Vor ungefähr 2.500 Jahren glaubten die Griechen, dass der nur erbsengroße Krebs, der im Kiemenraum von Steckmuscheln der Gattung Pinna lebt, seinen Wirt durch Kneifen vor möglichen Gefahren warnt. Auch wenn man heute weiß, dass das ins Reich der Fabeln gehört, brachte diese Vermutung dem kleinen Krebs seinen deutschen Namen ein.
Die Rede ist vom Muschelwächter (Pinnotheres pinnotheres), einer Krabbe mit einem Körperdurchmesser bis 15 Millimeter, die meist im Inneren von Steckmuscheln, seltener auch anderen Muscheln oder Seescheiden anzutreffen ist. Nähert man sich einer Steckmuschel so vorsichtig, dass sie sich nicht schließt, kann man mit etwas Glück den Zwerg im Kiemenraum des Weichtiers umherlaufen sehen. Die riesige Muschel wird von ihrem winzigen Untermieter, der einen kleinen Teil des von seinem Wirt aus dem Wasser filtrierten Planktons für sich abzweigt, nicht geschädigt.
Etwas anders sieht es bei einer nah verwandten Art aus, der Erbsenkrabbe (Pinnotheres pisum), die beispielsweise in Miesmuscheln und in Austern lebt und gelegentlich ebenfalls als Muschelwächter bezeichnet wird. Die bis zwei Zentimeter große Art wurde vor wenigen Jahren erstmals im Wattenmeer vor Sylt nachgewiesen. Aufgrund der wesentlich geringeren Größe ihres Wirts muss man den „Plankton-Diebstahl“ bei ­dieser Lebensgemeinschaft schon eher als Parasitismus bezeichnen.
Das Auftauchen von P. pisum in Schleswig-Holstein könnte eine Folge der Klimaerwärmung und des damit verbundenen Anstiegs der Wassertemperatur im Wattenmeer um 2 °C in den letzten Jahren sein. Andere Vermutungen besagen, dass die kleinen Krabben mit von den Britischen Inseln importierten Miesmuscheln nach Sylt gelangt seien.
Miesmuschelfischer befürchten indes Probleme durch das Auftauchen der Erbsenkrabbe für ihren Ertrag, da sie Mytilus edulis für die Vermarktung abwerten könnte. Schließlich möchte kein Feinschmecker beim Muschelschmaus auf einen „knusprigen“ Inhalt beißen.
Autor: Helmut Göthel