Vom „Rami“ gibt es bereits eine ganze Reihe unterschiedlicher Zuchtformen, hier eine weitere. Die Einstellungen der Aquarianer zu Zuchtformen sind unterschiedlich, immer wieder wird das Thema in Zeitschriften oder Internetforen diskutiert.

Auch wir äußerten uns schon mehrfach zu manchen Ex­tremen. Insbesondere Schleierflossen oder Wirbelsäulendeformationen, die Fische in ihren natürlichen Bewegungen einschränken oder behindern, sind kritisch zu betrachten und grundsätzlich abzulehnen. Das Herauszüchten neuer Farben hingegen ist in der Aquaristik wohl als etabliert anzusehen; vergleiche die zahlreichen Diskus-, Guppy-, Platy-, Schwertträger- oder Kampffisch-Farbformen. [Redaktionsanmerkung: „Zuchtformen“ lautet das Titelthema von DATZ 6/2013.]



Sicher darf man dennoch fragen, ob wir diese Züchtungen brauchen – bei der großen Vielfalt an Wildformen. Diese Frage stellt sich vor allem, wenn die Ursprungsform schon so farbenprächtig ist wie beim südamerikanischen Schmetterlingsbuntbarsch (Microgeophagus ramirezi*). Wildfänge tauchen jedoch selten im Handel auf und sind im Vergleich wohl doch etwas „pastellfarbener“ als die diversen Zuchtstämme, die entweder ins Rötliche und Gelbliche oder aber ins Bläuliche tendieren. Auch eine „Schleierform“ gibt es.

Als wir den ersten M. ramirezi „Electric Blue“ begegneten, waren wir überrascht über diese sehr auffällige Form, aber nicht unbedingt begeistert, nicht zuletzt wegen des kränklich wirkenden Zustands der Fische. Erst viel später erwarben wir ein paar Exem­plare für Nachzuchtversuche.

Offenbar waren die ersten der angebotenen Tiere ziemlich anfällig und empfindlicher als normal gefärbte Schmetterlingsbuntbarsche. Sie schienen vor allem für Darmparasiten oder Bakterien anfällig zu sein, da man häufig Exemplare mit eingefallenen Bäuchen und auffällig weißem Kot sah. Nach einigen Generationen sorgfältiger Auswahl sind die Tiere – bei uns jedenfalls – deutlich stabiler und unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von normalen Ramirezi.

So kamen wir auf eine Idee, die auch anderen Züchtern kommen musste: Was passiert wohl, wenn man die blaue Variante mit der schon seit einigen Jahren anzutreffenden „Goldform“ kreuzt? Diese xanthoristischen Tiere zeichnen sich durch vollständiges Fehlen schwarzer Pigmente aus. Da ihre gelben und roten Farben erhalten blieben, wirken die betroffenen Individuen goldgelb oder rötlich.

Es gibt verschiedene Spielarten dieser Zuchtform. Für unser Hybridisierungsexperiment hatten wir besonderes Glück: Wir konnten ein paar ­äußerst hübsche, robuste und kräftig rötliche Fische erwerben. Da Xanthorismus üblicherweise rezessiv vererbt wird, was wir von der „Electric Blue“-Färbung ebenfalls erwarteten, sahen die Tiere der F1-Generation tatsächlich wie fast normale Schmetterlingsbuntbarsche aus, allerdings mit auffällig vielen bläulichen Punkten auf Körper und Flossen. Das „elektrisierende Blau“ war jedenfalls verschwunden, der Xanthorismus sowieso, wir waren gespannt, wie es weiterging.

Da das gelbe Männchen zuerst mit einem blauen Weibchen gelaicht hatte, zogen wir nur diese Jungfische auf und führten zunächst keine weiteren Versuche durch. Nun tauchten die ersten unerwarteten Probleme auf: Alle Nachzuchtexemplare bis auf ein eher kümmerliches Männchen waren Weibchen! Wir hatten nur rund 30 Tiere großgezogen und für die weitere Hy­bridisierung vorgesehen. Üblicherweise beträgt das Geschlechterverhältnis bei Schmetterlingsbuntbarschen recht stabil 50:50. Immerhin konnten wir von diesen F1-Geschwistern ebenfalls einige Jungfische erzielen, doch in der F2-Generation entpuppten sich alle Tiere als Weibchen!

