In einer Studie war nach spätestens 42 Tagen von drei oder vier Lysmata immer nur ein Paar übrig. Die Forscher glauben, das liege an der Nahrungsökologie. Nur ein einziges Paar Putzergarnelen (Lysmata amboinensis) bleibt oftmals in einem Aquarium übrig, was für viele Meeresaquarianer nichts Neues ist. Die zwittrigen Crustaceen leben zumindest in Gefangenschaft streng monogam und „kannibalisieren“ potenzielle Mitbewerber um Nahrung und Partner.

Reißerisch wurde die hier referierte Studie mit Begriffen wie „Mörder“ und „brutaler Vernichtungskampf“ auch von großen Medien aufgegriffen, doch blieben dabei die eigentlich in­teressanten Hintergründe ein wenig im Dunkeln.



Lysmata-Putzergarnelen sind territorial und für ihren Nahrungserwerb stark abhängig von ihren „Kunden“. Was ruft bei diesen Tieren die soziale Monogamie hervor? Diese Frage stellten sich Janine WONG (Universität ­Tübingen) und Nico MICHIELS (Uni­versität Basel). Nach ihren Versuchen glauben sie, es liege an der Nahrungsökologie.

Diese Zehnfußkrebse reifen ausnahmslos als Männchen heran und erlangen erst später die sexuelle weibliche Funktion. Die Soziobiologie von Lysmata-Garnelen ist aber hoch variabel: Einige Arten leben in großen Verbänden, andere in kleinen Gruppen oder sogar monogam, also als Paar. Das betrifft vor allem jene Arten der Putzergarnelen, die Fische von Para­siten und abgestorbenen Hautfetzen reinigen, also L. amboinensis, L. grabhami und L. debelius, so WONG & MICHIELS.

Lysmata amboinensis bewohnt die tropischen Regionen des Indo-Pazifiks und des Roten Meeres, ihre Testtiere erhielten die Wissenschaftler von den Philippinen. Sie untersuchten, wie Häutungs­zyklen und -zahl die Gruppenstabili­-tät beeinflussen, und hielten Tiere ­einzeln (zur Kontrolle), in Paaren, zu dritt und zu viert. Mit zunehmender Gruppengröße erhöhte sich generell auch die Menge potenzieller Paarungspartner – aber ebenso wuchs der Kreis der Wettbewerber.

Nach spätestens 42 Tagen war in allen Becken nur noch ein Pärchen übrig, das jeweils dritte Tier oder das dritte und vierte Tier waren kurz nach der Häutung verendet. „Analysen der nächtlichen Videos deuten darauf hin, dass aggressive Interaktionen zu den Todesfällen beigetragen haben“, heißt es in dem Bericht. Sobald von den ­Trios und Quartetten nur noch Paare übrig waren, lag die Sterblichkeit bei null. Auch die Häutungsrate erhöhte sich von diesem Zeitpunkt an deutlich.

Im Durchschnitt häuteten sich die Garnelen bei den Paaren alle 15 Tage. Nur wenige Stunden nach der Ecdysis sind sie empfänglich für Sperma von einem Partner in der männlichen oder in der hermaphroditischen Phase. Die männliche Rolle kann jederzeit ein­genommen werden, sogar während der Trächtigkeit. Eine Selbstbefruchtung kommt bei diesen doppel­ge­schlech­tigen Zwittern nicht vor, obwohl sie mechanisch möglich wäre. Auch eine Speicherung von Sperma­tophoren wie bei vielen anderen De­kapoden gibt es nicht.

Tagsüber wurden keinerlei Aggressionen festgestellt, nicht einmal Rangkämpfe zwischen unterschiedlich großen Individuen. In größeren Gruppen wird die Häutung so lange wie möglich unterdrückt, weil sie das größte Todesrisiko darstellt. Schließlich wurden in den Dreier- und Vierergruppen immer die frisch gehäuteten Tiere eliminiert, bis nur noch ein Pärchen übrig war. Wahrscheinlich sind die annähernd gleich großen Konkurrenten auch nur in der Lage, einen frisch gehäuteten und noch weichen Gegner zu töten.

Als Grund nehmen die Forscher an, dass bei den Garnelen die Zahl der Eier mit der Körpergröße zusammenhängt. In einer Gruppe würde also die Hemmung der Häutungen zu einem geringeren Wachstum führen – und so zu einem Sinken der Fruchtbarkeit. Da sei es auf Dauer eher profitabel, permanente Nahrungskonkurrenten auszuschalten und nur einen einzigen, dafür aber fruchtbareren Partner zu haben. Artgenossen als direkte Konkurrenten statt potenzielle Partner zu sehen, das kennt die Wissenschaft ­bereits von dem hermaphroditischen Wurm Ophryotrocha diadema.

„Da soziale Monogamie nur bei Lysmata-Arten gefunden wird, die das Putzerverhalten und den symbiotischen Lebensstil angenommen haben, nehmen wir an, dass das Futterverhalten von L. amboinensis größere Gruppen als zwei Individuen verhindert.“ In individuenreicheren Verbänden gäbe es zudem mehr Gelegenheiten für den Betrug des Partners. Wenige Artgenossen heißt auch wenig Potenzial für Kämpfe um die Nahrung.

Anmerkung der Redaktion: In Ko­rallenriffen tritt L. amboinensis sowohl paarweise als auch in Gruppen von bis zu 100 Individuen auf. Auf keinen Fall ist es grundsätzlich so, dass im Aquarium von mehreren eingesetzten Exemplaren nie mehr als zwei übrig bleiben. In vielen Becken lebt die Art nämlich auch in einer Gruppe von mehr als zwei Tieren jahrelang friedlich miteinander.

Oliver Mengedoht

Literatur

WONG, J. W. Y., & N. K. MICHIELS (2011): Control of social monogamy through aggression in a hermaphroditic shrimp. – Frontiers in Zoology 8: 30. DOI: 10.1186/1742-9994-8-30.