Ob Schnorcheltour oder Tauchausfahrt – der an der marinen Unterwasserwelt interessierte Naturfreund kommt in Florida garantiert auf seine Kosten. | VON HORST MOOSLEITNER
An der Südspitze Floridas, genau dort, wo bei Key Largo der über viele Brücken führende Highway auf die Florida Keys beginnt, liegt bei Meile 102,5 der „John Pennekamp Coral Reef State Park“, Amerikas erster Unterwasser-Park. Er ist nur einer von 110 State Parks in Florida, die von etwa 15 Millionen Besuchern jährlich frequentiert werden. Er wurde nach John D. Pennekamp benannt, einem Zeitungsverleger aus Miami, der sich besonders für die Etablierung des Everglades-Nationalparks und die Unterschutzstellung jenes Teils des vorgelagerten Riffs eingesetzt hatte, der jetzt seinen Namen trägt. Es ist ein Teil des einzigen Festland-Saumriffs, das es in Nordamerika gibt. Der Park ist 70 nautische Quadratmeilen groß und umfasst Mangroven und Korallenriffe, Sandflächen und Seegraswiesen.
Wie in Amerika üblich, ist der Park für Besucher voll ausgerüstet. Da gibt es zur Information ein großes „Visitor Center“, einen Hafen mit zahlreichen Anlegestellen, dazu Bojen, Bootsrampen, einen Campingplatz mit 40 mit Tischen, Bänken und Grillstellen eingerichteten Parzellen und einem Gelände für Jugendcamps, eine Service-Station, die Glasbodenboot-Touren, Schnorchelausflüge, Segeltörns organisiert und Ausrüstungen verleiht.

Im Hafen befinden sich der Tauch-Shop, der Tauchausfahrten und Ausbildungskurse anbietet, ein Bootsverleih, der Dockmaster, der Dock- und Bojenplätze anweist, und so weiter.
Dazu gibt es einen „Nature Trail“, einen Spazierweg durch einen wilden Tamarisken-Wald, drei durch Bojenketten abgegrenzte Badestrände, einen Aussichtsturm und einen mit kleinen Plastik-Paddelbooten (genannt Kajaks) befahrbaren „Mangrove Trail“.
Da man in den meisten National und State Parks der USA nur im Zelt übernachten kann, hatten wir unsere komplette Camping-Ausrüstung aus ­Europa mitgebracht (bis vor weni­gen Jahren konnte man circa 60 Kilogramm Fluggepäck pro Person gratis mitbefördern lassen).
Es war Sommer, sehr heiß, und es gab viele Stechmücken. Deshalb war am Campingplatz nicht viel los, und wir konnten uns die besten Plätze aussuchen. Wir wählten ein Plätzchen auf einer kleinen Erhebung, unsere englischen Freunde entschieden sich für eine Mulde. Als wir eines Tages nach einem heftigen Gewitter von e­inem Ausflug zurückkamen, standen wir einigermaßen im Trockenen, die Engländer einen halben Meter unter Wasser.
Die Trockenlegung gelang ­jedoch unerwartet schnell: Es gab ­rie­sige ­Wäschetrockner in den Wasch­anla­-gen des Camps, die selbst Schaumstoff­matratzen fassten, und so waren nach wenigen Stunden sämtliche Nachwirkungen des Regens beseitigt.
Einer meiner ersten Wege führte mich in den Tauch-Shop, um Erkun­digungen über Tauchausfahrten, geforderte Dokumente und so weiter einzuholen. Man sagte mir, es reiche aus, wenn ich am nächsten Morgen mit den Papieren vorbeikäme.
Anderntags war ich bei Öffnung um acht Uhr am Tauch-Center und erledigte den Papierkram, um die Ausfahrt um neun Uhr nicht zu versäumen. Da eröffnete mir der Basisleiter, dass man nur mit schriftlicher Anmeldung vom Vortag ausfahren könne. Das hatte er gestern nicht erwähnt.
Also trug ich mich für den nächsten Tag ein, erfuhr aber, dass ich an einer Schnorcheltour, die um neun Uhr startete, ohne Voranmeldung teilnehmen konnte, Eile war geboten. So lief ich mit meiner ABC-Ausrüstung und meiner Kamera zur Ablegestelle und wurde gerade noch auf das Schiff gelassen. Sofort bekam ich einen ­Rettungskragen umgehängt, und los ging’s. Vergeblich versuchte ich zu erklären, dass ich ausgebildeter Taucher sei und zum Fotografieren abtauchen wolle. Aber Vorschrift ist Vorschrift! Kein Schnorchler darf ohne Rettungskragen ausfahren und ins Wasser.
