerissen wurden, geht es hier um die Fragen: Warum ist diese Liste überhaupt so wichtig? Und was hat sich ändert? | Von Andreas Tanke

In den vergangenen Jahren ging die Auswahl an südamerikanischen Fischen im Fachhandel stark zurück. Einer der Gründe dafür ist, dass insbesondere Brasilien die Zahl der für den Export verfügbaren Arten einschränkte. Da es sich um das Land mit der weltweit größten Diver­sität von Süßwasserfischen handelt, wirken sich diese Restriktionen besonders stark aus.



Brasilien wartet aber mit einer weiteren Besonderheit auf, es ist das einzige südamerikanische Land, das den Fischexport mittels Positivliste regelt: Nur jene Arten, die auf dieser Liste stehen, dürfen ausgeführt werden. Entgegen landläufigen Meinungen besteht diese Regelung jedoch nicht erst seit Kurzem, sondern es gibt sie schon seit den Anfängen des L-Wels-Booms, genauer gesagt seit Dezember 1989, dem Gründungsjahr des Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renovaveis (IBAMA), des Brasilianischen Instituts für Umwelt und erneuerbare Naturresourcen. Da mein Hauptinteresse bei den Harnischwelsen liegt, werde ich mich bei der Betrachtung der Historie auf diese Fischfamilie konzentrieren.

Geburtsstunde der L-Nummern
In den späten 1980er-Jahren wurde eine Fülle unterschiedlichster Harnischwelse gefangen und exportiert. Damals steckten das Wissen und die Forschung über diese Fischgruppe noch in den Kinderschuhen, und die Zahl der damals bekannten Arten und Gattungen war sehr überschaubar. Die meisten der neu entdeckten Welse ließen sich somit wissenschaftlich nicht einordnen.
Im Sommer 1988 setzten sich Arthur Werner, Rainer Stawikowski und Ulrich Schliewen in einem Münchener Biergarten zusammen und dachten darüber nach, wie es wohl möglich sei, diese Fülle neuer Fische sinnvoll und übersichtlich zu bezeichnen.
Nach vielen verworfenen Ideen einigte man sich darauf, die Welse in der Reihenfolge der Neuvorstellung in der DATZ durchzunummerieren und der jeweiligen Ziffer den Buchstaben L (für Loricariidae = Harnischwelse) vor­anzustellen. In der Dezember-Ausgabe desselben Jahres wurden dann die ersten Vertreter dieses Systems präsentiert. Die Codierung wurde sowohl in der Aquaristik als auch von Händlern und Exporteuren schnell übernommen, aber leider fehlte in der Wissenschaft und an „offiziellen“ Stellen zunächst die Akzeptanz.

Positivliste im Dezember 1989
Ein gutes Jahr später, im Dezember 1989, gründete Brasilien also das ­IBAMA und versuchte, die Aquarienfischexporte mittels Positivliste zu regulieren. Die erste Version umfasste gerade einmal 45 Arten und die fünf Gattungen Ancistrus, Corydoras, Otocinclus, Peckoltia und Sym­physodon.
Drei Monate später folgte eine erweiterte Liste mit 79 Arten und sieben vollständigen Gattungen. Da die wissenschaftliche Bearbeitung der Familie Loricariidae zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr weit fortgeschritten war, ordnete man die Arten zumeist den bekannten Gattungen Ancistrus und Peckoltia zu, die von Anfang an insgesamt auf der Positivliste standen.
In den folgenden Jahren wurden zwar einige Arten und Gattungen wissenschaftlich beschrieben, etwa 1991 die Gattung Hypancistrus mit der Typusart H. zebra (L 46), aber auf die Ausfuhr dieser L-Welse hatte das keinen Einfluss. Selbst die 1992 veröffentlichte Liste mit 180 Arten und den Gattungen Ancistrus, Eigenmannia, Farlowella, Hyphessobrycon und Peckoltia enthielt keine der in der Zwischenzeit neu aufgestellten Taxa wie Hypancistrus oder Baryancistrus.

Schutz des Zebra-Harnischwelses
Die Folge war, dass diese Loricariiden weiterhin unter ihren „alten“, nicht korrekten Gattungsnamen Ancistrus oder Peckoltia exportiert wurden. Jahrelang wurde das von den Behörden toleriert, wohl nicht zuletzt aufgrund der schlechten Möglichkeiten, den Sachverhalt zu überprüfen.

