Über Sinn und Unsinn von Zuchtformen lässt sich streiten. Dass die weißgelbe Form des Stachelwelses Mystus nemurus eine Augenweide ist, steht jedoch außer Zweifel. | Von Reinhold Wawrzynski

Als im vorvergangenen Sommer eine Baumarktkette diese Welse in ihrer Werbung für den Gartenteich empfahl und mit der Bezeichnung „Sonnenwelse“ auslobte, wurde ich angeregt, meine eigenen Erfahrungen über diese Tiere aufzuschreiben. Seit September 2004 pflege ich zwei schöne Exemplare.

Diese Fische leben bei mir nicht im Gartenteich, denn natürlich sind sie keine Kaltwasserwelse. Auch der Trivialname „Sonnenwels“ ist völlig unpassend. Bekanntlich gibt es in der Familie der Harnischwelse bereits einen Wels mit diesem sonnigen Namen (L 14, Scobinancistrus aureatus). Nein, Loricariiden sind meine beiden Burschen ganz gewiss nicht.

Auch ich sah diese Fische 2004 zum ersten Mal in einem Baumarkt mit Gartencenter bei Hannover. Ich habe den Eindruck, dass die Art nur in solchen Geschäften verkauft wird. Meine Frau taufte unsere Tiere daher bald „Baumarktwelse“. Auf dem Verkaufsschild stand der Name „Batrachus“, doch ist mir keine Welsgattung dieses Namens bekannt. Im Handel findet man zwar gelegentlich einen Fisch als Batrachus grunniens angeboten, der korrekt Allenbatrachus grunniens heißt. Er gehört jedoch in die Familie der Froschfische (Batrachoididae) und hat gar nichts mit meinen Entdeckungen zu tun. Wie auch immer: Da die sechs Zentimeter langen Jungfische recht günstig waren, nahm ich zwei Tiere mit. Sie waren zweifellos Albinos, und dass sie nicht ausgewachsen waren, war mir klar.

Wer seid ihr?
Zu Hause kamen die Neulinge zunächst in ein gut eingefahrenes, substratreiches 60-Liter-Aquarium, und ich betrachtete sie ausgiebig.
Auf den ersten Blick ähnelten sie in der Gestalt den südamerikanischen Antennenwelsen (Familie Pimelodidae). Ich suchte in der Literatur nach Hinweisen, kam aber zunächst zu keinem brauchbaren Ergebnis. Im Internet sah ich jedoch Fotos und Beschreibungen, die zu meinen Fischen passten. Bei weiteren Recherchen fand ich heraus, dass es sich um Welse aus Südostasien handelte.

Meine Fische gehören in die große Familie Bagridae, deutsch auch „Stachelwelse“ genannt. Der wissenschaftlich korrekte Name lautet Mystus (Hemibagrus) nemurus (Valenciennes, 1840). Inzwischen sind meine Weißen nach acht Jahren auf knapp 32 Zentimeter Gesamtlänge herangewachsen und im letzten Jahr eigentlich nur noch etwas rundlicher geworden. Ich war rasantes Längenwachstum von Kiemensack- und Katzenwelsen gewohnt, hier geht es wohl etwas langsamer. In der Literatur wird die Endgröße mit 65 Zentimetern angegeben. Wahrscheinlich bleiben die Fische im Aquarium aber kleiner. In Bassins von 300 bis 600 Litern Inhalt sind sie daher ganz gut zu halten.

Die im Internet zu sehenden Tiere waren oftmals keine Albinos, sondern zeigten die übliche, natürliche Färbung vieler Welse, also graue, graubraune, dunkelgraue und weitere, nicht sonderlich aufregende Farbtöne. Auf den meisten Fotos demonstrierten asiatische Fischer oder Angeltouristen ihre stattlichen Fänge. Beheimatet sind die Fische in Südostasien (Malaysia, Thailand, Java, Sumatra und Singapur), und sie gelten dort als Speisefische.

Meine Welse waren wahrscheinlich wie Tausende ihrer Albino-Artgenossen unter der Handelsbezeichnung „Yellow Mystus“ auf einer der vielen Fischfarmen in Thailand gezüchtet worden.