An einem kleinen Riff, genannt „White Banks Reef“, das aus einer etwa sechs Meter tief gelegenen Seegraswiese in Form von Korallentürmen bis fast an die Oberfläche ragte, hielten wir und befestigten das Boot an einer Boje. Nach strikten Anweisungen, die unseren Bewegungsspielraum genau bestimmten, durften wir ins Wasser. Nach nochmaligem Protest flüsterte mir der Tour-Guide zu: „Sie müssen die Weste ja nicht auf­blasen!“ Ich drückte also die Luft so gut es ging aus der Rettungsweste und versuchte damit – mehr schlecht als recht –, abzutauchen und ein paar Aufnahmen von den Rifftürmen und ihren Bewohnern zu machen. Ich hatte arg gegen den Widerstand und den Auftrieb der Weste zu kämpfen und kam stets außer Atem nach oben, ­obwohl ich eigentlich ein guter Freitaucher bin.
Ein Schwarm Gestreifter Riffbarsche (Abudefduf saxatilis) umkreiste uns und glaubte wohl, wir brächten etwas Fressbares mit. Am eindrucksvollsten waren ein Franzosen-Kaiserfisch (Pomacanthus paru) und vier etwa einen Meter lange Barrakudas (Sphyraena barracuda), die sich durch uns nicht aus der Ruhe bringen ließen. Im Seegras entdeckte ich einen Jamaika-Stechrochen (Urolophus jamaicensis), der bei meiner etwas ungestümen Annäherung das Weite suchte. Da aber meine Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt war und obendrein die Sicht höchstens fünf Meter betrug, musste ich den Schnorchelausflug eher als Misserfolg verbuchen.
Tags darauf war es aber so weit. Wir fuhren in einem dicht besetzten Tauchboot und mit zwei Tauchflaschen pro Person an vorgelagerte ­Riffe, wo wir am „Molasses Reef“ und am „French Reef“ je einen Tauchgang absolvierten. Wir staunten nicht schlecht, als uns nach einer kurzen Einführung die Tauch-Guides einfach ins Wasser entließen und sagten, wir könnten tauchen, wie und wo wir wollten, nur müssten wir in einer Stunde wieder hier sein. Welch ein Unterschied zum Schnorchelausflug!
Das Meer war hier zehn bis 15 ­Meter tief, mit schönen Korallenformationen und kleinen Sandflächen dazwischen. Besonders auffällig waren viele, in der leichten Dünung wiegende Fächer und Wedel zahlreicher Arten von Hornkorallen sowie ausladende, hoch aufragende Elchgeweih-Korallen.
Überall gab es Fische in großer Zahl – Herden von Schnappern (Lut­janus sp.), Grunzern (Haemulon sp.), Barben (Mulloidichthys sp.), unzählige Riffbarsche, Lipp- und Papagei­fische, darunter den Ampel- (Sparisoma viride) im Jugend-, Primär- und Sekundärkleid sowie einen Himmelblauen Papageifisch (Scarus coeruleus) mit beeindruckender Stirnbeule.
Auf einer kleinen Sandfläche war ein Goldstirn-Brunnenbauer (Opisthognathus aurifrons) damit beschäftigt, Sandkörner aus seiner Wohnröhre zu transportieren. Ein großer Eber-Lippfisch (Lachnolaimus maximus) suchte im Sand und am festen Grund nach Nahrung.
Als ich an einem Korallenblock entlangschwamm, überholte mich plötzlich eine riesige, fast zwei Meter lange Grüne Muräne (Gymnothorax ­funebris). Ich entdeckte sie erst, als sie knapp unter meinem Kopf hervorschwamm. Sie interessierte sich aber nicht für mich, sondern für etwas, das nun unmittelbar vor uns lag, ihr Versteck! Sofort verschwand sie darin, doch schon nach wenigen Minuten kam ihr Kopf wieder zum Vorschein.
In einer kleinen Höhle standen zwei über einen Meter lange Snooks (Centropomus undecimalis), gut erkennbar an ihrer dunklen Seitenlinie. Dann begegneten wir Tauchern, die mit Nargileh-Geräten unterwegs waren: Sie besaßen je einen kleinen, schwimmenden Kompressor, von dem aus sie mittels Schlauch mit der nö­tigen Luft versorgt wurden. Das entspricht der amerikanischen Art des „Easy Diving“, bei der man in seichten Gewässern (kaum tiefer als zehn Meter) fast ohne zeitliche Limits seinem Hobby nachgehen kann. Später kamen wir an Resten eines Wracks vorbei, von dem nur noch der Motorblock mit Getriebe zu sehen war, vom ehemaligen Holzrumpf keine Spur.
Pünktlich waren wir zurück am Schiff, und sofort ging es ab zum zweiten Tauchplatz, French Reef. Wieder hatten wir eine Stunde Zeit und hielten uns, um beim Zurücktauchen keinen Stress zu bekommen, an die alte Taucherregel: Gegen die Wasserströmung vom Anker weg und in einem großen Bogen mit ihr zurück! Die Strömung war zwar nicht nennenswert, doch man weiß ja in fremden Gewässern nie, wie sie sich entwickeln wird.