In dieser Zeit konnte annähernd jeder in Brasilien gefangene Aquarienfisch ausgeführt werden. Die Umsätze der Exportfirmen waren mehr als zufriedenstellend, sodass die Inhaber bereit waren, teils kostspielige und ­riskante Reisen zu unternehmen, um aquaristisch neue Arten zu finden, die sich wiederum gut verkaufen ließen.
Im Lauf der Jahre wurde es dann aber immer schwieriger, etwa Zebra-Harnischwelse (L 46) zu fangen. Infolgedessen einigten sich die Fänger in Altamira am Rio Xingu Ende 2003 auf ein freiwilliges Fangverbot für diese Art. Diese Maßnahme wurde jedoch von staatlicher Seite als nicht ausreichend für den Arterhalt angesehen, weshalb H. zebra Mitte 2004 auf eine nationale Liste der vom Aussterben bedrohten Arten gesetzt wurde. Das war gleichbedeutend mit einem totalen Fang- und Exportverbot.

Im Jahr 2005 eine neue Liste
Um unter anderem die Wirksamkeit dieses Verbots zu überprüfen, führte die Bundespolizei Ende 2004 in Manaus eine groß angelegte Kontrolle von Exportsendungen durch. Dabei fiel neben Zebra-Harnischwelsen auch eine Vielzahl von Arten aus nicht zum Export freigegebenen Gattungen auf, die falsch deklariert waren. Die Iden­tifizierung dieser Fische wurde später noch von Ichthyologen des Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia (INPA) überprüft und bestätigt.
Man konnte dabei auch schon erkennen, welche logistischen Probleme es in dem riesigen Land gibt. Es ist nicht möglich, sämtliche IBAMA-Stationen mit fachkundigen Ichthyologen zu besetzen. Infolgedessen wurde im Juni 2005 eine stark überarbeitete Positivliste veröffentlicht, die nun auch die nomenklatorischen Änderungen berücksichtigte; das heißt, man fand auf dieser Liste nun auch Arten der Gattungen Baryancistrus, Hypostomus oder auch Oligancistrus. Da aber immer noch so beliebte Genera wie Hypancistrus, Panaqolus und Panaque vollständig fehlten, ging es in den folgenden Jahren wie gewohnt mit den Umdeklarierungen weiter.
Im Hintergrund verhandelten jedoch IBAMA, Umwelt- und Naturschutzorganisationen mit der Vereinigung der brasilianischen Aquarienfischhändler und -exporteure darüber, wie man den Export am besten neu ordnen konnte. Es gab die Optionen, eine stark erweiterte Positivliste oder – wie in den meisten anderen südamerikanischen Ländern – eine Negativliste zu erstellen.
Als erstes Ergebnis wurde im Juni 2005 eine Positivliste mit 172 Arten und acht Gattungen veröffentlicht, der 2008 die sechste Liste mit 171 Arten und wiederum acht Gattungen folgte. Bemerkenswert an der Liste von 2008 war, dass das IBAMA sich bei der Beschreibung der Gattungen erstmals auch der DATZ-L-Nummern bediente. Um diese Liste nun auch durchzusetzen, wurden in mehreren brasilianischen Städten gleichzeitig Kontrollen bei Exporten durchgeführt und aufgrund der hohen Zahl von Verstößen gegen verschiedene Gesetze auch gleich mehrere Inhaber von Exportfirmen verhaftet und ihre Betriebe geschlossen.

Umsetzung der Liste von 2008
Seitdem herrschte bei den Exporteuren in Brasilien große Unsicherheit, da sie kaum wussten, welche Arten sie noch ausführen durften. Das Sortiment reduzierte sich immer weiter, und auch die Zahl der Exporteure und Fangstationen ging zurück. Infolgedessen nahm der Bedarf an Fängern ebenfalls weiter ab. So sahen sich viele dieser Menschen nach einer anderen Tätigkeit um, oder sie versuchten, die Zeit bis zu einem möglichen neuen Aufschwung zu überbrücken.
Da sich aber mit Harnischwelsen ziemlich viel Geld verdienen lässt, gab es auch einige Exporteure, die nach Mitteln und Wegen suchten, um diese Beschränkungen zu umgehen. Sie transportierten ihre Fische über die grüne Grenze nach Peru, Venezuela oder Kolumbien und versuchten, die Tiere aus jenen Ländern auszuführen.

Leider gelang das häufig auch, sodass es nach wie vor ein gewisses Angebot an „verbotenen“ Arten gab. Die brasilianischen Behörden bemerkten das aber ebenfalls, und so wurden ­etliche Fischschmuggler geschnappt und mit hohen Geldstrafen belegt. Ein aktueller Fall ereignete sich kurz vor den L-Wels-Tagen 2011: Zwei Deutsche wurden zusammen mit ihren brasilianischen Kontaktleuten von der Bundespolizei festgenommen.
Schon im Frühjahr 2009 kamen erste Gerüchte auf, dass es „bald“ eine neue Positivliste geben sollte. Ein Interview der DATZ mit Henrique Anatole (IBAMA) im August 2009 nährte diese Hoffnung, doch es sollte noch bis zum 4. Januar 2012 dauern, ehe sie Wirklichkeit wurde.