Die Bezeichnung „Yellow Mystus“ passt gut zu diesen Albinos. Sie sind keine blässlichen Weißlinge wie etwa albinotische Corydoras paleatus oder weiße Axolotl (Mexikanische Querzahnmolche, Ambystoma mexicanum). Ihre Grundfarbe ist eher ein schönes, dunkles Elfenbeinweiß mit gelblichem Einschlag. Die Kopfoberseite, die Kiemendeckel und der Rücken bis zum Beginn der Schwanzflosse sind noch dunkler. Die Augen wirken bei nicht zu heller Beleuchtung kaum rot; eher ist es ein Bordeaux-Ton.

Diese Albinos – oder zumindest Welse mit einer Pigmentstörung, die als Xanthorismus bezeichnet wird – sehen für meinen Geschmack viel attraktiver aus als die gräuliche Wildform.
Vom Habitus her ist M. nemurus mit seinem flachen Kopf und der relativ kurzen Fettflosse gut von anderen, ähnlichen Stachelwelsen zu unterscheiden. Die Flossenstrahlen der Rücken- und der Schwanzflosse tragen fadenförmige Verlängerungen. Die längsten Barteln reichen, seitlich angelegt, etwa bis zu den Bauchflossen und keineswegs über die Afterflosse hinaus.

Der Grenzstein
„Yellow Mystus“ zeigt territoriales Verhalten, wie wir es von manchen Buntbarschen kennen. Schon zwischen den beiden sechs Zentimeter langen Jungfischen in dem 60-Liter-Becken gab es bald ein Kräftemessen. Die Gelblinge drückten sich gegenseitig mit ihren Mäulern weg. Mit zunehmendem Alter nahm die Angewohnheit noch etwas zu.

Man bekommt dieses Verhalten aber ganz gut in den Griff, indem man das Aquarium einfach durch einen deutlichen Markierungspunkt, einen größeren Stein oder eine Holzwurzel, in zwei Hälften teilt. Jeder M. nemurus bleibt dann in seinem Revier und akzeptiert den „Grenzstein“. Zwar wird hin und wieder neugierig „über den Zaun“ zum Nachbarn geschaut, aber dabei bleibt es dann auch.

Äußerst selten kommt es zu kleineren Beißereien. Eine Verletzung gab es in der jahrelangen Pflegezeit erst einmal. Dabei musste eine der langen Barteln bei dem etwas schwächeren Tier daran glauben. Nach kurzer Zeit wuchs sie aber wieder vollständig nach, und seitdem herrscht eigentlich Frieden.

Bei dieser optischen Trennung kann man auch die Welse gezielter ­füttern. So war ­einer der Fische von Anfang an etwas kleiner und wurde durch den stärkeren beim Fressen immer unterdrückt. Seit dem Einbau des Grenzsteins bekommt der Unterdrückte jedoch seinen Anteil, sodass er heute die gleiche Größe aufweist wie sein Gefährte.

Vergesellschaftung nicht ideal
Mehrmals versuchte ich, die Welse in verschieden großen Becken (60, 160, 240, 350 und 500 Liter) mit anderen Fischen zu vergesellschaften. Alle kleineren, mundgerechten Beifische sind natürlich Lebendfutter. Gleich große Arten wurden verjagt. Mit etwa zwölf Zentimetern Länge hielten sie vier ebenso lange, sonst sehr lebhafte Schwielenwelse (Megalechis picta) so in Schach, dass die zu scheuen Angsthasen wurden.

Bei etwa 15 Zentimetern Länge sorgten sie dafür, dass eine Gruppe Schilbe intermedius, ebenfalls in dieser Größe, sich nur noch als Oberflächenfische in dem Aquarium bewegen konnte.

Als sie 18 Zentimeter lang waren, durften fünf größere Speichenwelse (Heteropneustes fossilis) ihre Höhlen nicht mehr verlassen und unterzogen sich ­infolgedessen einer unfreiwilligen Schlankheitskur.

Am besten klappte die Vergesellschaftung mit meinem 28 Zentimeter langen Wabenschilderwels (Glyptoperichthys gibbiceps). Der Dicke ließ sich nicht von den Attacken der Mystus beeindrucken. Doch eines Tages drehte er den Spieß um und verprügelte meine Lieblinge.

