von Sebastian Wolf
Es gehört idealerweise zu einer guten Beratung beim Zoofachhändler oder privaten Anbieter, dass die Käufer von Aquarientieren über eine behutsame Anpassung ihrer neuen Pfleglinge informiert werden. Die Unterschiede in der unmittelbaren Anpassungsfähigkeit sind groß: Viele der verfügbaren Arten sind derart robust, dass sie auch rapide Änderungen ihrer Umwelt problemlos verkraften, manche der von mir gepflegten Spezies würde ich dagegen nicht mal innerhalb meiner eigenen Anlage direkt umsetzen. Zudem sind auch „harte“ Arten durch Fang, Transport und die unbekannte Einrichtung einem gewissen Stress ausgesetzt, weshalb man eigentlich immer versuchen sollte, andere Stressoren wie Schwankungen der Temperatur und des Wasserchemismus zu mindern.
Überraschenderweise wird dabei häufig empfohlen, einfach den Beutel mit den neuen Tieren in das zukünftige Aquarium zu legen, eine halbe Stunde zu warten und sie dann direkt umzusetzen. Abgesehen davon, dass eine helle Aquarienbeleuchtung zusätzlichen Stress verursachen kann, sind auch die Temperaturdifferenz von Transport- und Aquarienwasser sowie das geringe Wasservolumen im Transportbeutel zu beachten: Einen im Winter bei Ankunft zu Hause leicht abgekühlten Beutel in ein auf 27 °C dauerbeheiztes Becken zu legen, wo er sich innerhalb kurzer Zeit auch auf diese Temperatur erwärmt, kann nicht mehr als vorsichtige Temperaturangleichung betrachtet werden, sondern ist schon eher rabiat. Diese Methode berücksichtigt zudem nicht, dem Organismus etwas Zeit zu geben, sich auch an andere Wasserwerte (pH-Wert, Ionenkonzentrationen) zu akklimatisieren.
Schonender geht es mit etwas Zubehör, das aus dem Medizinbedarf stammt. Infusionssysteme aus der Medizin sind für wenig Geld erhältlich, und damit lässt sich die sogenannte Tropfmethode einfach bewerkstelligen.
Die zum Infusionssystem gehörende Tropfkammer und Anschlussverbindung schneidet man weg, man benötigt nur den Durchflussregler und den Schlauch. In den Deckel eines 10-l-Eimers sticht man mit einem Spitzel ein Loch, das gerade groß genug ist, um den Schlauch mit etwas Kraft einzuführen. Das ist wichtig, denn der Schlauch darf sich nicht von selber im laufenden Betrieb lösen, sonst setzt man womöglich den Raum unter Wasser. In diesen (tiefer als das Aquarium stehenden) Eimer gibt man behutsam den Beutelinhalt samt den Tieren. Bei kleinen Transportbeuteln mit geringem Wasservolumen ist ein solcher Eimer aber eventuell überdimensioniert, dann kann auch ein kleineres Gefäß (mit Deckel) verwendet werden.
Bleibt noch, das andere Schlauchende im Aquarium zu befestigen. Klebestreifen sind mir dafür zu unzuverlässig, Klammern können abrutschen oder lassen sich nicht ideal an der Oberkante des Aquariums anbringen (Deckscheibe). Aus dem Rest einer PVC-Hartschaumplatte habe ich mir deshalb Schwimmer gebaut, in deren Mitte man ebenfalls ein Loch für den Schlauch sticht. Styropor ginge auch, der Schwimmer aus PVC liegt aber irgendwie besser auf der Wasseroberfläche (auch wenn das Gewicht eines nach unten reichenden Schlauches auf ihm lastet).
Es sei hier ausdrücklich auf das Risiko eines überlaufenden Eimers hingewiesen, denn der Schwimmer passt sich dem Wasserstand an, damit kann theoretisch alles Wasser aus dem Becken über den Schlauch abfließen und landet zuerst im Eimer, später auf dem Boden. Wem das zu riskant ist und wer die Möglichkeit hat, das ins Aquarium reichende Schlauchende sicher am Glas anzubringen, kann dieses Risiko auch vermeiden: Das Schlauchende reicht dabei nur so weit ins Becken, dass höchstens so viel Wasser ablaufen kann, wie dem maximalen Volumen des Eimer entspricht.
Beispiel: Ein Eimer fasst komplett gefüllt 10 l, das Becken hat die Maße 60 x 30 x 30 cm – reicht das Schlauchende 5 cm ins Aquarium (von der Oberkante aus gemessen), können maximal 9 l Aquarienwasser in den Eimer gelangen, bevor der Schlauch aufgrund des fallenden Wasserspiegels trocken läuft.
Sollte die Raumtemperatur deutlich unter der Beckentemperatur liegen, ist es zudem ratsam, den Eimer vor Wärmeverlust zu schützen. Entweder man umhüllt ihn mit einem isolierenden Material oder stellt ihn gleich in eine Styroporbox, in deren Deckel man für die Schlauchdurchführung ebenfalls ein Loch bohrt.
Meiner Meinung nach lässt sich der Durchflussregler feiner einstellen als ein herkömmliches Ventil aus der Aquaristik. Das kann bei kleinen Tieren, die einzeln in einem sehr geringen Wasservolumen transportiert werden, wichtig sein.
Eine dritte Möglichkeit, eher eine Notlösung, sei zum Vergleich erwähnt: ein herkömmlicher dünner Silikonschlauch kann verknotet werden, um ebenfalls ein Tropfsystem herzustellen, wenn gerade nichts anderes zur Hand ist. Allerdings lässt sich das nicht wirklich gut einstellen – gerade neue Schläuche, die noch viel Weichmacher enthalten, lassen sich nicht eng genug verknoten oder wieder entknoten (um die Durchflussmenge anzupassen), mit alten Schläuchen bekommt man oft ebenfalls keinen anständigen Knoten hin.
Innerhalb eines halben Tages lässt man dann mit der beschriebenen Methode das Vier- bis Fünffache des Beutelinhaltes an Aquarienwasser in den Eimer laufen. Die Durchflussmenge kann nach einiger Zeit auch erhöht werden. Damit hat man ein praktisches System, ohne viel manuelle Arbeit seine neuen Pfleglinge behutsam anzupassen oder auch um Tiere aus dem eigenen Bestand umzusetzen (etwa vom Freiland ins Haus zurück oder umgekehrt). Durch das auftropfende Wasser gelangt zudem Sauerstoff ins Wasser. Für scheue Arten bringt man noch eine Pflanze zur Deckung in den Eimer ein, dessen Farbe eher keine Rolle spielt. Und noch ein Herzenstipp aus eigener Erfahrung: Bitte stellen Sie sicher, dass Sie die Kontrolle nicht vergessen – sonst heißt es Wasser aufwischen.
Text und Fotos von Sebastian Wolf