Nicht alle Tage zu sehen: Ein Eremit wechselt seine Behausung. | Von Andreas Werth
Einsiedlerkrebse sind an Kopf, Brust und Beinen durch einen verkalkten Chitinpanzer geschützt, ihr Hinterleib jedoch ist weich und angreifbar. Daher bedienen sie sich passender Schneckenschalen, die sie mit sich umhertragen. Dieses Verhalten ist ein Beispiel für Metabiose: Die Krebse nutzen leere Schneckenschalen ohne Gegenleistung zu ihrem Vorteil.
Auf der Suche nach einer geeigneten Behausung sind Einsiedlerkrebse verständlicherweise wählerisch, denn eine hohe Passgenauigkeit sichert die besten Überlebenschancen. Bei Gefahr versuchen sie, sich mit ihrem rechtsspiralig gedrehten Hinterleib weit in das Gehäuseinnere zurückzuziehen und mit der größeren Schere die Eingangsöffnung zu verschließen.
Die Fotos zeigen einen Bernhards-Einsiedlerkrebs (Pagurus bernhardus), der ein Wellhornschneckengehäuse einer intensiven Eignungsprüfung unterzieht. Da der tragbare Unterschlupf bei den periodisch stattfindenden Häutungen nicht mitwächst, müssen die Krebse regelmäßig umziehen.
Beim Gehäusewechsel ist Eile geboten – schließlich bietet genau dieser Moment die beste Zugriffsmöglichkeit für Fressfeinde. Geschwind schlüpft der Krebs in sein neues Heim.
Einsiedlerkrebse mit noch höherem Sicherheitsbedürfnis rüsten ihr Eigenheim auf, indem sie Symbiosen mit verschiedenen Nesseltieren eingehen. So sieht man bei marinen Arten häufig mit Seeanemonen oder Stachelpolypen bewachsene Schneckenschalen, und gelegentlich trifft man sogar auf Exemplare mit tragbarer Giftvilla, deren Wohnhaus von einem toxischen Schwamm überwuchert ist.
Die Wellhornschnecke in der Bildserie bietet solchen Luxus nicht, doch das kann ja noch werden. Einsiedlerkrebse sind nicht darauf angewiesen, bereits bewachsene Gehäuse zu finden, denn sie besetzen ihre Häuser, sobald sich die Gelegenheit ergibt, aktiv mit geeigneten Nesseltieren – oder ziehen, wenn möglich, mitsamt vorhandenem Partner um.
Weitere Strategien der Verteidigung sind das Eingraben in den Bodengrund oder das Verstecken zwischen Felsspalten im Riff.
Der Krebs hat es geschafft, der Gehäusewechsel wurde innerhalb weniger Sekunden erfolgreich vollzogen. Das neue Schutzhaus ist ein ganzes Stück größer als das Vorgängermodell und wird seinen Eigentümer nun für einige Zeit begleiten.
Dank
Herzlichen Dank an Maria und Inho Oetjen vom Nordseeaquarium Borkum, durch deren Hilfe diese Aufnahmen möglich waren.
diesen Artikel finden Sie in Ausgabe 06|12