Auf den Zweiten Internationalen L-Wels-Tagen 2011 in Hannover erklärte Henrique Anatole, wie es dazu kam. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Zum Teil sind sie in der auch in Brasilien üppig florierenden Bürokratie zu suchen, aber ebenfalls darin, dass das IBAMA seit 2009 nicht mehr allein für die Regulierung des Zierfischhandels zuständig ist, sondern sich diese Aufgabe mit dem Ministerium für Fischerei und Aquakultur (MPA) teilt, was eine Verkomplizierung der Entscheidungen auf politischer Ebene nach sich zog und die Freigabe der Positivliste für eine Weile stoppte. Erst im Juli 2011 wurde vom MPA der Prozess wieder aufgenommen und endlich erfolgreich abgeschlossen (MPA 2012).

Arten lassen sich begründen
Die nun erschienene Liste ist ein Novum. Bislang gab es keine objektiven Begründungen dafür, warum einzelne Arten aufgeführt waren oder fehlten. Die jetzige Fassung wurde von Henrique Anatole ausgearbeitet, und für jede einzelne Art kann er detailliert erklären, aufgrund welcher Kriterien sie auf der Liste steht oder nicht. Dazu gehören neben Größe, Verbreitung oder Brutpflege auch die Besiedlungsdichte der Verbreitungsgebiete und ihre Bedeutung für die menschliche Ernährung (Anatole 2009).
So fehlen die Vertreter der Gattung Parotocinclus, da ihre Biotope schon stark angegriffen sind. Der Atlantische Küstenwald zählt zu den am meisten bedrohten Regionen Brasiliens, und die Vorkommensgebiete vieler Parotocinclus befinden sich zu dicht an den großen Städten.

Weiter erklärte Henrique Anatole auf den Internationalen L-Wels-Tagen, warum beispielsweise Hypancistrus sp. (L 174) nicht auf der Liste steht: Diese Welse leben in dermaßen engen Gesteinsspalten und Löchern, dass sie nur zu fangen sind, indem man ihre Versteckplätze aufmeißelt und somit zerstört. Dadurch wird der Lebensraum verändert, und weil solche Eingriffe nicht mit dem Naturschutzgedanken zu vereinbaren sind, fehlt die Art auf der Liste.
Das Fehlen anderer Arten lässt sich zumeist mit mangelhaften Kenntnissen begründen oder, wie bei Hypancistrus sp. (L 316), damit, dass die Fangstationen nicht in der Lage waren, Exemplare als Typusmaterial zur Verfügung zu stellen.
Arten, die vier bis sieben Punkte auf der internen Skala haben (Anatole 2009), werden von Spezialisten weiter bewertet. Vielleicht lässt sich ihre Ausfuhr über ein Quotensystem regeln, so ähnlich wie bei den Rochen.
Eine pauschale Freigabe ohne detailliertes Wissen über die betreffenden Arten würde aber dem Gedanken der umweltverträglichen und nachhaltigen Nutzung der Ressourcen widersprechen und kann somit nicht erfolgen.
Allerdings dürfen Arten, die nicht auf der Positivliste stehen, als Nachzuchten weiterhin ausgeführt werden!

Fischfang als Umweltschutz
Wie Anatole bereits 2009 erwähnte und 2011 weiter ausführte, sind Aquarienfischfang und -handel ein weltweit wachsender Wirtschaftszweig von großer sozialer und ökonomischer Bedeutung. Schon viele wissenschaftliche Arbeiten belegten, dass Aquarienfische zu den wenigen nachhaltig und umweltverträglich nutzbaren Ressourcen in Amazonien gehören. Insbesondere Eigenschaften wie hohe Reproduktionsraten rechtfertigen solches Tun.
Allerdings darf man es damit auch nicht übertreiben, da der Handel mit Aquarienfischen in Asien wohl schon zum Zusammenbruch lokaler Populationen führte. Aus diesem Grund wurde schließlich auch H. zebra von der Ausfuhr ausgeschlossen.
Man möchte also die Fischer zum Aquarienfischfang ermutigen, das Ganze aber nachhaltig regulieren können. Schließlich entstammen die Fänger in der Regel den ärmsten Bevölkerungsschichten. Solange sie mit Fischfang ihr Einkommen sichern können, haben sie auch ein Interesse daran, ihre Fanggründe zu schützen und die Natur zu erhalten. Können sie davon aber nicht mehr leben, haben sie in der Regel nur zwei andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen: Entweder werden sie Goldsucher oder Holzfäller ...

Um zukünftig wirklich eine nachhaltige Nutzung der Ressource Aquarienfische zu gewährleisten, soll die Positivliste von nun an regelmäßig aktualisiert und angepasst werden.

Literatur
Anatole, H. (2009): Export und nachhaltige Nutzung von Aquarienfischen. – D. Aqu. u. Terr. Z. (DATZ) 62 (8): 10–15.
MPA (2012): Positivliste.