Wer als Aquarianer seinen Urlaub im Erzgebirge verbringt, denkt sicher eher an „Diskus-Wasser“ und Salmler-Züchter als an blaue und gelbe Buntbarsche aus Ostafrika. | Von Rainer Stawikowski

Mülsen liegt nur wenige Kilometer östlich der Bergbau-, Industrie- und Handelsstadt Zwickau im Südwesten Sachsens. Der Ort gilt als die „längste“ Gemeinde dieses Bundeslands, was ich bis zu meinem Besuch kurz nach Weihnachten 2012 aber ebenso wenig wusste, wie ich ahnen konnte, dass in St. Jacob, einem der acht Mülsener Ortsteile, ein Aquarium steht, dass in DATZ 2/2013 näher vorgestellt werden sollte.



Auf die Idee, mich auch einmal nach einem „Blickfang“ außerhalb der Stadtgrenzen Gelsenkirchens umzusehen (was natürlich nicht heißt, dass es „auf Schalke“ nicht noch etliche vorzeigbare Aquarien gäbe), brachte mich meine Frau. Ein Kurz­urlaub im Erzgebirge stand bevor, in Hartenstein, ebenfalls nicht weit von Zwickau: „Gibt es dort keinen Aqua­rienverein?“ Doch, gibt es!

Um es kurz zu machen: Wenige Tage vor unserem Sachsen-Trip rief ich Andreas Hascher an, den Vorsitzenden der Aquarienfreunde Zwickau, und trug ihm die Idee meiner Frau vor. Sie gefiel ihm (die Idee), er gab mir eine Telefonnummer in Mülsen, und tags darauf vereinbarte ich einen Besuchstermin bei Vereinsfreund Ulrich Fischer. Allerdings versäumte ich zu fragen, was er denn in seinem Aqua­rium pflegt. Dass er Malawisee-Cich­liden hält – und eben keine Diskus­fische oder Salmler oder Zwergbuntbarsche –, erfuhr ich erst kurz vor meinem Besuch. „Keine Mbunas, sondern größer werdende Arten“ leben in seinem Wohnzimmerbecken, erzählte er mir, als ich mich für den ­späten Nachmittag des 28. Dezember mit ihm verabredete. „Aber nicht sehr viele Arten, und ausgewachsen sind die Tiere auch noch nicht.“ Ich war ­gespannt.

Die Fahrt von Hartenstein nach Mülsen dauerte keine halbe Stunde. Es war schon dunkel, aber die zahl­reichen Gewässer waren nicht zu übersehen – immer wieder Karpfen­teiche, aber auch Rinnsale und Bäche, die zum Mülsenbach plätschern, der wiederum in die Zwickauer Mulde strömt. Eine wunderschöne Gegend – und so viel „Diskus-Wasser“!

Mein Gastgeber erwartete mich schon, und wie es schien, freute er sich über meinen Besuch. Das erste Aquarium stand im Flur, besetzt mit kleiner bleibenden Malawisee-Cichliden. Hinter einer Zimmertür verbarg sich eine Aufzuchtanlage. Die an drei Wänden in drei Etagen untergebrachten, unterschiedlich großen Becken beherbergten unter anderem Lebendgebärende Zahnkarpfen, Welse und Zwergcichliden („Börsenfische“), außerdem einige „Mittelamerikaner“ und Erdfresser – Arten aus der „Vor-Malawisee-Ära“. Und im Wohnzimmer dann der Blickfang, das 200 x 60 x 70 Zentimeter (L x T x H) große Bassin, bevölkert mit 25 halbstarken Buntbarschen, doch dazu unten mehr.

Ulrich Fischer, Jahrgang 1960, wuchs in Zwickau und in Mülsen auf. Klar, dass er als Kind die vielen ­Gewässer der Umgebung erkunden musste, gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Thomas*. Beide interessierten sich schon früh für die einheimische Wasserwelt, und das gemeinsame Kinderzimmer war schnell mit zahlreichen Gläsern vollgestellt – der „klassische“ Einstieg.

Aber auch der Naturkundeunterricht förderte Ulrichs Begeisterung für die aquatische Fauna, hatte er doch das Glück, von einem Lehrer unterrichtet zu werden, der seine Schüler dazu ermunterte, selbst gefangene ­Fische, Amphibien oder Insekten ins Klassenzimmer mitzubringen, um sie genauer zu studieren. So verwundert es nicht, dass ­Ulrich schon bald stolzer Besitzer eines „richtigen“, immerhin 80 Zentimeter langen Eisenrah­men-Aqua­riums war, besetzt mit Lebendgebärenden Zahnkarpfen.

Der Schritt in die „organisierte“ Aquaristik ließ auch nicht lange auf sich warten, er vollzog sich ebenfalls in der Schule: Der Russisch-Lehrer war nämlich – was für ein Zufall – Vorsitzender der Mülsener Aquaristik-Fachgruppe im Kulturbund der DDR. So kam es, dass Ulrich schon als Zwölf- oder 13-Jähriger intensiven Kontakt zu „alten Züchter-Hasen“ pflegte, von denen es damals viele gab; kein Wunder bei den bekanntermaßen ­optimalen erzgebirgischen Wasserverhältnissen! Zwar blieben die Poecili­iden erst einmal seine Favoriten, doch genoss Ulrich es, in der Mülsener Fachgruppe Vorträge über alle mög­lichen anderen Fische zu erleben, zumal Größen wie Lothar Zenner, Werner Neumann, Hans Joachim Richter, Rainer Eisenblätter oder Peter Günnel zu den Referenten gehörten.

