Über eine Grundel, die kleine Schwertträger frisst, Schnecken jagt und Aquarianerinnen-Herzen erobert. | Von Elke Weiand

Eigentlich halte ich nicht viel von „Funktionsfischen“. Oft kommt es mit ihnen nämlich anders, als man denkt, und die Tiere tun alles, nur nicht das, wozu man sie anschaffte. Dieser Gefahr war ich mir bewusst, als ich mich Anfang 2011 auf die Suche nach einem „Bestandskontrolleur“ für meine Xiphophorus helleri begab.

Die Anforderungen an den gesuchten Fisch waren klar. Er musste zum vorhanden Besatz und in das Aqua­rium passen, zuverlässig den Nachwuchs der Zahnkarpfen dezimieren, dabei allerdings die adulten Tiere und die übrigen Bewohner in Ruhe lassen. Und, ganz wichtig natürlich, sein Äußeres und sein Verhalten mussten mir gefallen! Die Messlatte lag also sehr hoch, aber dennoch hatte ich einen wichtigen Faktor übersehen – dazu später mehr.

Eher durch Zufall stieß ich bei meiner Suche auf Grundeln. Mein Interesse war schnell geweckt, waren diese lustigen Bauchrutscher doch einmal etwas anderes als die üblichen Verdächtigen, die immer genannt werden, wenn es um das Thema „Geburtenkontrolle“ geht.

Gut Ding will ja bekanntlich Weile haben, und so vergingen noch einige Wochen, bis ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigen konnte. Inzwischen hatte ich durch Abgabe die Zahl der Schwertträger schon deutlich reduziert, sodass es genügend Platz für die Neuankömmlinge gab.

Meine Wahl fiel schließlich auf Rhinogobius leavelli (Herre, 1935), die Orangefleck-Grundel. Die Männchen dieser Art werden ungefähr acht Zen­timeter lang, die Weibchen bleiben mit sechs Zentimetern Gesamtlänge ein wenig kleiner. Ob weiches oder hartes Wasser, ist nicht so entscheidend, und die Temperaturansprüche liegen mit 20 bis 28 °C im Rahmen ­dessen, was die meisten Aquarien ­ohnehin bieten.

Diese Tiere sind untereinander relativ friedlich; ist die Rangfolge erst einmal geklärt, kommt es kaum noch zu ernsteren Reibereien. Sind die Mitbewohner groß genug, um nicht als Futter infrage zu kommen, ignorieren die Grundeln sie ebenfalls weitgehend.

Bevor eine kleine Rhinogobius-Gruppe bei mir einziehen konnte, musste ich noch das Aquarium entsprechend vorbereiten. Es fehlten einige flache Steine, unter denen die Männchen ihre Höhlen graben können. Die drapierte ich vorn im Becken zwischen die breitblättrigen Cryptocorynen, die als gern angenommene Sitzplätze dienen. Pflanzen werden von R. leavelli im ­Allgemeinen nicht beschädigt, können aber bei größeren Grabungen schon einmal ausgebuddelt werden.

Endlich konnten sechs Rhinogobius einziehen, Nachzuchten von Jutta Bauer. Kurz nach der Ankunft hingen die Tierchen zwar noch etwas in den Seilen, aber das legte sich erfreulicherweise rasch. Bald schon nahmen sie ihre „Arbeit“ auf, und die Menge der kleineren Schwertträger nahm immer weiter ab. Die Effizienz war erstaunlich, und es gab nur einmal einen Angriff auf ein zu großes Ziel. Der etwa zwei Zentimeter lange Xipho überlebte die Attacke trotz einer üblen Verletzung und entwickelte sich zu ­einem stattlichen Männchen.

Wie erwartet wird der restliche Tierbesatz in Gestalt einiger Otocinc­lus, Corydoras und „Amano-Garnelen“ völlig ignoriert. Einzig mit dem unter einer Wurzel hausenden Ancistrus-Männchen gab es zu Anfang kurz etwas Stress, da der seine Wohnhöhle nicht an die Grundeln abtreten wollte. Inzwischen besitzen jedoch alle eine geeignete Heimstatt und leben friedlich nebeneinander.

Die Ernährung von R. leavelli ist nicht weiter schwierig, da sie neben Lebendfutter auch gern Tiefkühlkost und Artemia annehmen. Flockenfutter geht zur Not auch, wird aber nur widerwillig akzeptiert. Den Liebhabern von Aquarienschnecken würde ich von einer Vergesellschaftung mit Rhinogobius allerdings abraten, da die Grundeln bei mir sehr aktiv auf die Schneckenjagd gehen!

Bei guter Ernährungslage setzen die Weibchen bald Laich an und vergnügen sich mit dem ranghöchsten Männchen unter einem Stein. Den Chef bekommt man so oft nur alle ­Monate zu Gesicht, und ich hob schon aus Sorge, dass ihm etwas passiert sein könnte, den Brutstein an und sah darunter nach. Es ging ihm aber blendend, und er war etwas ungehalten über die Störung.

Rhinogobius leavelli gehört zu jenen Grundeln, deren Larven extrem klein sind, sodass sie nur winziges Futter wie Brachionus-Rädertierchenfressen. Das verhindert zuverlässig, dass sie sich in einem Gesellschafts­aquarium unkon­trolliert vermehren. Diese Eigenschaft war für mich sehr wichtig, da ich nicht den Teufel mit dem sprichwörtlichen Beelzebub austreiben wollte.

Alles in allem ist R. leavelli für mich die ideale Lösung zum effektiven Dezimieren der Jungfischflut meiner Schwertträger – bis auf eben jenen klitzekleinen Faktor, den ich nicht bedacht hatte: Diese Bauchrutscher versprühen einen Charme, dem ich glatt erlag. Inzwischen leben bei mir sieben Grundelarten, und einige haben auch schon Nachwuchs.
Also: Achtung! Grundeln können „Funktionsfische“ mit ungeahnten Nebenwirkungen sein. Wen das Fieber dann so richtig gepackt hat, der wird sich vielleicht auch an der Nachzucht von R. leavelli versuchen. Bei Jutta Bauer kann man nachlesen, wie das geht (Seite 32 in diesem Heft).

diesen Artikel finden Sie in Ausgabe 06|12