von Sebastian Wolf
Die Haltung von Süßwassermuscheln im Aquarium ist eine eher ambivalente Sache: Gekauft werden sie sicher gerne, sie kosten nicht so viel, und es ist verlockend, mal etwas anderes in sein Wirbellosen-Sammelsurium zu setzen. Dass das nicht die besten Voraussetzungen sind, um an diesen Mollusken länger als nur ein paar Wochen Freude zu haben, stellt sich relativ bald heraus, und so wird der eine oder andere Käufer sicher schnell vom Muschelhalter zum Schalensammler.
Meistens wird dann eine unzureichende Nahrungsversorgung vermutet, und so findet man schwammige bis wilde Anleitungen zum Füttern, denn eine oft gehörte Einschätzung ist sicher nicht falsch: Es ist schwierig, in einem normal gefilterten Aquarium einem filtrierenden Organismus genug feinste, schwebende Partikel zuzuführen. Mit „normal gefilterten“ Aquarien meine ich hier solche, in denen ein luft- oder motorbetriebener Filter alle sichtbaren Schwebeteilchen herausfischt – wer möchte schon trübes Wasser ansehen? Gleichzeitig soll aber das zugeführte Feinstfutter die Muscheln auch über längere Zeit erreichen, und dafür braucht es eben laut gängiger Meinung eine Wasserumwälzung.
Meine ersten Haltungsversuche mit diesen Mollusken (Körbchenmuscheln, Corbicula spp.) waren denn auch ein riskanter Kompromiss: Wasserumwälzung mithilfe von Strömungspumpen und keine Filterung. Ein guter Teil des zugeführten Feinstfutters landete so sicherlich im Bodengrund. Das erschien mir bald nicht mehr zielführend. Zudem stellte sich heraus, dass die gekauften Muscheln eindeutig höhere Wassertemperaturen bevorzugten – diese habe ich nur in Becken, die nicht extra durchströmt werden. Aber auch hier bestand die Frage nach einer zielgerichteten Zuführung von Staubfutter – ohne Strömung würde das Futter zwar weniger im Becken verteilt, dafür aber absinken und nicht mehr in der Schwebe sein. Zudem waren die in denselben Becken aufgezogenen Fische ganz erpicht auf das feine Zusatzfutter – neu gekaufte Muscheln schließen aber ihre Schalen, wenn Fische um sie herum den Boden durchpicken.
Die passende Lösung kam mir in den Sinn, nachdem ich weitere neu erworbene Körbchenmuscheln nicht frei auf das Substrat, sondern in eine Petrischale von 9 cm Durchmesser mit einer flachen Sand-Kiesschicht gesetzt hatte. In einem Aquarium mit einer Substratschicht von 3 cm Höhe oder mehr sieht man von gesunden Körbchenmuscheln nämlich nicht viel – sie tauchen ab, maximal ist noch ein Stück Schale erkennbar. Da sie in der Petrischale nun maximal halb vergraben waren, ließen sie sich wesentlich besser beobachten.
Bei der Zugabe eines Huminstoffpräparates fiel mir zufällig auf, dass die Tiere auch in strömungsarmen Becken durch ihren Sipho (Ein- und Ausströmöffnung) in einem kleinen Bereich um sich herum eine ganz feine Wasserströmung erzeugten. Ließe sich diese nicht entsprechend nutzen, wenn man das Futter um die Muscheln konzentrierte, noch dazu abgeschirmt von den gierigen Fischmäulern? Alles möglich mit der „Muschelglocke“! Ein runder Plastikbecher, 10 cm im Durchmesser, passt mit der offenen Seite gut über die Petrischale und kann leicht in den Boden gedrückt werden. Ein in den (jetzt nach oben gerichteten) Becherboden gesteckter Alustab ermöglicht die bequeme Handhabung, ein paar kleine Löcher lassen die Luft entweichen – fertig.
Ein Wasseraustausch mit dem Wasser außerhalb des Bechers kommt damit fast ganz zum Erliegen. Über ein weiteres Loch oben im Becher wird das zu einer Suspension aufgeschwemmte Staubfutter mittels Pipette zugegeben. Dabei handelt es sich um eine Eigenmischung aus Sojamehl, Staubfutter für Jungfische, Chlorella-Pulver und getrockneten Stadien des Heubazillus (Bacillus subtilis).
Nur wenige gröbere Teilchen dieses Futters sinken sofort ab, der größte Teil bleibt länger in der Wassersäule. Einige Zeit nach Zugabe öffnen auch die bisher verschlossenen Muscheln ihre Schalen, und man kann sie beim Filtrieren beobachten. Durch diese Aktivität schaffen sich die Muscheln offensichtlich genug Staubfutter heran – ein paar Stunden nach der Fütterung wird der Becher entfernt, Futterreste sind kaum noch zu erkennen. War das Futterangebot dagegen viel zu reichlich, ist das leicht auszumachen: Dann erhebt sich nämlich tatsächlich eine Wolke an Staubfutter beim Hochheben des Bechers.
Mit der passenden Menge muss man experimentieren – für die beiden abgebildeten, 1,5–2 cm großen Muscheln habe ich für die Fotodokumentation eine halbe Pipette der wässrigen Futtersuspension zugeführt und den Becher nach fünf Stunden wieder entfernt. Hat man die passende Menge gefunden, hilft die Verwendung der Muschelglocke, auch besonders in stärker durchströmten Becken, dass nicht zu viel Futter verloren geht. Somit muss man auch nicht auf eine konventionelle Filterung verzichten, vorausgesetzt, die Muscheln hält man in einem definierten Bereich, den man vom restlichen Becken eben zeitweise abkapseln kann.
Wie sich im Lauf der Zeit dann noch herausstellte, benötigen Körbchenmuscheln nicht kontinuierlich Staubfutterzufuhr, zumindest nicht, wenn sie in einem wirklich gut eingefahrenen Becken mit feinkörnigem Substrat gehalten werden, in dem man andere, nicht filtrierende Bewohner regelmäßig füttert. Denn was so ziemlich alle aquaristischen Steckbriefe und Beschreibungen verschweigen: Körbchenmuscheln besitzen einen alternativen Mechanismus zur Nahrungszufuhr, der unabhängig vom Filtrieren ist. Dazu benutzen sie ihren Fuß („pedal feeding“). Das ist aber wieder eine andere Geschichte …
von Sebastian Wolf