Inzwischen waren auch im Handel die ersten xanthoristischen „Electric Blue“-Varianten aufgetaucht. Bis heute fanden wir jedoch nicht die hier ­vorgestellte Form mit der markanten Kopfpartie.

Zunächst mussten wir jedoch noch auf unsere Endversion warten. Nach verschiedenen Zwischenformen und „Rück-Verpaarungen“, weshalb wir im Weiteren nicht mehr von F3-Generationen und so weiter sprechen können, kamen wir endlich zu einer Brut mit blauen (zunächst nicht zu unterscheiden von normalen „Electric Blue“) und gelbblauen (ungefähr 25 Prozent aller Jungtiere) Individuen, wobei es bei den gelben Tieren bereits deutliche Unterschiede gab.

Waren anfangs alle xanthoristischen Jungfische lediglich goldgelblich, änderte sich das mit zunehmendem Auftreten der blauen Farbe. Es entwickelten sich Fische mit gelber Kopfpartie, aber auch einige Exemplare mit deutlich roter Färbung „rund um die Nase“, wobei es sich nicht um geschlechtsspezifische Unterschiede handelte. Die Weibchen waren zwar nicht so intensiv rot auf der Stirn wie die Männchen, aber deutlich kräftiger orangefarben.

Das Geschlechterverhältnis hatte sich erfreulicherweise wieder ausgeglichen, sodass wir von allen drei in dem Wurf vorhandenen Färbungen ­sowohl Männchen als auch Weibchen besaßen. Die Entwicklung verlief gleich, es gab keine vermehrten Fehlbildungen oder unterschiedliches Wachstum.

Also waren wir optimistisch und unternahmen weitere Zuchtversuche, zunächst nur mit den blauroten Tieren. Was dann passierte, hatten wir schon einmal erlebt. Vor vielen Jahren erlebten wir eine xanthoristische Mutation bei Apistogramma agassizii „Tefé“, aus der wir eine reinerbige ­Linie entwickelten. Bei diesen Tieren waren bis zu 90 Prozent der Jungfische Bauchrutscher. Bereits unmittelbar nach dem Freischwimmen erkennt man sie daran, dass sie nicht in der Lage sind, frei im Wasser zu schweben, sondern immer hüpfen müssen oder eben auf dem Boden liegen und auf dem Bauch umherrutschen. Einige dieser Tiere verenden, viele können aber mit diesem Handicap heranwachsen. Und genau das geschah bei den ersten Bruten der gelbrotblauen Ramirezi. Sehr viele Jungfische waren Bauchrutscher, was sich bei der weiteren Aufzucht nicht änderte.

Nun hatten wir allerdings genügend Tiere für weitere Versuche, um auch dieses Manko schließlich zu beseitigen. Unseres Wissens handelt es sich dabei um eine unzureichend untersuchte Erkrankung, für die es vermutlich mehrere Ursachen gibt (genetisch, umweltbedingt). Zumindest gelang es uns, durch Optimierung der Wasserverhältnisse (weich, warm) und Änderung bei der Auswahl der Zuchttiere die Rate nicht schwimmfähiger Tiere unter zehn Prozent zu senken. Uns gefällt diese weitere Farbform, und wir werden versuchen, sie dauerhaft in unseren Aquarien zu erhalten.

Die nicht xanthoristische blaue Variante, die lange Zeit nicht von normalen „Electric blue“ zu unterscheiden war, zeichnet sich in voller Ausfärbung allerdings ebenfalls durch eine hübsche, orangefarbene, aber nicht rote Stirnpartie aus. Im Unterschied zur xanthoristischen „Electric Blue Red“-Variante sind darüber hinaus ­
die ersten Strahlen der Rückenflosse schwarz, und der Blauton des Körpers ist vielleicht ein bisschen dunkler. 

von Peter und Martin Hoffmann