In der Literatur und im Internet ist M. nemurus häufig als „bad catfish“ bezeichnet. Es wird sogar berichtet, dass er die Hand seines Pflegers angreift. Dem kann ich nur widersprechen.
Nein, böse sind diese Welse bestimmt nicht! Oft sind sie eben nur nicht richtig vergesellschaftet oder leben in zu kleinen Aquarien. Eventuell fehlt im Handel die entsprechende Beratung über die zu erwartende Größe dieser Tiere.

Problemlose Ernährung
Als Jungfische kann man „Yellow ­Mystus“ noch für Wasserflöhe, Mückenlarven und Trockenfutter begeistern. Mit zunehmendem Alter brauchen sie jedoch bald größere Brocken wie Tabletten, Tilapia-, Pangasius- und Forellenfilets. Gelegentlich tun es auch Seelachs oder frische Sardinen.

Bei frischen Forellen und Sardinen verputzen die Welse auch gern Gräten, Schwanzflossen und Köpfe, die für die nötigen Ballaststoffe sorgen.
Selbst 30 Zentimeter lange Tiere mögen noch gern Regenwürmer, aber ebenfalls rote Mückenlarven, seien die auch noch so klein. Das Verfüttern lebender Futterfische und eingefrorener Kleinsäugerbabys lehne ich bei allen Welsen ab. Kräftigere Brocken wie größere Filetstücke saugen die Welse elegant und ruhig ein. Vermenschlicht könnte man sagen: Die Tiere wissen sich zu benehmen und schmatzen nicht.

So haben sie es gern
Heute leben meine „Yellow Mystus“ zu zweit in einem 400-Liter-Becken und akzeptieren beide den Grenzstein. Zwei „Haus-und-Hof-Ancistrus“ werden geduldet und machen einen gut genährten Eindruck. Andere Beifische sind überflüssig, da die Welse mit ­ihrer dekorativen Ausstrahlung dominieren. Selbst Nichtaquarianer schauen etwas länger als gewöhnlich in dieses Aquarium.

Das Bassin ist nicht sehr hell beleuchtet. Holzwurzel und Unterstände aus Steinplatten bilden die Haupteinrichtung. Die Deckungen suchen die Welse aber nur bei vermeintlicher Gefahr auf, etwa bei meinem Hantieren im Wasser. Sie sind tagsüber aktiv und liegen meist dekorativ an der Frontscheibe. Gern lassen sie sich auch auf den Steinaufbauten nieder.
Wenige Pflanzen – Kongo- und ­Javafarn – sorgen für Kontraste in der Beckengestaltung. Ein teils dichter ­Rasen aus Pinselalgen auf Holz und Steinen sorgt für eine naturnahe Atmosphäre – ein solches Spezialaquarium kann und soll natürlich nicht wie ein „Amano-Becken“ aussehen.

Der Bodengrund ist gewöhnlicher, mittelgrober Aquarienkies. Ein Hamburger Mattenfilter, der die gesamte Seitenscheibe einnimmt und von einer Motorpumpe betrieben wird, sorgt für eine etwas stärkere Strömung und kristallklares Wasser. Die Wasserwerte sind eher nebensächlich (bei mir pH 7 und 16 °dGH). Die Temperaturen schwanken je nach Jahreszeit zwischen 22 und 26 °C. Unter 20 °C wirken die Welse aber sehr phlegmatisch. Sie sind auf keinen Fall für den Gartenteich geeignet, weder im Sommer noch im Winter – das wäre sogar tödlich für sie.

Alles in allem
„Yellow Mystus“ sind schöne, elegante Fische für den versierten Welsfreund, der das Besondere sucht und Behälter ab 300 Litern Volumen bieten kann. Unter Umständen muss er sogar bereit sein, ein noch größeres Aquarium herzurichten.

Die großen Vorteile von M. nemurus als Aquarienfische liegen in ihrer Tagaktivität. Sie sind weder verstecksüchtig noch lichtscheu, sodass man sie nur mit Hilfe einer Taschenlampe ein- oder zweimal jährlich zu sehen bekäme. Meist liegen sie ansehnlich im Vordergrund des Aquariums oder schwimmen zur Futteraufnahme aufgeregt hin und her, als wollten sie sagen: „Seht nur her, wie hübsch wir sind!“

Recht haben sie: Sie werden von Tag zu Tag schöner …