Seit Mitte der 1970er-Jahre waren dann Zwergbuntbarsche Ulrichs Lieblingsfische, und die seines Bruders ebenfalls: Verschrieb sich Thomas den Südamerikanern, insbesondere der Gattung Apistogramma, widmete sich Ulrich den Westafrikanern und vermehrte Pelvicachromis, Nanochromis & Co. Das war eine schöne Zeit, zumal es auf den regelmäßigen Börsen immer viele interessierte Besucher und dankbare Abnehmer für die Nachzuchten gab. Auch die Fachgruppen-Exkursionen, etwa ins beliebte Erfurter Aquarium, zählen zu den bleibenden Erinnerungen aus diesen Jahren.

Bis 1990, also kurz nach der Wende, gab es die Mülsener Fachgruppe, doch dann führte ein rascher Mitgliederschwund ziemlich rasch zu ihrem Ende. Ulrich jedoch blieb seinem Hobby treu. Seit seiner Heirat 1982 lebte er in Zwickau, später in Glauchau, wo er 1996 ein Zoogeschäft eröffnete, das er aber nach fünf Jahren aus Gesundheitsgründen wieder aufgeben musste. Doch damit nicht genug, kurz darauf zerbrach auch noch seine Ehe.

Irgendwie ging es aber doch wieder aufwärts. Heute wohnt Ulrich Fischer mit seiner Lebensgefährtin Bärbel Heydel in Mülsen. Mit seinen mittlerweile erwachsenen Kindern verstehen die beiden sich prächtig; mehr noch, Tochter und Sohn teilen Vaters Leidenschaft für die Aquaristik: Mandy (30) lebt in Winnipeg (Kanada) und ist stolze Besitzerin eines Gesellschaftsaquariums, Marcus (27) wohnt in Zwickau und pflegt Axolotls.

Nach überwundener Krankheit und einer „Übergangsphase“ mit kleinen Becken musste eines Tages wieder ein großes her. Das erst vor rund einem Jahr aufgestellte Wohnzimmer­aquarium wurde eigentlich für Altum-Skalare gebaut, daher die etwas un­gewöhnlichen Abmessungen. Doch dann bekam der gesamte Mülsengrund eine neue Wasserversorgung. Das heute gelieferte Leitungswasser stammt aus tieferen Gesteinsschichten, und sein Chemismus hat sich erheblich verändert: Betrug die Härte früher rund 3 °KH und °dGH, misst man heute 8 °KH und 15 °dGH. Um Salmler oder Diskus zu vermehren, ist es also erforderlich, entweder geeignetes Wasser herbeizuschaffen oder zu „panschen“. Da der gelernte Maschinenbauer Fischer jedoch im Außendienst einer Baufirma tätig und nie vor 18 oder 19 Uhr daheim ist, ­entschied er sich für die Pflege von ­Fischen, die besser zu seinem Wasser passen. So kam er auf die „Malawis“, was er bisher nicht bereut.

Wie das Aquarium eingerichtet ist, lässt sich auf dem Foto auf Seite 76 ­erkennen. Unterschiedlich große Kalksteingruppen und Riesen-Vallisnerien bestimmen das Bild.
Die Technik ist zweckmäßig und einfach. Zwei im Unterschrank verborgene Außenfilter mit einer Pumpenleistung à 2000 Liter pro Stunde sorgen für klares Wasser und kräftige Strömung. Als Substrat dient blauer Filterschwamm. Die Beleuchtung besteht aus zwei Neonröhren à 30 Watt (warmweiß und „Lumoflor“), verstärkt durch Reflektoren. Ein Heizer wird eingeschaltet, sobald die Temperatur unter 27 °C sinkt. Alle 14 Tage erfolgt ein 50-prozentiger Wasserwechsel.

Der Besatz des Aquariums ist noch ziemlich jung, die Fische zogen erst vor einem Jahr ein. Der derzeitige ­Bestand soll später ausgedünnt werden. Ziel ist es, auf Dauer pro Spe­zies ein Männchen und mehrere Weibchen zu halten, sofern das Aquarium sich dafür als nicht zu klein erweist.

„Schade, dass die Nimbochromis fuscotaeniatus mit dem Laichen nicht bis heute Abend gewartet haben“, meint Ulrich Fischer und zeigt mir ein brütendes Weibchen, das sich hinter einem Stein versteckt. Das prächtige Männchen hingegen, eindeutig der Blickfang in dem Aquarium, lässt sich bereitwillig fotografieren.

Die übrigen vier Arten – Aristochro­mis christyi, Buccochromis rhoadesii, Champsochromis caeruleus und Fossorochromis rostratus – sind offenbar ebenfalls in beiden Geschlechtern vertreten; jedenfalls zeigen etliche Tiere Anflüge gelber oder blauer Farbtöne, die verraten, dass es sich um puber­tierende Jünglinge handelt.

Auch wenn die Buntbarsche noch nicht ausgefärbt sind, beeindrucken mich Fischers Fische: Arten wie F. rostratus oder N. fuscotaeniatus gehören zu den „Klassikern“ unter den Malawisee-Buntbarschen; sie wurden bereits in den 1970er-Jahren importiert. Damals erlag auch ich ihrem Charme, und gern hätte ich diese Großcichliden selbst gepflegt, doch ich war noch Schüler, und meine Aquarien waren für solche „Brummer“ viel zu klein.

Zurzeit ist unser Redaktionsaquarium aber nicht mit Fischen besetzt. Mit seinen Maßen von 386 x 80 x 50 Zentimetern ist es für die Pflege dieser Arten doch eigentlich ideal. Eine gute Idee, die meine Frau da hatte ...  

*) Thomas Fischer starb im Februar 2011 (siehe DATZ 5/2011); dieser Beitrag ist seinem Andenken gewidmet.