Pflanzenexperten, Freunde holländischer Aquarien, vielleicht auch Amano-Fans werden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: „Plastikpflanzen? Nein, unmöglich!“ Von Reinhold Wawrzynski

Auch der „normale“ Aquarianer begegnet diesen Deko-Grünlingen mit einiger Skepsis. Die Kunstpflanzen erinnern viele Fischfreunde an Omas Goldfischkugel, in der noch nicht einmal einige Ranken Wasserpest (Egeria densa) überlebten. Der obligatorische Goldfisch (Carassius auratus) wurde allerdings auch öfter ausgetauscht.

Verschämt mischten Aquaristikfreunde in der Anfängerzeit die Kunststoffpfanzen den „echten Aquarienpflanzen“ bei, damit der grüne Unterwasserdschungel „voller“ aussah. Meistens hatte man mit der Beleuchtung oder der Düngung etwas falsch gemacht, sodass die lebenden Pflanzen nicht gedeihen wollten. So erinnern Plastikgewächse fast immer an die Zeit, als man noch viel Lehrgeld für seine Fehler zahlen musste.



Und heute?
Das Sortiment an Kunstpflanzen ist so groß wie nie zuvor. Im aquaristischen Fachhandel und in Online-Shops werden unzählige kitschige, häufig aber auch sehr naturgetreue Pflanzen angeboten. Solche Artikel gehören zum festen Warenangebot vieler seriöser Aquaristikfirmen. Sicher wird es meist auch heute Unkenntnis in der Pflanzenpflege sein, die den Aquarianer zu Kunstpflanzen zieht.

Viele Liebhaber größerer Welse, Buntbarsche, Süßwasserrochen und weiterer „Fisch-Sonderlinge“ aber haben die Kultur natürlicher Pflanzen meist aus anderen Gründen längst aufgegeben: Entweder fressen ihre Tiere das Grünzeug auf, oder sie graben es aus. Zudem sind Aquarien insbesondere für Welse beleuchtungstechnisch häufig dermaßen düster, dass selbst we­niger lichthungrige Pflanzen wie Anubias-, Microsorum- oder Cryptocoryne-Arten darin nicht gedeihen. Vielfach sehen diese Spezialbecken daher etwas karg aus. (Mancher Cichliden- oder Welsfreak hat aber auch einfach kein Geschick, mit Steinen oder Wurzelholz etwas Ansprechendes zu gestalten.)

Künstliches Grün kann hier für eine schöne Optik sorgen. Puristen werden bemängeln, dass es in vielen natürlichen Habitaten der genannten Fische überhaupt keine Pflanzen gibt. Aber in den meisten Fällen sehen Aquarien mit einzelnen Büscheln künstlicher Gewächse doch gleich viel besser aus.

Erbsenzähler beanstanden, dass Wasserpest- oder Haarnixen-Bestände beispielsweise in den Wohngewässern asiatischer Raubwelse gar nicht vorkommen. Das ist zwar richtig, aber in der Natur wachsen kanadische Wasserpest, südamerikanische Amazonasschwertpflanzen, afrikanische Wasser­farne, asiatischer Wasserfreund und russische Mooskugel auch nicht zusammen in einem Gewässer. In einem „normalen“ Gesellschaftsbecken hingegen finden wir ein solches Sammelsurium schön.

Sorgfältige Zusammenstellung
Bei der Auswahl von Plastikpflanzen sollte man sich möglichst für nur eine oder zwei grüne Arten entscheiden, von jeder aber mehrere Exemplare nehmen. Rote Pflanzen scheiden in der Regel aus; meines Erachtens wirken sie einfach zu unnatürlich. Noch ein Tipp: Kauft man von den grünen Arten jeweils mehrere Exemplare von zwei oder drei unterschiedlichen Herstellern, sieht die Dekoration gleich um einiges vielfältiger aus; das Ver­mischen ist dabei wichtig.

Die Firmen loben ihre Kunstpflanzen als pflegeleicht und immer „frisch aussehend“. Ich finde jedoch, dass mehr oder weniger stark veralgte Kunststoffpflanzen in einem düsteren Wels-Aquarium für einen viel dekorativeren, wenn nicht gar „mystischen“ Effekt sorgen.

Probleme gibt es mit „abenteuer­lichen“ Befestigungssystemen, das heißt, die Gewächse bleiben nicht im Boden. Hier ist Kreativität gefordert. Man verklemmt die Grünlinge fest ­zwischen Steinen und schweren Holzwurzeln, manchmal muss man sie auch mit geeignetem Kleber an einem Stein fixieren. Ich habe die besten ­Erfahrungen mit Zweikomponeten- und Unterwasserkleber gemacht. Silikon funktioniert manchmal auch.

Meine Wassermessungen ergaben übrigens keine negativen Werte. Wichtig für den Besatz mit künstlicher Wasserpest & Co. sind stabile Wasserverhältnisse. Sorgfältige Wasserpflege und regelmäßige Messungen sollten wie bei einem „richtigen“ Bewuchs erfolgen.

Bei der Auswahl empfiehlt es sich, auf namhafte Hersteller zu achten. Das Billigste ist nicht unbedingt das Beste. Seriöse Firmen testen ihre Produkte, bevor sie die Ware in den Handel bringen, damit Fische und Wirbellose keinen Schaden nehmen.

Bei der Haltung wertvoller raspelnder Harnischwelse wäre ich vielleicht vorsichtig. Bisher hatte ich bei meinen Fischen aber keinen einzigen Ausfall.
Auch ich betreibe – natürlich! – Aquarien, die schön und üppig mit lebenden Pflanzen eingerichtet sind. Doch bei einigen Fischarten funktioniert das eben nicht. Also: Plastikpflanzen gefällig?