Wieder sahen wir fotogene Korallenformationen mit Fächer-Hornkorallen und – neben den schon vom vorigen Tauchgang bekannten – einigen weiteren Fischarten. Wir beob­achteten Karibik-Juwelenbarsche (Cephalopholis fulva) in verschiedenen Färbungen, große Nassau-Zackenbarsche (Epinephelus striatus) vor oder in ihren Höhlenverstecken und teils mit Putzergrundeln, junge Schweins-Grunzer (Anisotremus virginicus) mit zwei dunklen Längsstreifen und erwachsene mit einem dunklen Querstreifen durch das Auge und einem weiteren hinter dem Kiemeneckel.
Weiter schwammen hier junge und erwachsene, schwarz und weiß gestreifte Ritterfische (Equetus sp.) mit imposant hohen vorderen Rückenflossenstrahlen, Rote Eichhörnchenfische (Holocentrus rufus) und Soldatenfische (Myripristis jacobus), ein großer Schrift-Feilenfisch (Aluterus scriptus), den wir schon vom Indopazifik her kannten und der neben dem großen Gepunkteten Igelfisch (Diodon hystrix) eine der wenigen Arten ist, die in fast allen tropischen Meeren (zirkumtropisch) zu finden ist.
Außerdem sahen wir einen Pfauen-Butt (Bothus lunatus), Blaukopf-Junker (Thalassoma bifasciatum) und einen Schwarm Kreolen-Lippfische (Clepticus parrae), die sich an einer Putzstation von Gobiosoma-Grundeln säubern ließen. Eher zufällig ent­deckten wir einen Spitzkopf-Kugelfisch (Canthigaster rostrata). Ein Trompetenfisch (Aulostomus maculatus) schwamm dicht über dem Rücken eines Papageifisches, um unauffällig an seine Beutetiere heranzukommen.
Neben den Tauchgängen schnorchelte ich auch an den zum Baden freigegebenen Stellen. Die Sicht betrug dort zwar nur etwa einen Meter, aber an einem Bojenseil entdeckte ich zahlreiche interessante Siedler wie Algen, Seescheiden und Schwämme. Dann erschien plötzlich im Sucher meiner Kamera der schaurige Kopf eines ka­pitalen Barrakudas! Seinen restlichen Körper konnte ich in dem trüben Wasser nur erahnen ...
Beinahe genauso interessant war es, am Rand der Mangroven entlangzuschnorcheln, zwischen deren Stelzwurzeln zahlreiche Jungfische Schutz und Nahrung suchten. Beeindruckend waren ganze Trauben von Muscheln, Schwämmen und Algen an den Man­grovenwurzeln, die sich anscheinend alle gegenseitig zu überwuchern trachteten. Auf dem Weichboden traf ich hin und wieder diverse Seeane­monen sowie auch mit ihrer Schirmoberseite dem Untergrund aufliegende Wurzelmundquallen (Cassiopeia frondosa) an.
Leider war auch hier das Wasser sehr trüb, sodass man höchstens zwei Meter weit sehen konnte. Aber trotz dieses Nachteils wurde mir beim Schnorcheln nie langweilig.
Aber nicht nur innerhalb des John ­Pennekamp ­State Parks gab es viel zu er­leben. Auch die Umgebung bot zahlreiche interessante Ziele, die in Halb- oder Ganztagsausflügen angesteuert werden konnten, etwa das „Shark Valley“, in dem Haie und ­Rochen gehalten werden, oder das Vogel-Hospital, in dem verunfallte ­Vögel gepflegt werden, bis sie wieder flugfähig sind, oder das „Theater of the Sea“, in dem Del­fine und See­löwen „Kunststücke“ vorführen und man mit Stechrochen schwimmen kann.
Besonders lohnend ist ein Besuch des riesigen Everglades-Nationalparks, am besten mit einem „Airboat“, einem von einem großen Propeller ­geschobenen Flachboot, mit dem die Sümpfe und flachen Inseln befahren werden. Hier gibt es viele Vogelarten und Alligatoren zu sehen. Auch macht man gar nicht so selten Bekanntschaft mit Waschbären, die darauf aus sind, dem unachtsamen Camper Lebensmittel, insbesondere Brot, zu klauen.
Außerdem sollte man nicht versäumen, einmal die 100 Meilen über zahlreiche Inselchen und Brücken nach Key West zu fahren und dort den Sonnenuntergang, der mit akrobatischen und anderen Vorführungen lautstark begangen wird, mitzuerleben. Manchmal allerdings endet dieses Spektakel jäh, wenn nämlich ein Gewitter aufzieht und jeder nur noch sein Heil in einer der Gaststuben zu finden hofft.
Zu den weiteren Höhepunkten zählen die zahlreichen, über ganz Florida verteilten Süßwasserquellen, die meist glasklare Seen mit bis zu 80 ­Metern Sichtweite bilden und in denen man im Sommer Sonnenbarsche und viele andere Fische beobachten kann. Im Winter tummeln sich hier Seekühe (Manatees), doch wenn die da sind, darf man in den meisten Quelltöpfen nicht schwimmen.
Die Liste der Sehenswürdigkeiten Floridas ließe sich noch lange fortsetzen, so lange, dass selbst zwei Monate Urlaub nicht ausreichen würde ...